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Plakatmotiv: Atemlos (1983)

Ein lauter und Neonbunter Film,
der nichts Neues zu sagen hat

Titel Atemlos
(Breathless)
Drehbuch L.M. Kit Carson + Jim McBride
nach dem Drehbuch von Francois Truffaut + Jean luc Godard + Claude Chabrol
Regie Jim McBride, USA 1983
Darsteller

Richard Gere, Valérie Kaprisky, Art Metrano, John P. Ryan, William Tepper, Robert Dunn, Garry Goodrow, Lisa Jane Persky, James Hong, Waldemar Kalinowski, Jack Leustig, Eugène Lourié, Georg Olden, Miguel Pinero, Henry G. Sanders u.a.

Genre Crime, Action, Drama
Filmlänge 100 Minuten
Deutschlandstart
28. Oktober 1983
Inhalt

Kleinganove Jesse Lujack stiehlt in Las Vegas ein Luxusauto, um vor der Polizei zu fliehen. Auf dem Weg nach Los Angeles erschießt er mit einer Pistole, die er im Handschuhfach findet, einen Polizisten, der in anhält.

In L.A. angekommen sucht Jesse die Architektur-Studentin Monica, mit der er in Las Vegas mehrere Nächte verbracht hat. Jesse platzt in Monicas Abschlussprüfung und versucht sie zu überreden, mit ihm nach Mexiko durchzubrennen. Aber den beiden fehlt das Geld und so verbringen sie ihre Zeit zusammen in Los Angeles.

Plakatmotiv (US): Breathless – Atemlos (1983)Währenddessen macht die Polizei bei ihren Ermittlungen Fortschritte: Die Schlinge um Jesse zieht sich immer weiter zu …

Was zu sagen wäre

Das ist jetzt schwierig. Jim McBride dreht ein Remake eines Filmes, der nicht wegen einer dramatischen Storyline in die Filmgeschichte einging, die nach 20 jähren ein Update gebrauchen könnte. Godards À bout de Soufle von 1960 ging in die Geschichte ein, weil er mit allen ästhetischen, erzählerischen und technischen Konventionen brach, die den Film damals beherrschten. Aber McBride führt uns keinen Film vor, der das noch einmal tut. Visuell dominiert das Neonlicht nächtlicher Straßen, akustisch der Rock 'n Roll von Jerry Lee Lewis.

McBride führt uns einen Film vor, der noch einmal die Geschichte von dem Außenseiter und dem Mädchen erzählen will. Ironischerweise passt das Lebensmodell dieses Außenseiters in diesem Film besser als in seinem Vorbild, was daran liegen mag, dass der Franzose Godard 1960 eine Parodie auf den Film Noir Hollywoods inszeniert hat, McBride seine Story und den American Way of Life aber sehr ernst nimmt. Jesse Lujack, wie der neue Michel, heißt, lebt das Alles-oder-Nichts-Mantra. McBride hat allerdings die Nationalitäten umgedreht: Wenn schon sein Held nun Amerikaner ist, dann ist dessen Herzensgeliebte wenigstens eine Französin, Studentin der Architektur.

Jim McBride versucht, aus Godards 08/15-Story eine Wahrheit zu zaubern. Als hätte Godards Bonmot „Alles, was man für einen Film braucht, ist eine Knarre und ein Mädchen“ heute, 20 Jahre später, noch in dieser Naivität Relevanz. Dabei bleibt die Geschichte über einen verliebten Gockel, der in L.A. schnell noch einen Packen Geld abholen und dann mit seinem Mädchen – das bis dahin gar nicht wusste, dass es sein Mädchen ist – nach Mexiko durchbrennen will, auch in der technisch aufwändigeren Version dünn. Der Typ nervt immer noch wie 1960, geht einem in seiner lebensfremden Übergriffigkeit auf die Nerven – wenn man als deutscher Mittelstandsspross im Kinosessel sitzt. Selbst die neonbunten Bilder, die elegant glänzenden Autos, die Jesse dauernd klaut, geben der Geschichte nichts Neues.

Plakatmotiv (Fr.): À bout de soufle – Atemlos (1983)Valérie Kaprisky läuft viel textilfrei vor der Kamera herum. Das ist für den männlichen Teil des Publikums ein möglicherweise zweifelhafter, aber dennoch ein Gewinn. Der nackte Richard Gere, den es dann auch mal gibt, steht meist im Dampf einer heißen Dusche, der das Wichtigste verdeckt. Aber auch die Nacktheit der Hauptfiguren geben der Geschichte nichts Neues; soll da eine Amor Fou angedeutet werden – leidenschaftlich vögelnde nackte Polizistenmörder? Wenigstens erklärt der Film seinen Titel. Godard reichte es womöglich noch, dass er sich selbst nach Abschluss der Dreharbeiten Außer Atem fühlte; eine Entsprechung im 1960er-Film hat der Titel nicht. Jetzt, 1983, flippt Jesse nicht nur zu Jerry Lee Lewis' "Breathless" regelmäßig aus, er fühlt sich auch „atemlos“, als er seine Monica in den Armen hält. Brauchte diese Information jemand?

Das ist alles Reden um den Heißen Brei. Die zentrale Frage, „Was will der Film eigentlich?“, bleibt unbeantwortet. Richard Gere, neuer Stern am Hollywood-Himmel ("Ein Offizier und Gentleman" – 1982; Ein Mann für gewisse Stunden – 1980; "Yanks – Gestern waren wir noch Fremde" – 1979; "Auf der Suche nach Mr. Goodbar" – 1977), kann sich ausprobieren und schlägt ein paar Mal über die Stränge. Die Französin Valérie Kaprisky ist bezaubernd, aber blass. Sie ist ein Mädchen mit Rehaugen und Löwenmähne und aller nackter Haut, die sie hat. Sie hat, anders an Jean Seberg damals, die nicht nur wegen ihrer Kurzhaarfrisur aufregend war, kein Geheimnis mehr, das sich zu entdecken lohnte. Hätte Godard diese Geschichte damals auf dem üblichen Weg gedreht, mit Studio, Scheinwerfern und Stativen, wär sein À bout de soufle heute maximal ein interessanter Film aus jeder Zeit. Was hat Jim McBride dieser Geschichte Neues zu geben? Neon und Jerry Lee Lewis jedenfalls sind nicht die adäquate Antwort.

Im Hintergrund höre ich die Marketingstrategen des Filmstudios darüber sinnieren, dass eine Neuverfilmung von À bout de Soufle auf jeden Fall Schlagzeilen machen, eventuell sogar Empörung auslösen wird, weil das Original ja jeder irgendwie kennt und die Feuilletonisten schon ihren Teil beitragen werden zur Aufmerksamkeit. „Und auf das Plakat schreiben wir He's the last man on Earth any Woman needs … and every Woman wants.“ Dazu Richard Gere als Zugpferd, der als kommender Star halt Filmauftritte in Schlagzeilenfilmen braucht. Und eine süße Französin, die nichts an hat. Hat funktioniert. Der Film an sich – und für sich genommen – ist zwar nicht der Rede wert. Aber ganz unterhaltsam ist er trotzdem.

Wertung: 4 von 9 D-Mark
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