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Plakatmotiv: V wie Vendetta (2005)

Krachende Comicverfilmung zwischen
George Orwell und Pharma-Verschwörung

Titel V wie Vendetta
(V for Vendetta)
Drehbuch Lilly Wachowski + Lana Wachowski
nach dem gleichnamigen Comic von Alan Moore und David Lloyd
Regie James McTeigue, USA, UK, Deutschland 2005
Darsteller

Natalie Portman, Hugo Weaving, Stephen Rea, Stephen Fry, John Hurt, Tim Pigott-Smith, Rupert Graves, Roger Allam, Ben Miles, Sinéad Cusack, Natasha Wightman, John Standing, Eddie Marsan, Clive Ashborn, Emma Field-Rayner u.a.

Genre Comic-Verfilmung, Action, