IMDB

Plakatmotiv: Jackie: Die First Lady (2016)

Ein beeindruckendes Filmporträt mit
einer herausragenden Natalie Portman

Titel Jackie: Die First Lady
(Jackie)
Drehbuch Noah Oppenheim
Regie Pablo Larraín, USA, Fr., Chile, China, Deutschland, UK 2016
Darsteller

Natalie Portman, Peter Sarsgaard, Greta Gerwig, Billy Crudup, John Hurt, Richard E. Grant, Caspar Phillipson, John Carroll Lynch, Beth Grant, Max Casella, Sara Verhagen, Hélène Kuhn, Deborah Findlay, Corey Johnson, Aidan O'Hare u.a.

Genre Biografie, Drama
Filmlänge 100 Minuten
Deutschlandstart
26. Januar 2017
Inhalt

Als John F. Kennedy im Januar 1961 sein Amt als 35. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika antritt, wird Jacqueline "Jackie" Kennedy zur First Lady. In ihrer Funktion als Präsidentengattin avanciert sie schon bald zu einem Idol für eine ganze Generation durch ihre Kultiviertheit, Schönheit und Eleganz und wird so zu einer lebenden Legende, die das Weiße Haus in einen Ort des Glamours verwandelt.

Doch der wahrgewordene Traum findet am 22. November 1963 ein jähes Ende, als John F. Kennedy in Dallas während einer Fahrt durch die Stadt erschossen wird.

Jackie muss den Tod ihres Mannes hautnah miterleben und versucht sich in der Folge, durch die tiefe Trauer zu kämpfen, um für ihre Kinder da zu sein und das Vermächtnis ihres Mannes zu retten …

Was zu sagen wäre

Jacqueline Kennedy in diesem rosa Kleid. Es gibt dieses Kleid in zwei Zuständen, vorher und nachher. Einmal rein, dann befleckt mit dem Blut ihres ermordeten Gatten. Jeder kennt dieses Kleid, wenigstens von den Fotos, auf denen die Präsidentengattin versucht, über den Kofferraum aus dem offenen Wagen zu flüchten, in dem ihr Mann verblutet, oder von den Bildern der Vereidigung Lyndon B. Johnsons zum neuen US-Präsidenten, neben ihm die Witwe des erschossenen Vorgängers. Jeder im Kino scheint jederzeit zu wissen: Das ist Jackie, die elegante, mondäne, souveräne Präsidentengattin, die Leben ins Weiße Haus gebracht hat. In den Tagen, die dem Mord von Dallas folgen, schreiben sich Journalisten die Finger wund über den Gefühlszustand der trauernden First Lady. Niemand hat vorher mit ihr gesprochen, alle scheinen zu wissen, wie es in ihrem Inneren aussieht.

An dieser Stelle setzt der Film des Chilenen Pablo Larraín an. Seinen Rahmen bildet ein (berühmt gewordenes) Exklusiv-Interview, das Jacqueline Kennedy einem Reporter des Life-Magazin knapp eine Woche nach dem Präsidentenmord gibt. Als erstes macht sie dem Journalisten klar, dass sie redigieren werde, was er sich während des Gesprächs notiere. Sie will die Kontrolle haben über das Bild, das von ihrem ermordeten Mann in den kommenden Jahrzehnten besteht. „Dieses Interview wird in aller Welt nachgedruckt werden. Es wird das Bild meines Mannes, unserer Familie, seiner Regierungszeit prägen.“ Sie hat in den knapp drei Jahren im Weißen Haus sich ständig von Beratern sagen lassen, was sie in der Öffentlichkeit sagen oder tun darf, auch nach dem Tod ihres Mannes sagen ihr allerlei Männer, wie sie auftreten solle, wie die Beerdigung ablaufen solle, aber da hat sie den Schritt in ihre Selbständigkeit schon getan. Sie hat zwei Kinder verloren, einen Ehemann und jetzt wird sie sich nicht von Männern mit politischen Ambitionen vorschreiben lassen, wie sie vor der Weltöffentlichkeit als Witwe auftreten soll.

