Paris, 1942. Die couragierte Marion Steiner verwaltet in dem deutsch-besetzten Paris die kleine Bühne des Theatre Montmartre. Ihr jüdischer Mann, der Direktor des Theaters Lucas Steiner, muss sich vor den Nazis verstecken und verbirgt sich im Keller des Theaters. Von dort aus inszeniert er mit Marions Hilfe das neue Stück.
Über die Belüftungsanlage kann er die Proben mithören und sich so aktiv an der Produktion des Projekts beteiligen. Doch die Proben sind nicht alles, was Lucas mithört. Er wird auch Zeuge einer aufkeimenden Liebesaffäre zwischen seiner Marion und dem jungen Schauspieler Bernard Granger …
Die fragile Kunst ist stärker als der plumpe Nazi-Terror. Die Liebe zum Buch, die Liebe zum Theater, die Liebe zur Liebe, die Liebe zur Kunst treiben diesen Film an, den François Truffaut nahezu ausschließlich in der sehr beengten Welt des Theaters inszeniert. Gänge, Treppen, Bühnenaufgänge, immerzu drängen sich die freundschaftlich verbundenen Künstler, Kostümleute, Bühnenbauer lächelnd aneinander vorbei. Während draußen das Leben zwischen Bombenalarm, Essenmarken und Denunziation seinen Gang geht, tobt drinnen die Leidenschaft fürs Theater.
Noch enger (und dunkler) ist es unten im Keller, in dem die Kreativität die größten Volten schlägt. Hier versteckt sich Lucas, der eigentliche Intendant/Regisseur des Theaters und des Stücks, das gerade oben geprobt wird und das sich eng mit dem Leben unten, oben und draußen verzahnt. Im Finale sind Theaterstück und Filmerzählung nicht mehr klar zu trennen, legt uns Truffaut frech grinsend seine Leidenschaft fürs Theater, fürs Kino und für Frauen und deren Beine in den Schoß.
Heinz Bennent spielt diesen Regisseur Lucas im Keller mit Schalk im Nacken, präziser Beobachtungsgabe – obwohl er nur hört, was auf der Bühne passiert – und großer Vertrautheit zu seiner Frau Marion, die auch nicht erschüttert wird, als sie sich in ihren jungen Bühnenpartner verliebt; was vor allem passiert, weil Lucas kritisch anmerkt, ihre Liebe sei auf der Bühne nicht spürbar, sie solle mehr Hingabe zeigen. Wenn Bennent an seinem Lauschplatz nach oben auf die Bühne horcht, ist er ganz konzentriert auf die Wirkung "seines" Stücks, im Umgang mit Catherine Deneuve (Das Geheimnis der falschen Braut – 1969; Belle de Jour – 1967; Ekel – 1965), die seine Marion spielt, ist er ironisch und verknallt wie ein Teenager. Dass die beiden sich lieben, das sieht man. Einmal gehen sie hintereinander eine enge Wendeltreppe hinauf und die Kamera nimmt Lucas' Perspektive ein, der hinter Marion geht: „Glaube nur nicht, ich lasse Dich aus Höflichkeit vorgehen, ich will nur Deine Beine sehen.“ Wenn sie ihn anschaut und er sie, wenn sie sich umarmen, spielerisch miteinander umgehen, miteinander reden: Das sind zwei, die sich lange kennen und immer noch lieben.
Der Film heißt "Die letzte Metro", hat mit Pendlern, Bahnfahrern, Schaffnern oder dem Öffentlichen Personennahverkehr aber nichts zu tun. Das erfahren wir unmittelbar nach dem Titelvorspann, wenn uns ein Off-Sprecher zu Dokumentaraufnahmen aus einer Metro-Station und zu Bildern von vollen Theaterfoyers und gedrängten Kinoeingängen erzählt, wie das 1942 war; wie die Menschen im besetzten Paris die letzte Metro erreichen mussten, um vor der Ausgangssperre wieder zu Hause zu sein und dass das überhaupt nur deshalb ein Thema war, weil sie sich das Besatzungs- und Kriegsgefühl im Theater und im Kino vertreiben ließen. Das eigentliche Thema des Films verbirgt der Titel wie seinen Regisseur im Keller.
