FBI-Agent Warren Stantin schafft es nicht, eine Geiselnahme in San Francisco befriedigend zu lösen. Der Diamantenräuber und Geiselnehmer erschießt zwei Geiseln und entkommt mit der Beute.
Er flüchtet zur kanadischen Grenze, wo er sich unter eine Wandergruppe mischt. Stantin versucht nun, seine Spur aufzunehmen und ihn zur Strecke zu bringen. Stadtmensch Stantin schnappt sich den Bergführer Jonathan Knox und bringt ihn dazu, gegen seinen Willen bei der Verfolgung zu helfen.
Der Räuber hat sich einer Gruppe von Freizeit-Pionieren angeschlossen – und mittlerweile alle getötet, bis auf die Leiterin Sarah Renell, eine Wildnisexpertin. Die Grenze rückt immer näher, aber die Natur scheint auf der Seite Stantins. Wird vielleicht der Schneesturm die Flüchtenden aufhalten …
Ein Cop mit persönlicher Motivation ist das bessere Drama. FBI-Mann Stantin jagt nicht einfach einen Killer, wie er – wahrscheinlich – viele schon gejagt hat. Jetzt jagt er einen, der ihn kaltblütig ausgetrickst hat und dafür Menschen umbringt, ohne mit der Wimper zu zucken. Stantin ist echt sauer. Sein Partner ist ein unfreiwilliger. Beide verbindet nichts, außer der persönlichen Motivation. Bergführer Knox fürchtet um das Leben seiner Freundin, die der Killer in seiner Gewalt hat, weil er ohne sie nicht durch die wilde Bergwelt des US-Bundesstaates Washington zur kanadischen Grenze finden würde.
Gegensätze sind es, von denen Regisseur Roger Spottiswood (Under Fire – 1983) hier erzählt. Der Cop aus der Stadt, der in der Wildnis „ein gepflegtes Essen um vier Uhr in der Früh'“ vermisst und sich für die Bergtour mit Batterien beheizbare Socken aufschwatzen lässt, und der Mann aus den Bergen, wortkarg, mürrisch, ein Mann der Tat, der auf dem Asphalt der Stadt hilflos den Gepflogenheit von Recht, Gesetz und Durchsuchungsbeschlüssen ausgesetzt ist. Hier die große Stadt mit künstlichen Wasserfällen und Hydrokulturen, da die Wildnis von atemberaubender Schönheit, in der gegessen wird, was zuvor erlegt werden musste. Durch diese Traumwelt treibt Spottiswoode gleich eine ganze Gruppe von Ziviliationskrüppeln, unter die sich der lange Zeit unerkannte Killer gemischt hat, die gerade soweit ausgearbeitet sind, dass sie eine dramaturgische Fallhöhe erreichen. Es sind Angler mit Eheproblemen und Aufschneidergeschichten, für die ein Krampf im Bein da draußen über Leben und Tod entscheidet. Sie sind ebenso Klischeefiguren, wie die Hauptcharaktere – der Cop, der Mann aus den Bergen und die Bergführerin; nur dazu da, fingernägelkauende Spannung zu erzeugen. Spottiswoodes Abenteuer ist Action, nicht Drama. In einem Nebensatz erfahren wir, dass der FBI-Mann eine Freundin hat, die sauer ist, dass er nie zuhause ist. Mehr erfahren wir über ihn als Mensch nicht. Es ist unwichtig. Er ist Der Gute. Zusammen mit Tom Berenger, der in der Rolle des Bergführers Knox seine Bestimmung gefunden hat. Berenger ist nicht der filigrane Figurenerarbeiter. Er kommt über die Physis (Der Mann im Hintergrund – 1987; Platoon – 1986; Der große Frust – 1983). Als Knox kann Berenger sein wettergegerbtes Kerlegesicht und eben diese Physis ausspielen. Mehr erfahren wir auch von ihm nicht.
"Shoot to kill" will über die Action fesseln. Kamera und Bildschnitt sind die entscheidenden Akteure, nicht die Menschen, die zu sehen sind. Roger Spottiswoode arbeitet in Tradition großer Genrekünstler. Seine Akteure setzt er genauso ein, wie seine Kulissen. Sie müssen keine Vergangenheit haben, sie sollen durch unbekanntes Terrain stolpern dabei gut aussehen und in der Felswand am seidenen Faden hängen – sie sind Schachfiguren in seinem Actionplot. Personen in schwindelerregender Bergaction.
Die Sympathie des Regisseurs, der als Cutter Sam Peckinpahs Filme Wer Gewalt sät (1971) und Pat Garrett jagt Billy the Kid (1973) geschnitten hat, gehört der wilden Natur. Die Bergwelt Washingtons und Kanadas inszeniert Spottiswoode, geboren im kanadischen Ottawa, in großartigen Panoramen, dampfende Wälder, rauschende Bäche, epische Schluchten. Da gibt es sogar einen Grizzlybär, der vom wild gestikulierenden, augenrollenden, brüllenden FBI-Mann in die Flucht getrieben wird: „Hier benehmen sich alle so, als hätten sie noch nie einen Schwarzen gesehen. Warum sollte der Bär eine Ausnahme sein?“ Sidney Poitier überspielt die Grandezza, die ihn auch in seinem ersten Filmauftritt seit elf Jahren umweht (In der Hitze der Nacht – 1967; Flucht in Ketten – 1958), mit Gesten der Hilflosigkeit; in der Stadt der toughe, furchtlose Cop, der immer weiß, was zu tun ist und sogar Handtaschenräuber laufen lässt, wenn es der größeren Sache dient, kommt er in der Natur nicht einmal aufs Pferd und muss sich vom sozial auffälligen Bergführer an die Leine nehmen lassen. Das ist die momentan in Hollywood beliebte Buddy-Anordnung, in der zwei, die sich nicht mögen, zusammenarbeiten müssen. Das Gekabbel der beiden vor dem Hintergrund der zerklüfteten Schönheit und Gefahren der Berge trägt den Film unterhaltsam durchs zweite Drittel. Dann beginnt die eigentliche Mörderjagd. Denn der Mörder muss erst einmal noch ein Gesicht bekommen.
Das zentrale Spannungselement besteht darin, dass wir zwar wissen, dass der Killer einer aus der Zivilisationskrüppel-Anglertruppe ist, die von der charmanten Bergführerin Sarah geleitet wird, lange Zeit aber nicht, wer. Spottiswoode hat die Gruppe mit Schauspielern besetzt, deren Namen wir nie behalten, deren Gesichter wir aber aus vielen Filmen und Serien als Schurkengesichter kennen – ein "Wenn-der-mitspielt-ist-er-auch-der-Killer"-Raten fällt also aus. Spottiswoode erzählt effizient, ohne Schnörkel und mit wunderbaren Aufnahmen in der Natur, die nie als Selbstzweck leuchten, sondern Charakter entwickeln, wo die menschlichen Charaktere als Funktionsfiguren notwendigerweise blass bleiben. Die Erzählung ist zügig, passiert notwendige Erklärbremsen, ohne ins Stocken zu geraten und fährt nonchalant über manchen Dialog hinweg, der im Drehbuch steht, damit jemand was sagt, weil Menschen in den Ohren eines Drehbuchautors halt dauernd was sagen: „Glauben Sie, dass Sie unter Druck stand?“ „Naja, sie klang irgendwie merkwürdig. Ich bin nicht sicher.“
Klischeefiguren mit Comicdialogen in hingegossener Landschaft. Voraussetzungen, die der gelernte Cutter Roger Spottiswoode mit leichter Hand in einen effektvollen, mitreißenden Thriller übersetzt.