Sehr früh im Film sitzen wir mit der First Lady im offenen Auto an der Delay Plaza in Dallas, wir hören den Schuss, wir sehen den blutenden Präsidenten neben ihr zusammensinken. Die Perspektive ist neu. Wir kennen die Bilder aus dem Zapruder Film, wir haben Spielfilme und Dokumentationen über den Kennedy-Mord gesehen. Aber mit im Kennedy-Auto habe ich noch nie gesessen. Das ist erschreckend nah, von sofort an verstehen wir die traumatisierte Witwe, die nicht mehr die Glamourfigur in Gesellschaftsblättern ist, deren Mann, höhö, Affären mit zahlreichen anderen Frauen hatte, sondern als Mensch, neben dem ein anderer Mensch erschossen wurde, der der Vater ihrer Kinder und tatsächlich immer noch – „Er hat sich immer wieder in Versuchung führen lassen. Aber er kam immer zu uns zurück!“ – der geliebte Ehemann war. Die Kamera geht so nah an die geschockte, trauernde Mutter zweier kleiner Kinder und Witwe heran, dass wir im Kinosessel nicht objektiv bleiben können. Der Film erzählt keine objektive Historie, er erzählt Jacquelines Version, gesteht ihr in einer manipulativen Welt einen manipulativen Charakter zu, dem sich die mächtigen Männer im Regierungsapparat nur beugen können, weil sie die Witwe des gefeierten, mit Vorschusslorbeeren bedachten John F. Kennedy, Bezwinger der Kuba-Krise ist, der, wäre er länger als knapp drei Jahre im Amt gewesen, vielleicht sogar acht Jahre, sicher die Mondlandung geschafft, den Vietnamkrieg gewonnen und die Armut in der Welt abgeschafft hätte; so in etwa lauteten damals die Träume und Projektionen in den toten Präsidenten. Und seine Witwe nutzt diese Position einzigartiger Macht für ihre Zwecke aus. Die Beisetzung Kennedys wird eines der größten TV-Ereignisse der Nachkriegsgeschichte – weil die Witwe, die sich vorher von einem Historiker hat zeigen lassen, wie die Beisetzung Abraham Lincolns aussah, darauf besteht, ihren getöteten Mann, den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten, mindestens auf Lincolns Höhe zu stellen.

Die Idee, diesen Film zu machen, tauchte schon 2010 auf. Damals wollte Darren Aronofsky Regie führen (Noah – 2014; Black Swan – 2010; Requiem for a Dream – 2000; Pi – Der Film – 1998), und seine Freundin Rachel Weisz in der Titelrolle inszenieren (Liebe zwischen den Meeren – 2016; Das Bourne Vermächtnis – 2012; Das Urteil – Jeder ist käuflich – 2003; Duell – Enemy at the Gates – 2001; Die Mumie – 1999). Die beiden trennten sich aber bald darauf, Weisz stieg aus dem Projekt aus, Aronofsky zog sich auf den Produzentenstuhl zurück. Katie Holmes kam für die Rolle ins Gespräch, die die Jackie in der TV-Serie "Die Kennedys" (2011) gespielt hatte. 2015 sagte Natalie Portman für die Titelrolle zu (Thor: The Dark Kingdom – 2013; Thor – 2011; Freundschaft Plus – 2011; Black Swan – 2010; The Other Woman – 2009; Die Schwester der Königin – 2008; V wie Vendetta – 2005; Hautnah – 2004; Unterwegs nach Cold Mountain – 2003; Zoolander – 2001; Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung – 1999; Mars Attacks! – 1996; Alle sagen: I love you – 1996; Heat – 1995; Léon: Der Profi – 1994). Es ist müßig zu spekulieren, wie der Film ausgesehen hätte, wenn … . Die Schauspielerin dieser Titelrolle ist entscheidend dafür, ob der Film funktioniert oder nicht; sie allein. Natalie Portman jedenfalls macht den Film zum Ereignis. An sie ging eine der drei Oscarnominerungen für die Oscar-Show am 26. Februar 2017 (auch: Kostüme und Musik), bei der dann Emma Stone für ihre Rolle in La La Land ausgezeichnet wurde. Portman verschwindet völlig hinter der Figur, die sie spielt, egal ob als strahlende First Lady beim frenetischen Empfang auf dem Flughafen in Dallas, oder als ganz hinter schwarzem Stoff verschwindende Witwe oder als kühle Ingterviewpartnerin, die Kette raucht und den Reporter für dessen Text kühl darauf hinweist „Ich rauche übrigens auch nicht.

Für die nötige Dramatik wurde als Drehbuchautor Noah Oppenheim (Die Bestimmung – Allegiant  – 2016; Maze Runner – Die Auserwählten im Labyrinth – 2014) verpflichtet, der für sein Skript zu "Jackie" bei den Filmfestspielen von Venedig 2016 den Preis für das beste Drehbuch gewann. Die Dramatik wird ein wenig gestört durch den wabernden Klangteppich, den der Score unter dem Film ausrollt. Anstatt dem starken Bild einer einsamen Witwe im Regen zu vertrauen, überspielen Geigen und Posaunen die Szenen und schieben uns im Kinosessel von der Witwe weg. Ohne den Score an vielen Stellen wären wir emotional sogar noch näher dran. Vielleicht wollte Regisseur Pablo Larraín uns diese quälende Nähe ja ersparen?

Wertung: 7 von 8 €uro
IMDB