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Plakatmotiv: Die Nibelungen – Kriemhilds Rache (1924)

Wenn Frauen hassen

Titel Die Nibelungen: Kriemhilds Rache
Drehbuch Thea von Harbou
Regie Fritz Lang, Deutschland 1924
Darsteller

Margarete Schön, Gertrud Arnold, Theodor Loos, Hans Carl Mueller, Erwin Biswanger, Bernhard Goetzke, Hans Adalbert Schlettow, Hardy von Francois, Yuri Yurovsky, Iris Roberts, Rudolf Klein-Rogge, Georg John, Hubert Heinrich, Rudolf Rittner, Annie Röttgen, Fritz Alberti, Georg August Koch, Grete Berger u.a.

Genre Abenteuer, Drama, Stummfilm
Filmlänge 130 Minuten
Deutschlandstart
26. April 1924
Inhalt

Seit dem Tod ihres Gatten Siegfried ist das einzige, was Kriemhild noch am Leben hält, ihr Wunsch nach Vergeltung. Sie will den Mann tot sehen, der Siegfried hinterrücks ermordete: Hagen von Tronje. Doch ihr Bruder, König Gunther, hält seinem engsten Vertrauten die Treue.

Um ihren Plan dennoch ausführen zu können, heiratet Kriemhild den Hunnenkönig Etzel und benutzt ihn und seine Anhänger für einen Rachefeldzug gegen Hagen von Tronje, für dessen Kopf sie sogar den Tod des gesamten Nibelungengeschlechts in Kauf nimmt …

Was zu sagen wäre

Kriemhild, das zopfige blonde Prinzessen ist weg. Gestorben mit Siegfried. Dessen Tod hat die Schwester des Königs Gunther verändert, verhärmt. Fritz Lang schenkt seiner Hauptdarstellerin Margarete Schön in diesem zweiten Teil viele Großaufnahmen ihres markant geschminkten Gesichts mit den scharfen Kanten und großen, zackig geschwungenen Augenbrauen. In ihrem Gesicht ist das Leben erloschen. In ihren Augen lodert der Hass – ausgelöst offenbar durch einen extra Scheinwerfer, der Lang auf Schöns Augen setzen lässt, damit die Pupillen ihn reflektieren. Ihre Zöpfe sind unter einer imposanten Kopfbedeckung verschwunden, auf ihr Kleid hat das Garderobendepartment stilisierte Flammen gestickt, als stünde die Witwe buchstäblich in Flammen. Alles an dieser Frau drückt jetzt aus: Das geht nicht gut aus! Die vielen Nahaufnahmen signalisieren: An ihr kommt in diesem Film niemand mehr vorbei.

Sie geht in den Osten, ehelicht Etzel, den König der Hunnen, Herr über ein Volk, das sein Leben auf dem Rücken von Pferden verbringt, selbst im Thronsaal sitzen sie auf Pferden. Sie leben in Höhlen, ihr Beruf scheint das Brandschatzen. Aber ihre Kinder tanzen in sanft geschwungenen Hügellandschaften nackt um die jungen Schößlinge von Bäumen herum. Diese Hunnen sind ein Naturvolk, wild, aber fröhlich. Sie singen gerne. Ihr Anführer, Etzel, ist eine furchterregende Erscheinung mit seinen vielen Narben im Gesicht. Als er Kriemhild, die er zu ehelichen gedenkt, zum ersten Mal sieht, ist er so fasziniert, dass er kein Wort mehr herausbringt. Eigentlich nämlich ist er ganz ein Lieber: Sie belagern gerade die Stadt Rom, sind kurz davor, sie zu erobern, als er Kunde von der Geburt seines ersten Sohnes erhält. Da lässt der furchterregende Hunnenkönig die Belagerung sofort beenden, um nach Hause zu seinem Sohn zu kommen, den er fortan kaum mehr aus den verliebten Augen lässt. Wenn schon seine Kriemhild ihn nicht liebt, die immer noch den Siegfried ehrt, liebt ihn wenigstens die Frucht aus ihrem Leibe.

