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Plakatmotiv: Ein ganz normaler Held (1992)

Ein gut gelaunter Blick auf
lauter schlechte Menschen

Titel Ein ganz normaler Held
(Accidental Hero)
Drehbuch David Webb Peoples & Laura Ziskin & Alvin Sargent
Regie Stephen Frears, USA 1992
Darsteller

Dustin Hoffman, Geena Davis, Andy Garcia, Joan Cusack, Kevin J. O'Connor, Maury Chaykin, Stephen Tobolowsky, Christian Clemenson, Tom Arnold, Warren Berlinger, Cady Huffman, Susie Cusack, James Madio, Richard Riehle, Daniel Baldwin u.a.

Genre Drama
Filmlänge 119 Minuten
Deutschlandstart
4. März 1993
Inhalt

Dem kleinen Gauner Bernie Laplante fällt ein notgelandetes Flugzeug quasi vor die Füße, so dass er nicht umhin kann, die Passagiere zu retten. Als die Medien auf der Suche nach dem "Helden" sind, um ihn zu feiern, ist er leider gerade im Gefängnis.

Der Obdachlose John Bubber gibt sich für ihn aus und kassiert an seiner Stelle Geld und Ruhm. Denn die Reporterin Gale Gayley, die selbst unter den Passagieren des notgelandeten Unglücksflugzeugs war, baut den charismatischen Bubber zu einem Helden auf. Die Geschichte des Retters ist für ihren TV-Sender ein Glücksfall. So gelingt es, die Einschaltquoten zu steigern und ungeahnte Erfolge zu feiern.

Als Bernie, der den Passagieren in Wirklichkeit geholfen hat, von dem Schwindel erfährt, will er sich das nicht gefallen lassen …

Was zu sagen wäre

Wenn Bernie, der in seinem Leben offenbar kaum etwas gut oder gar richtig gemacht hat, seiner getrennt von ihm lebenden Frau am Telefon gesteht, dass er viel Mist gebaut habe und er sich unter Tränen für allerlei Unbill entschuldigt, da läuft im Fernsehen nebenan gerade die Szene aus Spielbergs Close Encounter of the Third Kind, in der Francois Truffaut mit Gebärdensprache Kontakt zu den Außerirdischen aufnimmt. Zwei Spezies verständigen sich über eine Brückenkommunikation. Ein bewusst gesetztes Bild in Stephen Frears' (Gefährliche Liebschaften – 1988) Film, in dem die Leute alle wirken, als kämen sie von unterschiedlichen Planeten und könnten sich nur über die Brückentechnologie Fernsehen verständigen. Lauter Egoisten bevölkern diesen Film. Niemand hört zu, eine schreit einen anderen an, alle sind genervt voneinander. Am allerwenigsten zuhören und am meisten schreien die TV-Sender.

Filme, in denen Medien eine wichtige Rolle spielen, sind im allgemeinen zynische Komödien, die den Medienmachern gehörig ins Kontor pinkeln. Immer noch unerreichter Siedepunkt ist Sidney Lumets Network von 1976. Stephen Frears' "Accidental Hero", der 16 Jahre später entstanden ist, stellt fest, dass zwar schon die Typen beim Fernsehen immer noch abgebrühte Wahrheiten-Verbieger und Einschaltquptenritter sind, sie das aber heute erfolgreich nur deshalb sein können, weil die Gesellschaft selbst aus Lügnern, Wahrheiten-Verbiegern und Herdentieren besteht, die alles glauben, was im Fernsehen gesagt wird.

Plakatmotiv (US): Hero – Ein ganz normaler Held (1992)Sympathisch ist in diesem Film eigentlich niemand, was es zunächst schwer macht, den Film gucken zu wollen – warum soll ich Arschlöchern beim Arschloch sein zugucken? Der Hauptdarsteller, den der gefeierte Oscar-Preisträger Dustin Hoffman spielt (Hook – 1991; Dick Tracy – 1990; Family Business – 1989; Rain Man – 1988; Tootsie – 1982; Kramer gegen Kramer – 1979; Der Marathon-Mann – 1976; Die Unbestechlichen – 1976; Papillon – 1973; Wer Gewalt sät – 1971; Little Big Man – 1970; Die Reifeprüfung – 1967), ist ein Hehler, einer, der seiner Pflichtverteidigerin noch auf der Anklagebank das Portemonnaie aus der Tasche klaut, während sein Richter das Urteil über ihn spricht; einer, der seinen Jungen belügt, von dem er eher ahnt, dass der „9 Jahre alt … 10 Jahre ..?“ ist; einer, der jeden übers Ohr haut, der ihm vor die Füße kommt.