"Die letzte Metro" ist ein Liebesfilm. Über die Liebe – eben – zum Theater, zur Arbeit, zu Büchern, zu Ideen, die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau und dieser Frau mit einem anderen Mann und über die Liebe – wir sind im französischen Kino – zwischen einer erwachsenen und einer heranwachsenden Frau. Und um die Liebe zu Frankreich, für die manch einer seinen Hals riskiert. Es geht darum, wie Liebe korrumpiert, wenn der Theaterkritiker Daxiat von der kreativen Ader der Juden schwadroniert, das neue Stück dann mit antisemitischem Furor verreißt und das nicht aus Gesinnung, sondern weil er hofft, das Theater bald selbst leiten zu dürfen – am besten zusammen mit der schönen Marion, für die er natürlich auch entflammt ist.
Es ist ein menschlicher Film vollgepackt mit ihren Stärken und Schwächen, lauter echten Typen, die das Leben am Theater zur vollen Pracht bringt – Truffauts Blick auch für die Nebenrollen ist exzellent. Hat er in "Die amerikanische Nacht" (1973) die Filmszene portraitiert, malt er hier der Theaterszene das großformatige Bild in Öl.
Regisseur François Truffaut im Kino
François Truffaut war ein französischer Filmregisseur, Filmkritiker, Schauspieler und Produzent. Er wurde am 6. Februar 1932 in Paris geboren und starb am 21. Oktober 1984 in Neuilly-sur-Seine.
Mit der Neubelebung des Autorenfilms ab Ende der 1950er Jahre gilt Truffaut in der französischen Filmgeschichte mit Jacques Rivette, Jean-Luc Godard, Claude Chabrol und Éric Rohmer als einer der maßgeblichen Begründer der Nouvelle Vague.
- Ein Besuch (Une Visite – 1955) – der Film gilt als verschollen
- Die Unverschämten (Les mistons – 1957)
- Eine Geschichte des Wassers (Une histoire d'eau – 1958) – Regie mit Jean-Luc Godard
- Sie küßten und sie schlugen ihn (Les quatre cents coups – 1959)
- Schießen Sie auf den Pianisten (Tirez sur le pianiste – 1960)
- Jules und Jim (Jules et Jim – 1962)
- Liebe mit zwanzig (L’amour à vingt ans – 1962)
- Die süße Haut (La peau douce – 1964)
- Fahrenheit 451 (Fahrenheit 451 – 1966)
- Die Braut trug schwarz (La mariée était en noir – 1967)
- Geraubte Küsse (Baisers volés – 1968)
- Das Geheimnis der falschen Braut (La sirène du Mississippi – 1969)
- Der Wolfsjunge (L’enfant sauvage – 1970)
- Tisch und Bett (Domicile conjugal – 1970)
- Zwei Mädchen aus Wales und die Liebe zum Kontinent (Les deux anglaises et le continent – 1971)
- Ein schönes Mädchen wie ich (Une belle fille comme moi – 1972)
- Die amerikanische Nacht (La nuit américaine – 1973)
- Die Geschichte der Adèle H. (L’histoire d'Adèle H. – 1975)
Taschengeld (L’argent de poche – 1976) - Der Mann, der die Frauen liebte (L’homme qui aimait les femmes – 1977)
- Das grüne Zimmer (La chambre verte – 1978)
- Liebe auf der Flucht (L’amour en fuite – 1979)
- Die letzte Metro (Le dernier métro – 1980)
- Die Frau nebenan (La femme d'à côté – 1981)
- Auf Liebe und Tod (Vivement dimanche! – 1983)