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Plakatmotiv: der Tiger von Eschnapur (1959)

Großes Abenteuerkino mit
leicht kolonialer Arroganz

Titel Der Tiger von Eschnapur
Drehbuch Werner Jörg Lüddecke
nach einem Roman von Thea von Harbou und dem Drehbuch "Das indische Grabmal“ (1921) von Richard Eichberg
Regie Fritz Lang, BRD, Frankreich, Italien 1959
Darsteller

Debra Paget, Paul Hubschmid, Walther Reyer, Claus Holm, Sabine Bethmann, Luciana Paluzzi, René Deltgen, Valéry Inkijinoff, Jochen Brockmann, Richard Lauffen, Jochen Blume, Helmut Hildebrand u.a.

Genre Abenteuer
Filmlänge 101 Minuten
Deutschlandstart
22. Januar 1959
Inhalt

Der deutsche Ingenieur Harald Berger rettet auf seinem Weg in die indische Stadt Eschnapur die Tempeltänzerin Seetha vor einem gefährlichen Tiger. In Eschnapur, wo Berger arbeiten soll, herrscht Fürst Chandra, der Berger nach seiner Ankunft einen Smaragdring schenkt, weil er die Tänzerin gerettet hat. Doch auch Berger hat sich in Seetha verliebt und überdies herausgefunden, dass sie europäische Eltern hat.

Seetha tanzt vor dem Fürsten, der sie heiraten und so zur neuen Maharani machen will. Das missfällt Fürst Padhu, dem Bruder der verstorbenen Maharani. Fürst Ramigani, Chandras Halbbruder, hofft insgeheim im Falle einer solchen Heirat zusätzlich auf die Empörung der Priesterschaft, weil er gern selbst an die Macht möchte.

Padhu lässt Seetha entführen, sie wird aber von Chandra befreit. Berger besucht sie heimlich in dessen Seepalast, was Chandra jedoch erfährt. Obwohl Ramigani bei einem Fest heimtückisch Seethas Dienerin Bharani töten lässt, kann sich Fürst Chandra als Beobachter eines erneuten Treffens von Berger mit Seetha Gewissheit verschaffen, dass die beiden ein Verhältnis miteinander haben.

Er wirft Berger dem inzwischen eingefangenen Tiger zum Fraß vor …

                                          Plakatmotiv: Der Tiger von Eschnapur (1959)

Was zu sagen wäre

Großes Kinoabenteuer mit Cliffhanger: „Die wunderbare Rettung der Liebenden sehen Sie in der Fortsetzung des Films Das Indische Grabmal – noch spannender – noch gewaltiger – noch grandioser“. Man darf diesen Schlusstitel leichten Herzens verraten, weil beide Filme zusammen ein Klassiker der Stummfilmära sind, die 1921 in kurzem Abstand in die Kinos kamen. Fritz Lang wiederholt das Spektakel jetzt mit den Mitteln des modernen Ton- und – vor allem – Farbfilms.

Die fiktive Stadt Eschnapur erstrahlt in bunten Farben, prachtvollen Kostümen und ehrbaren … Männern. Wobei jeder nach seiner Façon ehrbar ist. Der Maharadscha ist der Herrscher und herrscht nach Goodwill. Der Bruder des Maharadschas möchte gerne Maharadscha anstelle des Maharadschas werden und zettelt allerlei Intrigen an. Und der Bruder der verstorbenen Maharani, also der verstorbenen Frau des Maharadschas fürchtet um seinen Einfluss am Hofe des Maharadschas. Und die Priesterschaft rümpft die Nase, weil der Maharadscha sich in eine Tänzerin verguckt hat. Aber was das für eine Tänzerin ist!

Ziemlich zur Mitte seines ersten Teils inszeniert Fritz Lang (Rache für Jesse James – 1940; M – Eine Stadt sucht einen Mörder – 1931, Metropolis – 1927) den geheimnisvollen Tanz der Sheeva-Tänzerin Seetha; geheimnisvoll deshalb, weil sie diesen nur im Tempel und nur vor den Augen der Gläubigen aufführen darf – also keineswegs vor einem deutschen Architekten, auch wenn der sie zuvor aus den Fängen eines wilden Tigers befreit und sich beide irgendwie, ohne sich das einzugestehen, ineinander verliebt haben. Das wäre auch tödlich, sich das einzugestehen, weil eben auch der Maharadscha gedenkt, diese elegante Tänzerin zur neuen Gemahlin zu nehmen. Und dann kommt es also zu diesem geheimnisvollen Tanz. Und in dem steckt tatsächlich mehr, als Bilder einer exotisch knapp bekleideten Frau, die indische Bewegungen tanzt. Lang inszeniert Debra Paget in der Rolle der Seetha als attraktive, sehr selbstbewusste Frau, die weiß, was sie will, wie sie wirkt und was sie tun muss, um Männer – mächtige Männer zumal –  um den kleinen Finger zu wickeln. Ihr Tanz ist so intensiv, dass man die Faszination des Maharadschas ebenso nachvollziehen kann, wie die des deutschen Architekten Harald Berger, der sie vor dem titelgebenden Tiger gerettet hat und anschließend von ihrer Anmut umgehauen wird. Das ist ja im Kino immer schwierig, die plötzliche Verknalltheit des Protagonisten glaubhaft zu machen. Debra Paget (Die zehn Gebote – 1956; Der gebrochene Pfeil – 1950) schafft das mit ein paar klimpernden Augenblicken.

Der titelgebende Tiger hingegen ist mehr Drohung als Bedrohung. Als er zu Beginn die künftige Tempeltänzerin angreift, rennen dramaturgisch sinnvoll alle weg, damit alleine Paul Hubschmid ihn mit dem brennenden Dornbusch vertreiben kann, aber als es dann später quasi zum Tête-a-Tête Harald Berger (Hubschmid) gegen den Tiger von Eschnapur kommt, ist das Duell wenig überraschend schnell entschieden – es gibt ja noch die Fortsetzung. Im deutschen Fernsehen wird der Film zum ersten Mal am 25. Dezember 1970 ausgestrahlt; da sehe (und bewerte) ich ihn auch erstmals – da bin ich knapp zehn Jahre alt – und finde ihn aufregend, spannend und exotisch. Aber selbst mir fällt eine gewisse koloniale Selbstherrlichkeit auf: Die Inder in Eschnapur sind elegant gekleidet, können jederzeit auf reichhaltiges, güldenes Geschmeide und grüne Smaragde zurückgreifen, um sich gigantische Tempel bauen zu lassen, sind aber wesentlich auf westliches Know-How angewiesen. Anders ausgedrückt: Ohne uns Deutsche würde das sagenhafte Indien aus lauter Bambushütten bestehen. Das klingt sogar mir nach viel Folklore.

Aber Kino ist Geschichten-erzählen in Bildern. Bilder, beeindruckende, bekomme ich en masse. Und obwohl ich weiß – „Die wunderbare Rettung der Liebenden …“ – dass die beiden Hauptfiguren ihren Hungertrip durch die Wüste überleben werden, freue ich mich auf die Fortsetzung dieses Abenteuers. Im Kino kam das damals nach drei Monaten. Das Fernsehen der frühen 70er Jahre verkürzt diese Spanne. Hier oder da … dramaturgisch sollte man beide Filme erst am Stück beurteilen. Aber eigentlich erweist sich auch schon nach einem Teil, dass Fritz Lang Freunde exotischer Abenteuer nicht enttäuscht – eher schon die Fans seiner großen Meisterwerke aus der Stummfilmzeit.

Wertung: 5 von 7 D–Mark
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