Die Hauptdarstellerin, gespielt von Geena Davis (Eine Klasse für sich – 1992; Thelma & Louise – 1991; Beetlejuice – 1988; Die Fliege – 1986; Tootsie – 1982), ist besagte Fernsehfrau, die zwar dauernd auf der Suche nach „echten Menschen“ ist, währenddessen aber in ihre Geschichte das Menschliche hinein konstruiert, Hauptsache, sie hat die letzten Worte des reichen Wertpapierhändlers, bevor er vor ihrer Kamera vom Dach springt.
Der Dritte im Bunde, gespielt vom alerten Andy Garcia mit Blick des unschuldigen Rehs (Schatten der Vergangenheit – 1991; Der Pate 3 – 1990; Internal Affairs – Trau' ihm, er ist ein Cop – 1990; Black Rain – 1989; Die Unbestechlichen – 1987; Ein Single kommt selten allein – 1984), ist ein Hochstapler, der sich als Held feiern lässt, der er gar nicht ist. Und ja, das klingt wie eine Saulus-wird-zu-Paulus-Geschichte in der Medienwelt.

Nein, das ist keine Saulus-wird-zu-Paulus-Geschichte. Denn die Gesellschaft, in der diese Unsympathen leben, ist auch nicht sympathischer. Man könnte über die drei sagen: Die wehren sich nur. Oder reagieren nur. Dustin Hoffmans Bernie geht gerne mit seinem Jungen in den Zoo, zu den wilden Tieren, bei denen es im Grunde nicht anders sei, als in der Welt: „Das ist ein Dschungel da draußen! Jeder verarscht Dich!“ Aber dann macht der Hehler mit der kalten Seele etwas richtig: Er rettet die Leute aus dem Flugzeug. Und der Typ, der sich dafür die Lorbeeren aufsetzen lässt, macht auch etwas richtig. Vor den Livekameras findet er instinktiv die Worte eines Helden – Ich bin kein Held. Wenn ich ein Held bin, ist der neben mir auch ein Held. Wir sind alle Helden. Jeder würde, wenn es drauf ankäme undsoweiterundsoweiter. Er holt sogar einen Jungen aus dem Koma. Und die Massen vor den Fernsehschirmen sind begeistert, jubeln ihm zu, überhäufen ihn mit Zuneigung und Geschenken und gehen plötzlich sorgsamer mit ihrem Nebenmann um. Alle wollen plötzlich so sein, wie der charmante, bescheidene John Bubber, der eben noch selbst ein Obdachloser war, von diesen anderen Allen übersehen, links liegen gelassen wurde. Jetzt ist er ein Held. Und ein Lügner.

Und Bernie LaPlante ist ein Lügner. Und ein Held. Dieses Spannungsfeld hält den Film in der Schwebe: Wie kann der Film das Dilemma auflösen? Im Hollywoodkino wird nicht ein Lügner, einfach, weil er salbungsvolle Sätze sagt, für den Zuschauer zum gefeierten Superstar umgebaut, andererseits gilt seit John Fords Klassiker Der Mann, der Liberty Valance erschoss (1962) die Maxime „Wenn die Legende zur Wahrheit wird, druck die Legende!“ Aber was wird dann aus Bernie, dem eigentlichen Retter? Zum Finale überzieht Stephen Frears seine Möglichkeiten, findet mehrmals nicht zum guten Schluss und verliert auch seine Reporterin aus dem Auge. Gale Gayley bleibt, was sie war, eine nach der endgültigen Wahrheit suchende Fernsehfrau, die Quote macht und Preise dafür kriegt.

Aber alle drei sind am Ende sympathischer als am Anfang.

Wertung: 7 von 10 D-Mark
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