Immer zuverlässig, immer freundlich: Der von seiner Gemeinde Kehoe im Colorado-Skigebiet gerade zum "Bürger des Jahres" gekürte Schneepflug-Fahrer Nels Coxman führt mit seiner Frau ein glückliches Leben. Bis aufgrund einer dummen Verwechslung sein gerade erwachsener Sohn von Drogendealern ermordet wird. Verzweifelt und von seiner trauernden Frau bald verlassen, bleibt Nels nur ein Weg, mit seiner eigenen Wut und Trauer fertig zu werden. Er sinnt auf Rache.
Nach kurzen Nachforschungen findet er auch einen Weg zu den Drogendealern, die seinen Sohn auf dem Gewissen haben. Dumm nur, dass sie die kleinsten Rädchen in einer Drogenszene sind, in der zwei rivalisierende Banden um die Vorherrschaft kämpfen. Da ist einmal Trevor "Viking" Calcote, erfolgreicher Erbe eines Drogenrings, der es hinter seiner gelackten Fassade gar nicht schätzt, wenn man ihm an den Karren fährt.
Genau dies allerdings scheint sein Konkurrent, der beinharte Indigene White Bull, gerade zu tun, als plötzlich ein toter Dealer nach dem anderen auftaucht. Denn Nels tötet nicht nur die direkten Mörder seines Sohnes, sondern arbeitet sich auf der Befehlskette nach ganz oben, um den eigentlichen Drahtzieher des Verbrechens zu finden. Dass er damit nebenbei einen Bandenkrieg auslöst, ist ein gerne in Kauf genommener Kollateralschaden.
Auf seinen Spuren jedoch ermittelt bald auch eine clevere junge Polizistin, die es höchst merkwürdig findet, dass es in ihrem sonst so friedlichen Städtchen plötzlich zu einer erstaunlichen Häufung gewaltsamer Todesfälle kommt …
Es hat diesen Stoff schon einmal im Kino gegeben. 2014 hat Hans Petter Moland diese Geschichte schon Mal zum Film gemacht. Daraus wurde "Einer nach dem anderen", ein überraschender, schmutziger kleiner Krimi aus den tief verschneiten norwegischen Bergen. Molands Film mit Stellan Skarsgård in der Rolle des Schneefräsenfahrers lief dann auf der Berlinale 2014 und wurde daraufhin vom heimischen Feuilleton irrtümlicherweise zu einem künstlerischen Ereignis hochgejazzt. Dabei verkauft der Film nur eine groteske Gewaltorgie, die an einzelne Momente von Fargo erinnert und sonst kein großes Aufhebens um sich macht.
Und jetzt? "Cold Pursuit". Deutscher Titel "Hard Powder". Mit Liam Neeson!!! The Man who was a Jedi Knight! Der Mann, der albanische Mädchenhändlerringe im Alleingang ausgeschaltet hat! Der Mann, der in den 90er Jahren Oskar Schindler war. Big Budget. "Einer nach dem anderen", nur teurer, größer, BESSER! Hollywood halt.
Das hat nicht funktioniert. Moland hat der Versuchung widerstanden, alles tatsächlich größer und besser zu machen. Eigentlich hat er ganz viel von seinem fünf Jahre alten Filmvorbild übernommen, bis hin zu ganz vielen Kameraeinstellungen. Aber dann hat er die winzigen menschlichen Versatzstücke des alten Films weg gelassen, ausgerechnet, die fanden die Produzenten womöglich zu weitschweifig, und jetzt hätte auch Steven Seagal die Hauptrolle spielen können.