Fritz Langs zweiter Nibelungen-Teil, der 20 Minuten kürzer ist, als der erste, spielt nach einem kurzen Prolog in Worms ausschließlich in der Wildnis des Ostens, in der die gnadenlose Zielstrebigkeit der Kriemhild auf die sprichwörtlich gewordene Nibelungentreue ihrer eigenen Sippe trifft: „Treue, die durch Eisen nicht zerstört, schmilzt auch nicht im Feuer!“, faucht Gunther, der ansonsten immer noch ein Saft- und kraftloser Herrscher ist. Die wilden Hunnen sind nur Kriemhilds Spielball, Figuren, die auf allen Vieren herumlaufen und sich ausschließlich nach einem freundlichen Wort ihrer Königin sehnen. Plakatmotiv: Die Nibelungen – Kriemhilds Rache (1924) Es ist ein bisschen so, als lebe am und um den Rhein die Zivilisation in geraden Häusern und je weiter der Deutsche nach Osten vorstößt, desto unzivilisierter erscheint die Welt in windschiefen Zelten und schmutzigen Höhlen.

Für die Dramaturgie des Films ist das schwierig. Weil mit den Wilden nichts anzufangen ist, außer, dass sie die Kriemhild anbeten, warten wir auf den Moment, in dem Kriemhild ihre Brüder an Etzels Hof einladen lässt. Wenn die dann da sind, zieht sich das Morden lange hin. Lang kostet jede Möglichkeit aus, der Unbedingtheit seiner Titelheldin noch eine Szene zu schenken. Da reiht sich (beeindruckende) Massenszene an (beeindruckende) Massenreiterei, Gemetzel an Gebrenne und alle Appelle an die scheinbar allein alle Fäden des Handelns in der Hand haltende Kriemhild, es doch nun gut sein zu lassen, verpuffen. Männer haben ihr Eide geschworen, ihr Leid zu rächen, und die Eide fordert sie nun ein. In den Großaufnahmen sind ihre Augen mittlerweile abwechselnd kalt oder leer. Die Burgunden, die sich auch die Nibelungen nennen, haben sich im Festsaal verschanzt und Kriemhild lässt Welle auf Welle ihrer Hunnen gegen sie anrennen. Aber sie werden immer zurückgeschlagen. Bis sich schließlich alle gegenseitig umgebracht haben.

Der Film heißt ja nicht zufällig "Kriemhilds Rache". Der Film erzählt von der unbeirrt zurückgezogenen Rache einer Frau an ihren Peinigern, die alle Männer hinter sich gelassen oder gegeneinander ausgespielt hat. War es im ersten Teil die geschundene Brunhild, die Rache einforderte und also Siegfried töten ließ, ist es hier die auf andere Weise geschundene Kriemhild. All die hochgerüsteten Kerle stehen nur um sie rum und bitten um ein Ende. Weil sie gleichzeitig aber Hagen von Tronje nicht ausliefern wollen, den Mörder Siegfrieds, bleibt die Frau stur.

Man sieht dem Film natürlich an, dass er mehr als 80 Jahre alt ist. Aber man merkt es ihm nicht an. Es ist ein Stummfilm mit Texttafeln. Die Charaktere sind alle überschminkt, als spielten sie auf einer fernen Theaterbühne, nicht vor einer Kamera und Mimik sowie Schauspiel haben diese typische Stummfilm-Exaltiertheit, bei der jede Geste überlebensgroß ist. Aufregend ist die orangefarbene Eintönung des Schwarz-Weißfilms, die laut der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung die Rekonstruktion des Films federführend geleitet hat, dem Original à la Fritz Lang entspricht; sie täuscht das Auge, gibt dem schwarz-weißen Bild eine Farbigkeit, die es eigentlich gar nicht hat. Aus heutiger Sicht wirken manche Szenen zu lang, jüngere Augen würden heute schneller umschneiden – aber die haben auch mehr gesehen im Kino, als die Menschen im Jahr 1924. Für die muss diese Nacherzählung der Nibelungensage der Hammer gewesen sein. Für sowas wurden Lichtspielhäuser gebaut.

Wertung: 5 von 6 D-Mark
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