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Plakatmotiv: Dallas Buyers Club (2013)

Eine sensible Charakterstudie
vor authentischem Hintergrund

Titel Dallas Buyers Club
(Dallas Buyers Club)
Drehbuch Craig Borten + Melisa Wallack
Regie Jean-Marc Vallée, USA 2013
Darsteller

Matthew McConaughey, Jennifer Garner, Jared Leto, Denis O'Hare, Steve Zahn, Michael O'Neill, Dallas Roberts, Griffin Dunne, Kevin Rankin, Donna Duplantier, Deneen Tyler, J.D. Evermore, Ian Casselberry, Noelle Wilcox, Bradford Cox u.a.

Genre Biografie, Drama
Filmlänge 117 Minuten
Deutschlandstart
6. Februar 2014
Website https://www.dallasbuyersclub
Inhalt

Dallas, 1985: Ron Woodroof führt ein Leben voller Exzesse. Der großspurige White-Trash-Cowboy steht auf Rodeo, Glücksspiel, Whisky, Kokain und Frauen. Schlägereien und ungeschützter Sex mit Prostituierten gehören für ihn zum Alltag. Genauso wie seine Wett- und Saufkumpane verachtet er Homosexuelle und lässt kein Mitgefühl aufkommen für Hollywoodstar Rock Hudson, der gerade an Aids gestorben ist.

Niemals hätte er es sich träumen lassen, selbst daran erkrankt zu sein. Deshalb tickt der Choleriker komplett aus, als ihm Dr. Sevard und Dr. Eve Saks nach einem Arbeitsunfall die niederschmetternde Diagnose mitteilen. Statt den Ärzten zu vertrauen, die ihm nur noch 30 Tage geben, beginnt er sich selbst zu behandeln und findet heraus, dass alternative Präparate mehr bringen als das einzige amerikanische Medikament AZT.

Doch die Beschaffung im Ausland ist teuer und die Einfuhr jedes Mal ähnlich riskant wie Drogenschmuggel. Zudem möchte der Autodidakt Ron bei seinen Selbstversuchen ständig neue Mittel aus der ganzen Welt probieren. Weil er das auf Dauer alleine nicht finanzieren kann, muss der homophobe Texaner über seinen Schatten springen.

Plakatmotiv: Dallas Buyers Club (2013)Zusammen mit dem ebenfalls HIV-infizierten Transvestiten Rayon gründet er einen Beschaffungsring: den "Dallas Buyers Club", der eine Gesetzeslücke nutzt und rasant wächst. Damit ruft er die mächtige Pharmalobby auf den Plan …

Was zu sagen wäre

Das erste, das dieser Film verursacht, ist staunen: Es ist doch noch gar nicht so lange her, dass das los ging mit HIV und Aids, als wir den Unterschied noch gar nicht kannten, die Zeitungen von der „Schwulenseuche“ schrieben und wir eher auf Abstand blieben. Daran erinnert der Film als erstes. Als Ron Woodroof erfährt, dass er HIV positiv ist, benimmt er sich wie die Inkarnation des Machos – also so, wie er sich schon die ersten zehn Minuten benommen hat: Vögeln, Saufen, Rauchen, Koksen. Und dann wieder von vorn.

Wir sehen einen hageren Typen, der entfernt an jenen Schauspieler erinnert, den wir als Matthew McConaughey kennen – blühendes Leben, prachtvoller Körper, blendendes Aussehen (Magic Mike – 2012; Der Mandant – 2011; Tropic Thunder – 2008; Die Herrschaft des Feuers – 2002; U-571 – 2000; EDtv – 1999; The Newton Boys – 1998; Amistad – Das Sklavenschiff – 1997; Contact – 1997; Die Jury – 1996). Nichts davon ist übrig: Vor uns steht ein homophoner, unsympathischer Kerl mit ringen unter den zugekoksten Augen; McConaughey gibt sich auch keine Mühe, Freundschaften im Kinosaal zu schließen. Er ist umgeben von Typen, die so sind wie er. Und kaum steht die Diagnose HIV, wenden sich all die Freunde, die so sind wie er, von ihm ab, wollen sich aus Angst vor Ansteckung nicht mal mehr mit ihm prügeln. So war das, Anfang der 80er Jahre, als Aids die Schlagzeilen beherrschte und niemand wusste, wie man damit umgeht. Ron ist auf sich gestellt – es hilft ihm auch kein Arzt, nicht mal die eine Ärztin, die wollen würde; Jennifer Garner (Valentinstag – 2010; Operation: Kingdom – 2007; Elektra – 2005; Daredevil – 2003; Catch Me If You Can – 2002; Pearl Harbor – 2001) spielt sie als engagierte, emphatische Hippokrates-Jüngerin.