Nichts stimmt an dem Film: Schneefräsenfahrer Nels Coxman hat erfahren, dass sein Sohn an einer Überdosis Heroin gestorben ist, die Polizei hält ihn für einen weiteren toten Junkie. Nels glaubt das nicht, seine Frau, die in einer vorherigen Szene keinen Jota Sorge wegen eines möglicherweise unsteten Lebenswandels ihres Sohnes hatte, glaubt die Junkie-Geschichte sofort, streitet sich deshalb kurz mit Coxman, dessen liebende und humorvolle Ehefrau sie eben noch war, und verschwindet ein paar Szenen später aus dem Film – buchstäblich ohne weiteres Wort. Bei der Polizei ist derweil niemandem aufgefallen, dass an der Leiche des Sohnes die Junkietypischen Einstichflächen an Armen und Beinen fehlen, die Junkie-These also kaum haltbar ist. Auch die Antwort auf die möglicherweise interessante Frage, warum der Junge eigentlich ermordet worden ist, fällt unter den Tisch. Um das zu klären, reichten Moland im 2014er-Film 30 Sekunden Dialog in einer Szene, in der in der Neuverfilmung unverständlich genuschelt wird. Auch damals wurde die Junkie-These nicht hinterfragt. Das fiel aber nicht auf, weil sein sehr kurzes Film-Schicksal verschachtelter erzählt wurde. Heute ist da nichts verschachtelt. In "Hard Powder" ist die Erzählung plump.
Plötzlich ist alles anders: Coxman, der freundliche Schneepflugfahrer, fährt als Rachengel nach Denver, marschiert in einen Nachtclub, in den der Türsteher ihn mit seiner reflektierenden Arbeitsmontur auch ohne weiteres einlässt und geriert sich als Profikiller, bringt im Verlauf des Films reihenweise Leute um, ohne mit der Wimper zu zucken, als wähnte sein Darsteller sich in einem vierten Teil von 96 Hours. Das ist dann immerhin malerisch inszeniert, etwa, wenn er einen der Dealer in einem Laden für Brautmorden erschießt, wo das Blut sich dann ordentlich über die weißen Brautkleider verteilt. Hochzeitskleider in unschuldigem Weiß, besudelt mit Blut – Hollywood liebt diese Bildidee. Deshalb taucht sie so oft im Kino auf. Regiefehler cashiert Moland im Schnitt und verkauft als hippe Jump-Cuts, was lediglich schlampige Arbeit ist. Nichts stimmt. Nicht einmal das aufgespießte Auto auf dem Filmplakat. Das gibt es zwar, aber plumper, längst nicht so sophisticated, wie wir es da gezeigt bekommen.
Neeson geht sehr humorlos zur Sache, obwohl sich der Film als grimme Komödie verkauft. Ironie ist seine Sache wohl nicht mehr. Er hat sich in dieser Art gut bezahltem Dreh-und-Weg-Kino eingerichtet (Widows – Tödliche Witwen – 2018; The Commuter – 2018; The Secret Man – 2017; A Million Ways to Die in the West – 2014; Non-Stop – 2014; Battleship – 2012; Unknown Identity – 2011; 72 Stunden – The Next Three Days – 2010; Das A-Team – Der Film – 2010; Kampf der Titanen – 2010; 96 Hours – 2008; Batman Begins – 2005; Tatsächlich… Liebe – 2003; Gangs of New York – 2002; K-19 – Showdown in der Tiefe – 2002; Das Geisterschloss – 1999; Les Misérables – 1998; Michael Collins – 1996; Nell – 1994; Ehemänner und Ehefrauen – 1992; Darkman – 1990; Das Todesspiel – 1988; Suspect – Unter Verdacht – 1987; Mission – 1986; Krull – 1983; Excalibur – 1981).
Coxmans Gegenspieler ist ein Neurotiker mit übertriebenem Geltungsbedürfnis. Wenn er nicht gerade seinen klugen kleinen Sohn Ryan mit gesunder Ernährung terrorisiert oder sich mit seiner Ex-Frau Aya absurde Wortgefechte liefert, spricht er Gangsterboss-Sätze, die ihn bedrohlich erscheinen lassen sollen, aber, weil es ja eine Komödie ist, auch ein gerüttelt Maß bescheuert.
Der um seine kleinen menschlichen Dimensionen gekürzte Stoff eignet sich nicht für eine Komödie. "Hard Powder" ist ein lahm inszeniertes, schlecht gespieltes Rudiment eines Films mit ein zwei netten Momenten. Wenn Liam Neeson mit Lesebrille auf seiner großen Nase einem ängstlichen Jungen, damit der besser einschlafen kann, aus einem Prospekt für Schneefräsen vorliest, strahlt das eine unverhoffte Wärme aus, an der Steven Seagal sicher gescheitert wäre.