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Plakatmotiv: Das Osterman Weekend (1983)

Die Talking Heads von
Figuren, die egal sind

Titel Das Osterman Weekend
(The Osterman Weekend)
Drehbuch Ian Masters + Alan Sharp
nach dem gleichnamigen Roman von Robert Ludlum
Regie Sam Peckinpah, USA 1983
Darsteller

Rutger Hauer, John Hurt, Craig T. Nelson, Dennis Hopper, Chris Sarandon, Meg Foster, Helen Shaver, Cassie Yates, Sandy McPeak, Christopher Starr, Burt Lancaster, Cheryl Carter, John Bryson, Anne Haney, Kristen Peckinpah u.a.

Genre Thriller
Filmlänge 103 Minuten
Deutschlandstart
21. Oktober 1983
Inhalt

Einmal im Jahr verabreden sich der TV-Reporter John Tanner und seine drei Freunde Bernie Osterma, Joseph Cardone und Dick Tremayne zum sogenannten "Osterman Weekend". Das diesjährige Treffen steht kurz bevor, als der kontroverse, systemkritische Journalist von dem undurchsichtigen CIA-Agenten, Laurence Fassett, kontaktiert wird, der ihm erklärt, dass seine Freunde seit geraumer Zeit in kommunistische Machenschaften verwickelt sind.

Die CIA will das Treffen observieren und belastendes Material über die Verschwörer zu sammeln. Tanner kann die Anschuldigungen kaum glauben, gibt aber schließlich widerwillig sein Einverständnis, das Haus verkabeln und mit Kameras überwachen zu lassen.

Doch als seine Freunde eintreffen, dauert es nicht lange, bis sie Verdacht schöpfen und das Wochenende zum Alptraum wird …

Was zu sagen wäre

Licht und Schatten liegen immer nah beieinander. So wie Realität, Wahrheit, Einbildung und Lüge Drogen auf derselben Party sind. Diesem Film liegt ein spannender Roman des erfolgreichen Geheimdienstverschwörungen-Erfinder Robert Ludlum zugrunde. Ludlums Kunst besteht darin, seine hanebüchenen Verschwörungsplots völlig realistisch klingen zu lassen, indem er plausible Figuren in mondäner Umgebung entwirft, die immer die allerbesten Lügen drauf haben. Grundprinzip der meisten seiner Romane: Der loyale Freund/Kollege/Bartender ist meistens ein psychopathischer Killer der Gegenseite.

Plakatmotiv (US): The Osterman Weekend (1983)Was im Buch funktioniert, sollte auch im Kino funktionieren; aus jedem Roman kann man schließlich ein Drehbuch destillieren und das verfilmt man dann. Zahlreiche gescheiterte Romanverfilmungen sprechen eine andere Sprache. Meistens fehlt der Sprache des Romans die adäquate Bildsprache des Kinos, und im Kino ist das gesprochene Wort hinter dem fein zusammengebauten Bild zweitrangig. In Robert Ludlums Romanen wird aber ununterbrochen geredet, erklärt, über Hintergründe informiert – oder auch falsch informiert. Und wenn dann, wie im vorliegenden Fall, die Story ganz überwiegend im überschaubaren Bungalow eines TV-Moderators stattfindet mit überschaubar interessanten Ecken und einem Swimmingpool, dann hat die Regie ein Problem: keine spannenden Schauplätze, keine James-Bond-Côte-d'Azur, keine rasanten Luxusautos.

Den Action-Höhepunkt bildet hier eine Frau mit Pfeilen, Bogen und Armbrust. Sam Peckinpah ist in die Falle wortgewaltiger Romanvorlagen gestolpert. Ergebnis: Talking Heads. Ununterbrochen sehen wir auf der Leinwand Fernsehbilder mit großen, angeschnittenen Gesichtern, die im Schnitt-Gegenschnitt Dialoge spielen. Die Rahmengeschichte, die das Drama in Gang setzt, entfesselt und schließlich auf die Spitze treibt, hat emotionale Dramatik, aber die Auflösung ist mir eigentlich schon egal, weil mich die Figuren nicht wirklich interessieren.

Da treffen sich vier alte Freunde wie jedes Jahr zu einem feucht fröhlichen Wochenende und während der Gastgeber nachvollziehbar, weil von der CIA gesteuert, ein wenig nervös ist, sollten die anderen sich doch eigentlich dem Trunke ergeben. Statt dessen haben die vorher irgendwie den Verdacht bekommen, dass ihr gastgebender Kumpel sie hinters Licht führen will. Und schon flippen alle unkontrolliert aus, die Ehefrauen wollen dauernd Sex und Koks, die Männer prügeln sich und legen abgeschnittene Hundeköpfe in den Kühlschrank.

