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Plakatmotiv: Eiskalte Leidenschaft (1992)

Die Jagd auf ein großes Vorbild
zerfällt in Regie-Sperenzchen

Titel Eiskalte Leidenschaft
(Final Analysis)
Drehbuch Robert Berger & Wesley Strick
Regie Phil Joanou, USA 1999
Darsteller

Richard Gere, Kim Basinger, Uma Thurman, Eric Roberts, Paul Guilfoyle, Keith David, Robert Harper, Agustin Rodriguez, Rita Zohar, George Murdock, Shirley Prestia, Tony Genaro, Katherine Cortez, Wood Moy, Corey Fischer, Jack Shearer, Lee Anthony, Derick Alexander u.a.

Genre Drama, Thriller
Filmlänge 124 Minuten
Deutschlandstart
16. April 1992
Inhalt

Der Psychiater Isaac Barr kommt beim Fall der verunsicherten Diana nicht weiter. Bessere Behandlungsergebnisse erhofft er sich, indem er Dianas Schwester Heather befragt. Er verliebt sich in sie. Als Heather ihren Ehemann vermeintlich im Affekt erschlägt, setzt sich Isaac für seine Geliebte ein.

Zufällig stößt Isaac auf einen Hinweis, der ihm die Augen öffnet: Die zwei Schwestern haben ihn in einem Komplott benutzt, an dessen Ende ein kühl geplanter Mord stand. Urplötzlich ist Isaac der Hauptverdächtige in dem Mordfall …

Was zu sagen wäre

Würde Hitchcock noch leben, er würde diese Filmproduktion wegen Diebstahl geistigen Eigentums verklagen. Und Phil Joanou, der Regisseur von "Final Analysis" würde sich erfolgreich verteidigen mit dem Hinweis, er habe doch nur eine Parodie auf Hitchcock-Motive gedreht – die ihm halt nicht lustig genug geraten sei.

Da ist also ein Psychiater. Einsmarter Typ, sieht gut aus, bewegt sich in den besseren Kreisen. Zu dem kommt eine blonde, sehr attraktive Frau, bei Dashiell Hammett oder Raymond Chandler hätte man von einem Vamp gesprochen, etwas schüchtern, aber sexuell dann sehr aktiv; solche Frauen zwingen Erfolgsmänner im Kino immer in die Knie. Weil es sie nur im Kino gibt. Eingerahmt ist das Ganze in eine Schwemme sexueller Metaphern, schon im Vorspann knospen dauernd Blüten, gleitet Seide über nackte Schultern, schäumen die Wogen, steht stramm ein Leuchtturm und so weiter.

Was sich dann entwickelt, ist über die meiste Zeit ein harmloses Romantic Drama. Er liebt sie und sie ist mit einem Arschloch verheiratet. Sie erschlägt das Arschloch, er sorgt dafür, dass sie nicht wegen Mordes verurteilt sondern wegen Unzurechnungsfähigkeit demnächst wieder auf freien Fuß kommt. Eigentlich habe ich schon den Abspann erwartet und mich über die prominente Besetzung für einen so durchschnittlichen TV-Krimi gewundert, da nimmt "Final Analysis" nach 80 Minuten eine sehr scharfe Kurve und erzählt nochmal neu. Aus dem schüchternen, heißblütigen, wild verliebten Vamp wird eine Femme fatale im wahrsten Sinne des Wortes, die mehr als zwei Jahre lang den Mord an ihrem Mann geplant hat und dabei ziemlich Trick vorgegangen ist. Auch das ist typisch Hitchcock: Man darf den Modus operandi nicht zu tief hinterfragen – eine Lebensversicherung, die sich verdoppelt, wenn der Totschlag als Unfall gewertet wird? – wie man überhaupt manche Motive und Wendungen dieses Films nicht hinterfragen sollte; das macht nur die Spannung kaputt und schließlich war auch Hitchcock der Überzeugung, dass auch Unwirkliches im Film erlaubt ist, wenn es der Spannung dient. Jedenfalls holt der Film in den letzten 35 Minuten dann nach, was er vorher versäumt hat. Aber da ist es zu spät.

