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Plakatmotiv: Die Stunde des Jägers (2003)

Ambitionierter Regisseur, der
keinen logischen Ausgang findet

Titel Die Stunde des Jägers
(The Hunted)
Drehbuch David Griffiths & Peter Griffiths & Art Monterastelli
Regie William Friedkin, USA 2003
Darsteller

Tommy Lee Jones, Benicio Del Toro, Connie Nielsen, Leslie Stefanson, John Finn, José Zúñiga, Ron Canada, Mark Pellegrino, Jenna Boyd, Aaron DeCone, Carrick O'Quinn, Lonny Chapman, Rex Linn, Eddie Velez, Alexander MacKenzie, Hank Cartwright, Gary Taylor, Michael Williamson u.a.

Genre Action
Filmlänge 117 Minuten
Deutschlandstart
17. April 2003
Inhalt

In den Wäldern von Portland werden zwei Jäger tot aufgefunden. Das FBI in Gestalt der toughen Agentin Abby Durrell bittet den ehemaligen Elite-Ausbilder L.T. Bonham um Hilfe. Einst hat L.T. Mitglieder der US-Army in der Kunst des Tötens unterrichtet. Nun lebt der geniale Fährtenleser und leidenschaftliche Tierschützer in der Abgeschiedenheit der kanadischen Wälder und hat mit seiner Vergangenheit abgeschlossen.

Die Nachricht, dass es sich bei dem Killer wahrscheinlich um einen Ex-Schüler von Bonham handelt, macht den Fall umso brisanter. Gemeinsam nehmen der wortkarge Einsiedler und die ehrgeizige Ermittlerin die Spur des Mörders auf. Und schon bald ist L.T. klar, wen er hier jagt: den Elite-Soldaten Aaron Hallam, den er einst für schmutzige Aufträge der Armee ausbildete, und der nun angesichts der Gräuel bei seinem letzten Kriegseinsatz offensichtlich den Verstand verloren hat.
Zwischen Lehrer und Schüler, die viel mehr verbindet als nur eine professionelle Beziehung, beginnt eine gnadenlose Jagd …

Was zu sagen wäre

Ein seltsamer Film. Seltsam wegen des Mannes auf dem Regiestuhl. William Friedkin hat drei, mindestens aber zwei Filmklassiker zu verantworten (Rules – Sekunden der Entscheidung – 2000; Jade – 1995; Leben und sterben in L.A. – 1985; Cruising – 1980; Atemlos vor Angst – 1977; Der Exorzist – 1973; French Connection – Brennpunkt Brooklyn – 1971) und jetzt kommt man mit Fragezeichen über der Stirn aus diesem Film. Friedkins Erfolge liegen eine Zeit zurück; bekommt er keine Budgets mehr und backt deshalb kleine Brötchen? Dafür sieht der Film hier zu teuer aus – 55 Millionen Dollar soll Friedkin ausgegeben haben.

Er zeigt uns eine Welt, in der es kein Leben gibt, wie Herr und Frau Durchschnitt – also wir – das kennen. Die Figuren in diesem Film tragen Waffen, jagen Tiere oder Menschen und manchmal sind diese Menschen auch Tiere. Es gibt einen kurzen Ausflug in ein Familienleben, aber auch das filmt Friedkin in kalten Farben; seine Geschichte spielt im Nordwesten der USA, in Washington und Oregon, in dieser waldreichen Gegend war auch John Rambo in seinem ersten Kinofilm 1982 unterwegs; dort ist es nass und kalt und diesig. In dieser Welt jagen sich zwei Männer. Der eine hat den anderen ausgebildet, der andere sieht in dem einen sowas wie eine Vaterfigur, fühlt sich von der verlassen. Und schleppt vor allem ein schwerwiegendes Kriegstrauma mit sich herum.

Der Film beginnt mit einem Einsatz des Soldaten in Kosovo. Da soll er einen General umbringen, der hunderte Zivilisten hat abschlachten lassen. Es gibt Feuer, Explosionen, Maschinengewehrfeuer, rennende Marines und schließlich den erfolgreichen Stich in den Hals des Generals. Bildschnitt: Der Soldat bekommt den Silver Star, eine Ehrenmedaille des Militärs. Aber die Kosovo-Geschichte spielt dann keine Rolle mehr, traumatisiert wurde der Soldat einen Einsatz später, von dem wir nur mehr ein paar Bildfetzen sehen – Totenschädel, Feuer und solche Dinge, muss brutal gewesen sein. Der Mann kommt also heim. Und hier macht er nun Jagd auf Geschäftsleute, die mit automatischen Gewehren und Zielfernrohren, die für den Krieg der Sterne geeignet sind, Hirsche jagen. Die überwältigt er mit seinen Militärkampfkünsten mit seinem selbst geschliffenen Messer und weidet sie dann aus. Hui, da sind wir gespannt auf das, was das Trauma wohl ausgelöst hat.