Das Marketing feiert den Film als das große Comeback des Regisseurs Sam Peckinpah (Convoy – 1978; Steiner – Das Eiserne Kreuz – 1977; "Die Killer-Elite" – 1975; Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia – 1974; Pat Garrett jagt Billy the Kid – 1973; "Getaway" – 1972; Junior Bonner – 1972; Wer Gewalt sät – 1971; The Wild Bunch – 1969; Sierra Charriba – 1965). Peckinpah war einige Jahre weg, hatte knapp fünf Jahre auf sein Comeback, es ist schon sein zweites, warten müssen. Die Low Budget Produzenten Peter Davis und William Panzer boten Peckinpah die Regie für "Das Osterman Weekend" an. Peckinpah musste aufgrund seiner ausgetrockneten Karriere nicht zweimal überlegen und akzeptierte Arbeitsbedingungen, die er noch zehn Jahre zuvor nicht in Erwägung gezogen hätte: Das Produzententeam hatte große Probleme, das Projekt zu finanzieren. Um Peckinpah unter Kontrolle zu halten – er war bei vorherigen Projekten durch hohen Alkohol- und Kokainkonsum aufgefallen – gestattete man dem Filmemacher nicht, sein übliches Team zusammenzustellen. Von seinen Wunschkandidaten  wurden nur Kameramann John Coquillon (Pat Garrett jagt Billy the Kid – 1973; Wer Gewalt sät – 1971) und Peckinpahs Dauerbegleiter Walter Kelley für die Second Unit akzeptiert.

Die Vorprodukten wollte Peckinpah wie üblich dazu nutzen, das Drehbuch nach seinem Geschmack umzuschreiben. Doch Panzer und Davis ließen ihn gleich wissen, dass sie beabsichtigten, die etwas konfuse und blutleere Geschichte unverändert auf die Leinwand zu bringen. Was bei früheren Produktionen in Kämpfen geendet hätte, blieb diesmal aus: Peckinpah legte sich nicht mit den Produzenten an. Er wollte ja auch in Zukunft noch arbeiten. Die langen Drehtage – besonders die anstrengenden Nachtdrehs bei eisiger Novemberkälte, schaffte Peckinpah nicht mehr ohne eine Vielzahl an Medikamenten; inzwischen trug er auch einen Herzschrittmacher. Zudem frönte er weiterhin einer – es gibt da unterschiedliche Lesarten – anstrengenden Lebensführung, die freundlich mit „ausschweifend“ beschrieben wird. Aufgrund dieser Ausschweifungen hat er "Das Osterman Weekend" nicht zu Ende gebracht, Rutger Hauer hat die noch fehlenden Szenen gedreht, aber daran kann die Mühsal für den Zuschauer nicht liegen.

Plakatmotiv (US): The Osterman Weekend (1983)Langweilig ist der Film, weil keine der Figuren spannend ist. Rutger Hauer (Der Blade Runner – 1982; Nachtfalken – 1981), der den Gastgeber spielt, hat Frau und Kind und erwähnt mal, dass es mit seiner Ehe nicht zum besten steht. Hätte er nicht den Bonus, die Identifikationsfigur des Zuschauers zu sein, ließe er mich kalt. Dennis Hopper, Legende des New Hollywood, steht in der Kulisse herum, als brauche er einfach dringend die Gage (Rumble Fish – 1983; Apocalypse Now – 1979; Der amerikanische Freund – 1977; Easy Rider – 1969; Hängt ihn höher – 1968; Der Unbeugsame – 1967; Die vier Söhne der Katie Elder – 1965; Giganten – 1956; … denn sie wissen nicht, was sie tun – 1955).

Nur John Hurt (Mel Brooks – Die verrückte Geschichte der Welt – 1981; Heaven's Gate – 1980; "Der Elefantenmensch" – 1980; Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt – 1979) kann der gequälten Seele seines CIA-Strippenziehers Schmerz und Verschlagenheit geben. Hurts Figur leidet allerdings darunter, dass auch ihr das Drehbuch keine Erklärung mitliefert, warum sie plötzlich zum marodierenden Mordbuben mutiert. Alles, was diese Figuren in der Romanvorlage, die knapp 310 Seiten hat, nachvollziehbar beschrieben denken und fürchten, fällt bei den leeren Gesichtern in 100 Minuten Großaufnahme hinten runter – sofern das Drehbuch solche inneren Monologe überhaupt eingesetzt hat.

Es ist beachtenswert, wie schnell Peckinpah mitten in die Verschwörung springt. Wenn wir da in der ersten viertel Stunde nicht zuhören, verstehen wir nicht, worum es überhaupt geht. Hin schauen brauchen wir nicht, hören sollten wir schon. Und dann verfolgen wir im Kinosessel ein Wochenende mit misstrauischen Freunden, in dessen Umfeld ein CIA-Mann einen anderen CIA-Mann jagt. Dafür aber bekommen wir ein spannendes Essay über die Möglichkeiten, mit Fernsehen und Video und Audio Zuschauer zu manipulieren – also uns.

"The Osterman Weekend" ist die letzte Regiearbeit Sam Peckinpahs. Er starb 59-jährig am 28. Dezember 1984 in Los Angeles.

Wertung: 3 von 9 D-Mark
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