Der streng chronologische Aufbau der Geschichte klappt nicht. Zu lange passiert nichts, herrscht die Atmosphäre eines TV-Krimis, bei dem ich nur sitzen bleibe, weil doch Kim Basinger, Richard Gere und Uma Thurman mitspielen – da muss doch was kommen. Statt Spannung legt Phil Joanou Hinweise aus, Fährten. Da stehen der Psychiater und seine neue Geliebte auf einem wild romantischen Leuchtturm in der San Francisco Bay – ausführlich sind sie die Treppe hinaufgestiegen und weil wir schon so gepolt sind denken wir automatisch Oh, Hitchcocks Vertigo! –, und plötzlich geben hoch oben die morschen Schrauben am Geländer nach. Gerade formuliert sich der Gedanke, oha, wieso ist so gefährliches Terrain denn nicht abgesperrt?, ahnt man schon, dass das Geländer noch eine Rolle spielen wird. Da bleibt der Wagen der Verliebten in einer tiefen Bodenwelle hängen und man weiß: Diese Bodenwelle sehen wir nochmal wieder. Klassische Hollywood-Regietechnik, oder, wie Rudi Carrell sagte: Ich kann nur aus dem Ärmel schütteln, was ich vorher hineingesteckt habe. Aber mit dem Bewusstsein des morschen Geländers, der Bodenwelle und ein paar anderen Hinweisen verfolge ich noch nicht fiebernd drei Topacts des aktuellen Kinos. Plakatmotiv (US): Final Analysis (1992) Kim Basinger kann den Film für sich nutzen und mal eine andere Facette zeigen ihrer Kunst zeigen. Nach den stets ähnlichen blonden Umgarnerinnen eitler Männer ("Die blonde Versuchung" – 1991; Batman – 1998; Meine Stiefmutter ist ein Alien – 1988; Blind Date - Verabredung mit einer Unbekannten – 1987; "Gnadenlos" – 1986; 9 1/2 Wochen - 1986; Der Unbeugsame – 1984; Sag niemals nie – 1993) schaltet sie hier mittendrin um auf kühl berechnende Strategin, die sich ihr Alkoholproblem, das sie in Blind Date schon hatte, zunutze macht. Schwerer hat es der arme Psychiater, der von gleich zwei blonden Frauen in die Mangel genommen wird. Dessen Facetten sind einsilbig. Er ist selbstherrlich, sehr von seiner Intelligenz überzeugt, attraktiv und irgendwie einfühlsam. Anders ausgedrückt: Richard Gere ohne Adrenalin (Pretty Woman – 1990; Internal Affairs – 1990; "Gnadenlos" – 1986; Cotton Club – 1984; Atemlos – 1983; "Ein Offizier und Gentleman" – 1982; Ein Mann für gewisse Stunden – 1980). Dieser Isaac Barr ist so ein Typ, dem ich sein Schicksal gönne; ein Typ, dem eine Frau „nicht mehr aus dem Kopf geht“, augenscheinlich nur, weil sie aussieht wie Kim Basinger (mehr Inhalt bietet nämlich auch sie in der ersten Filmstunde nicht)? Geilheit gehört bestraft, wir schreiben die 90er, nicht mehr die 70er Jahre.

Die interessanteste Rolle spielt Uma Thurman ("Robin Hood – Ein Leben für Richard Löwenherz" – 1991; "Henry & June" – 1990; Die Zeit der bunten Vögel – 1990; Gefährliche Liebschaften – 1988; "Die Abenteuer des Baron Münchhausen" – 1988) als die kleine Schwester mit dem vermeintlichen Psychoknacks, bei der wir nie so genau wissen, was sie warum macht. Auch hier gilt die obige Regel Lieber nicht zu tief hinterfragen, denn wenn man diese Diana nimmt, wie sie auftritt, schafft Uma Thurman es, wie ein labiles, sensibles Vögelchen durch diesen Film zu schleichen und dabei mehr Geheimnis zu versprühen, als die vermeintlichen Hauptfiguren.

"Eiskalte Leidenschaft", wie der Film einerseits nichts sagend, andererseits aber vielsagend heißt – weil er doch viel Inhalt beschreibt – ist gut geeignet Mund unterhaltsam in einem Filmseminar, in dem die Studenten die Vorbilder der Filmemacher herausarbeiten und analysieren sollen, ob und wie das gelungen ist. Hitchcock hätte wahrscheinlich die Drehbuchidee gefallen. Aber er hätte die Suspense-Elemente – morsches Geländer, Bodenwelle, die Tatwaffe – besser herausgearbeitet und in der Story verknotet.

Nach dem Film wieder auf der Straße ist klar: Der Film entwickelt im letzten Drittel Spannung. Aber dass man ihn nun dauernd mit Hitchcocks Werk vergleichen sollte, hat der alte Meister nicht verdient.

Wertung: 4 von 10 D-Mark
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