Das ist gut, dass der Typ so ist wie er ist. Er ist die Hauptfigur des Films und also sitzen wir im Kinosessel, wahlweise gespannt, wie ihm die gerechte Strafe für sein Auftreten widerfährt – aber wollen wir das: zwei Stunden einem unsympathischen Kerl, wie es ihn in Texas dutzendfach gibt, beim Krepieren zusehen? Oder wir sind gespannt, wie aus diesem HIV-positiven Saulus ein Paulus wird. Weil der Film sich an historischen Vorbildern orientiert, hoffen wir und bekommen die zweite Variante. Wobei man einschränken muss: Der echte Ron Woodroof war nicht halb so homophob wie der im Film, er bewegte sich schon lange vor seiner Diagnose in homosexuellen Kreisen. Aber für die Filmdramaturgie erzählt sich die reine Saulus-Paulus-Lehre  natürlich griffiger. Auch anderes ist der griffigeren Dramaturgie zuliebe verkürzt worden: Dass es ein Film über einen Hetero ist, der fast im Alleingang für Abhilfe sorgt, ist ebensowenig authentisch wie, dass andere Organisationen – die es natürlich gab, von Schwulen gegründet – gar nicht vorkommen.

Plakatmotiv: Dallas Buyers Club (2013)Wir erleben eine unglaubliche Geschichte. Unglaublich, was trotz Gesetzen alles möglich war im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das pharmazeutische Grundwissen, das der gelernte Elektriker sich über Fachliteratur anliest und an Infizierte – erfolgreich – weitergibt, ist erstaunlich; die Tricks, mit denen er immer neue Medikamente besorgt und legal weiterreicht, sind dreist, aber wirkungsvoll.

Er gründet – beraten von einem befreundeten Rechtsanwalt – eine Käufergemeinschaft in der Rechtsform eines Clubs. Dieser „Dallas Buyers Club“ besorgt gegen einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von 400 Dollar die nicht von der FDA zugelassenen Medikamente, wie ddC und T-Peptid, und verteilt sie kostenlos an die HIV-erkrankten Mitglieder des Clubs. Das macht aus geschmuggelten Medikamenten Medikamente zum Eigengebrauch, die nicht gehandelt werden müssen.

Der wichtigste, emotionalste Teil des Films ist die Beziehung, die zwischen Ron und seiner Krankenhaus-Bekanntschaft Rayon entsteht, gespielt von Jared Leto ("Alexander" – 2004; Panic Room – 2002; Requiem for a Dream – 2000; American Psycho – 2000; Durchgeknallt – 1999; Fight Club – 1999; Der schmale Grat – 1998; Düstere Legenden – 1998; Ein amerikanischer Quilt – 1995). In diesen Moment entwickelt der Film eine stille, ruhige Kraft.

Und irgendwann steht uns da dieser hagere Typ mit den Augenringen und dem Hobby Rodeo reiten gegenüber. Und ist ganz sympathisch. Er reitet den Bullen halt und versucht, oben zu bleiben. Entschlossen, so wie er gegen die FDA und die Pharmalobby gekämpft hat. McConaughey wurde für diese Rolle 2014 mit dem Hauptrollen-Oscar ausgezeichnet.

Wertung: 5 von 8 €uro
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