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Plakatmotiv: Die Geschichte der Adele H. (1975)

Eine Liebesgeschichte
die kein Happy End kennt

Titel Die Geschichte der Adele H.
(L'histoire d'Adèle H.)
Drehbuch François Truffaut & Jean Gruault & Suzanne Schiffman
nach dem Tagebuch der jüngsten Tochter Victor Hugos
Regie François Truffaut, Frankreich 1975
Darsteller

Isabelle Adjani, Bruce Robinson, Sylvia Marriott, Joseph Blatchley, Ivry Gitlis, Louise Bourdet, Cecil De Sausmarez, Ruben Dorey, Clive Gillingham, Roger Martin, M. White, Madame Louise, Jean-Pierre Leursse u.a.

Genre Biografie, Drama, Historie
Filmlänge 96 Minuten
Deutschlandstart
1978
Inhalt

Kanada 1863: Zur Zeit des Sezessionskrieges sind in Halifax, Neuschottland, britische Truppen stationiert, um auf Seiten der Südstaaten in den amerikanischen Bürgerkrieg einzugreifen. Den britischen Offizieren folgt eine mysteriöse junge Französin, aus anscheinend bestem Haus. Adèle  – mehr als ihren Vornamen gibt sie nicht preis – hat die Alte Welt hinter sich gelassen, um ihren Geliebten, den englischen Husarenleutnant Albert Pinson, wiederzusehen.
Bei dem warmherzigen älteren Ehepaar Saunders findet sie Unterkunft und stellt Nachforschungen über Pinson an. Bis tief in die Nacht schreibt sie jeden Abend beinahe endlose Tagebucheinträge und Briefe. Doch Pinson weicht ihr aus und macht – einmal zur Rede gestellt – klar, dass er nichts mehr für sie empfindet. Zusätzlich zermürbt von wiederkehrenden Albträumen, in denen ihre geliebte Schwester Léopoldine ertrinkt, bricht sie auf offener Straße zusammen. 
Sie erholt sich nur langsam und bittet Mrs. Saunders, einen Brief für sie zu verschicken – adressiert an Victor Hugo.
Bald schon weiß die ganze Stadt, dass die schöne Fremde Adèle Hugo ist, die jüngste Tochter des weltbekannten Schriftstellers. Sie hat bereits ihre Familie und ihre Heimat aufgegeben, um bei dem ebenso schönen wie hartherzigen Leutnant Pinson zu sein; jetzt wird sie ihre Selbstachtung aufgeben.

Denn trotz der Drohungen, der zärtlichen Bitten ihres Vaters, nach Hause zu kehren, trotz Pinsons harscher, eindeutiger Ablehnung, ist Adèle entschlossen, um ihre Liebe zu kämpfen. Dabei ist ihr jedes Mittel recht; nimmt sie jede Demütigung hin. Doch ihre obsessive Liebe verwandelt sich immer mehr in eine zwanghafte Wahnwelt, aus der sie nicht mehr zurückfindet …

Was zu sagen wäre

Halifax an der Ostküste Kanadas. eine Frau kommt an Land, die einen mann sucht und binnen weniger Minuten mehrere Versionen, wie sie mit dem Mann bekannt ist, erzählt. Der Frau ist nicht zu trauen. Plakatmotiv (UK): The Story of Adèle H. (1975) Tatsächlich liebt sie diesen Mann, einen Leutnant der britischen Husaren. Aber der liebt sie nicht.

Wir schreiben das Jahr 1963. Da war es für Frauen nicht so einfach, eben mal von Europa nach Amerika überzusetzen und sich dort gegen den Willen der Eltern zu verheiraten. Das aber ist Adeles Trachten: Sie will die Mann heiraten. Daraus zieht dieses stille Drama seinen Reiz, dass die gesellschaftlichen Konventionen  einem solchen Weg im Wege stehen – auch der Tochter von Victor Hugo, dem seinerzeit weltberühmten Schriftsteller. Dramatisch wird diese Amour fou dadurch, dass der Leutnant lange nichts mehr von ihr wissen will, längst eine neue hatte. Auch da waren die gesellschaftlichen Konventionen schon damals klar: der Mann schläft mit vielen Frauen, bevor eine heiratet, die unbedingt Jungfrau sein muss. Sieht Adèle in ihm wirklich eine Zukunft? In Europa hatte ihr jemand einen Antrag gemacht, ein Freund ihres Vaters, also ein vermutlich viel älterer Mann. Weil nur eine Ehe für eine Frau materielle Sicherheit versprach, galt ein Eheversprechen als verbindlich. Aber materiell war Adèle versorgt, ihr Vater war ein reicher Mann. Es bleibt offen, warum sie diesen abweisenden, schroffen Leutnant unbedingt heiraten will – vielleicht, um ihren Willen durchzusetzen; sie verspricht ihm sogar, er könne auch als ihr Ehemann mit so vielen anderen Frauen schlafen, wie er möchte. Einmal schickt sie ihm eine Prostituierte aufs Zimmer.

Für Adèle endet die Geschichte tragisch. Sie verfällt ihrem Wahn und erkennt den Leutnant schließlich nicht einmal mehr. François Truffaut feiert, nicht zum ersten Mal, die Schönheit der Frau, an der nicht nur Männer verzweifeln, sondern auch die Frauen selbst. Die Adèle spielt die gerade erst 20-jährige Isabelle Adjani wunderbar ("Die Ohrfeige" – 1974). Ihr Gesicht spiegelt den zunehmenden Wahn, in den sie driftet, mit feinsten Regungen wider, vor dem Blitzen in ihren großen Augen kann man Angst bekommen auf das, was sie wohl noch vorhat. Denn ein Unschuldsengel ist die junge Frau nicht, die ihren Eltern im Exil auf der Kanalinsel Guernsey vorgaukelt, sie habe den Leutnant längst geheiratet, worauf diese eine Hochzeitsanzeige in der Zeitung schalten und damit in Halifax für einigen Ärger sorgen. Der Leutnant ist nämlich längst anderweitig verlobt.

Fotografiert hat Kameramann Néstor Almendros, der seit Der Wolfsjunge mit Truffaut arbeitet. Er taucht Halifax in kühle Nebelbilder, Adèles Kammer in dunkles Licht. Selbst die bunten Uniformen der Soldaten bleiben stumpf. In dieser Liebe steckt keine bunte Romantik, in dieser Liebe der Adèle H. steckt nur Verderben.

Wertung: 4 von 8 D-Mark
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