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Plakatmotiv: Der Richter – Recht oder Ehre (2014)

Klassisches Hollywooddrama, erzählt
von herausragenden Film-Künstlern

Titel Der Richter – Recht oder Ehre
(The Judge)
Drehbuch Nick Schenk + Bill Dubuque + David Dobkin
Regie David Dobkin, USA 2014
Darsteller
Robert Downey Jr., Robert Duvall, Vera Farmiga, Billy Bob Thornton, Vincent D'Onofrio, Jeremy Strong, Dax Shepard, Leighton Meester, Ken Howard, Emma Tremblay, Balthazar Getty, David Krumholtz, Grace Zabriskie, Denis O'Hare, Sarah Lancaster u.a.
Genre Drama
Filmlänge 141 Minuten
Deutschlandstart
16. Oktober 2014
Website warnerbros.com/judge/
Inhalt

In der großen Stadt gilt Hank Palmer als einer der ruchlosesten und erfolgreichsten Rechtsanwälte, der keine Skrupel hat, auch ausgewiesene Schwerverbrecher zu verteidigen. Widerwillig kehrt er nach dem Tod seiner Mutter in die heimische Kleinstadt zurück. Sein Verhältnis zu seinem Vater Joseph ist zerrüttet.

Als der ehemalige Richter unter Verdacht gerät, er habe einen Mann willentlich überfahren, übernimmt Hank die Verteidigung. Und erfährt mehr Dinge über sich und seine Familie, als ihm lieb sein kann …

Was zu sagen wäre

Eine Heimkehr. Vater und Sohn. Alte Narben. Elterliche Versäumnisse. Eine dysfunktionale Familie aufarbeiten. In diesem Genre ist Hollywood seit Jahrzehnten ähnlich wie bei Sportlerdramen trittsicher. Wenn da nicht komplette Anfänger am Werk sind, dürfen wir sicher gehen, dass uns für die Kinokarte kein durchschnittlicher Fernsehmist aufgetischt wird.

David Dobkin, der Regisseur, hat sein Gefühl für Dramaturgie und Timing hinlänglich unter Beweis gestellt ("Wie ausgewechselt" – 2011; "Die Gebrüder Weihnachtsmann" – 2007; "Die Hochzeits-Crasher" – 2005; "Shanghai Knights" – 2003). Autor Nick Schenk hat das Script zu Clint Eastwoods Gran Torino geschrieben. Kurz: Wir bekommen klassisches Erzählkino, wie es Hollywood schon vor 100 Jahren produziert hat und wahrscheinlich auch noch in 100 Jahren produziert.

Das ist perfekt geschrieben, jeder Twist ist im Handlungsgeflecht vorher unauffällig verknüpft worden. Die schwierige Vater-Sohn-Beziehung wird am Ende – die Story ist in ein Gerichtsdrama eingebettet, das dritte Genre, das Hollywoods Autoren blind beherrschen, weil vor Gericht die Macht des Wortes schwerer wiegt, als die der Aktion – natürlich vor Gericht ausgetragen. Das ist mit Gespür für den Moment inszeniert, auch wenn das Piano den Score hätte weniger belästigen können. Und vor der Kamera stehen Leute, die wissen, was sie tun.

Plakatmotiv: Der Richter – Recht oder Ehre (2014)Robert Downey Jr. ist das Zugpferd und als einziger nicht wegen seiner gro0ßen Schauspielkunst besetzt, sondern, weil er gerade als Marvels Iron Man hip ist. Seine Rolle als zynischer Anwalt – „Ich vertrete nur die Schuldigen. Die Unschuldigen können sich mich nicht leisten.“ – unterscheidet sich nicht von den coolen Manierismus des Tony Stark. Das gehört zur Professionalität solcher Produktionen dazu, dass man einen Headliner bucht, um den Dampfer ans Laufen zu bringen ("Kiss the Cook" – 2014; The Avengers – 2012; Sherlock Holmes – Spiel im Schatten – 2011; Sherlock Holmes – 2009; Tropic Thunder – 2008; Die Wonder Boys – 2000; Jenseits der Träume – 1999; Auf der Jagd – 1998; The Gingerbread Man – 1998; Natural Born Killers – 1994; Short Cuts – 1993; Jack, der Aufreißer – 1987).

Natürlich ist auch Robert Duvall, jedenfalls für die Älteren im Kino, ein Headliner (Jack Reacher – 2012; The 6th Day – 2000; Nur noch 60 Sekunden – 2000; Zivilprozess – 1998; Deep Impact – 1998; Gingerbread Man – 1998; Phenomenon – 1996; Schlagzeilen – 1994; Falling Down – Ein ganz normaler Tag – 1993; Tage des Donners – 1990; Der Unbeugsame – 1984; Apocalypse Now – 1979; Der Adler ist gelandet – 1976; Network – 1976; Der Pate II – 1974; Sinola – 1972; Der Pate – 1972; THX 1138 – 1971; M.A.S.H. – 1970; Bullitt – 1968). Für die MCU-Kernzielgruppe aber ist er vom Alter her maximal eben jene Vaterfigur, die die Fans abschütteln, von der sie sich emanzipieren wollen.

Diese Rolle hat er hier: der hartherzige Vater, das vorgebliche Arschloch, das die Söhne nicht mehr wieder sehen wollen. Und es ist großartig, mit welcher Sensibilität und auch Mut zur Selbstentblößung Duvall dann sein Inneres nach außen dreht – bei der Oscar-Show 2015 war er für einen Supporting-Autor-Oscar nominiert (da unterlag er dann J.K. Simmons in Whiplash).

Den guten, routiniert aufspielenden Cast komplettieren Vera Farmiga als in des Staranwalts Kleinstadt-Jugend abgelegte Loveaffair, Billy Bob Thornton als karriereorientierter Staatsanwalt Dwight Dickham und Vincent D'Onofrio als großer Bruder des Staranwalts mit Schicksal und alter Rechnung mit jenem Staranwalt-Bruder.

Wie gesagt: Kino, wie es Hollywood seit Jahrzehnten immer wieder neu erzählt, manchmal spannender, noch überraschender als in diesem Fall. Was es aber natürlich nur tut, weil es das immer wieder gut macht, immer wieder seine Zuschauer berührt. Wenn sie denn eine Kinokarte lösen, die DVD ausleihen oder später im Fernsehen die Werbepausen dazwischen ertragen. Im aufziehenden Zeitalter der Special-Effects-Filme um Superhelden, Star Wars und Konsolenverfilmungen ist diese Art Kino schwer vermittelbar – zumal nicht, wenn das Drama ohne Visual Effects wie hier zwei Stunden, 20 Minuten dauert. Das macht aber einen guten Film immer noch nicht zu einem schlechten.

Vielleicht wäre Freude angebracht, dass die großen Schauspieler und Handwerker von der Industry weiterhin die Chance bekommen, ihr Können zu zeigen. Auch, wenn wir am Ende das Kino nicht mehr mit feuchten Augen verlassen, sondern mit der akademischen Gewissheit, gute Arbeit in allen Gewerken erlebt zu haben. Beim "Mann mit dem Goldhelm" brechen wir im Museum heute ja auch nicht mehr in Tränen aus, obwohl das Porträt immer noch hohe Kunst ist.

Wertung: 6 von 8 €uro
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