Deshalb folgen wir auch im ersten Drittel einer ziemlich ausgenudelten Dramaturgie – Mörder wird verhaftet, verhört, transportiert und im Transporter (man möchte rufen: ÜBERRASCHUNG!) gelingt ihm die Flucht; wir wollen wissen, was der gequälten Seele widerfahren ist.

William Friedkin ist vor allem für seine Teufelsaustreibung und für seine Drogen-Cops in Manhattan berühmt geworden. Berühmter noch ist aber sein Stilelement der Autojagd geworden. In French Connection rast Gene Hackman dem französischen Drogenboss, der in der Metro sitzt, mit einem Auto unter der Metro-Strecke hinterher, ohne Rücksicht auf Verluste – 1971 war das, komplett analog gedreht, ein Atemstocker. Plakatmotiv (US): The Hunted (2003) Später hat er, zum Beispiel in Leben und Sterben in L.A., weitere hektische Verfolgungen eingebaut. Der vorliegende Film nun wirkt, als hätte er einen ganzen Film auf dem Prinzip "blutige Verfolgung" aufgebaut – erst in der Wildnis, dann in der Stadt und dann nochmal in der Wildnis. Und am besten ohne Pause. Über Strecken ist das spannend. Roger Spottiswoode hat das 1988 schonmal mit Mörderischer Vorsprung versucht. Hat gut geklappt.

Damals hatten sowohl der Killer als auch der Cop eine jeweils sehr klare Motivation für ihr Tun. Aaron Hallam, Friedkins Killer hat die nicht. Wir werden abgespeist mit Halb-Deutungen: Irgendwas ist passiert und irgendwie haben Geheimdienste und Militärtypen irgendwo irgendwas kaschiert. Hallam sagt an einer Stelle „Das sind keine Soldaten. Das sind Roboter!“ Aha! Das wird aber nicht vertieft; das heißt, Friedkin setzt bei seinen Zuschauern auf ein TV-Serien-Wissen. In aktuellen Serien – brandaktuell in "Navy CIS" – gibt es dauernd diese traumatisierten Soldaten, die halt nicht mehr zu kontrollieren sind. In seinem Film tauchen dann als Last Line of Defense zwei Klischeetypen im Trenchcoat auf, die den Jägerkiller mit einem amtlichen Schreiben und kaltem Grinsen aus dem FBI-Gewahrsam holen. Klar: Roboter, keine Soldaten. Aber Was? Wo? Wie? lässt der Film unbeantwortet.

Auch auf der zwischenmenschlichen Ebene gewährt Friedkin uns keinen Zugang. Der Gejagte, Hallam, hatte sich offenbar mehr von seinem Ausbilder erhofft. Aber nicht bekommen. Die blonde Frau, bei der er kurzzeitig untertaucht, mit der noch blonderen Tochter spielt dann auch schnell keine Rolle mehr. Und mittendrin ist da immer Tommy Lee Jones (Space Cowboys – 2000; Rules – Sekunden der Entscheidung – 2000; Doppelmord – 1999; Auf der Jagd – 1998; Men in Black – 1997; Volcano – 1997; Batman Forever – 1995; Natural Born Killers – 1994; Der Klient – 1994; "Explosiv – Blown Away" – 1994; Zwischen Himmel und Hölle – 1993; Auf der Flucht – 1993; Alarmstufe: Rot – 1992; JFK – Tatort Dallas – 1991; Airborne – 1990; "Black Moon" – 1986; "Die Augen der Laura Mars" – 1978), der seine mit einem Oscar belohnte Rolle des Jägers nochmal variiert.

Das Beste, was man über den Film sagen kann, ist, dass William Friedkin versucht hat, eine 90-minütige Verfolgungsjagd zu inszenieren, was ihm in Teilen packend gelungen ist. Ein stringenter Film mit einer klaren Haltung – Worum geht's? Was will der Autor? – ist ihm nicht gelungen. In Erinnerung bleiben knurrende Männer und deren Rituale des Kampfes.

Wertung: 2 von 6 €uro
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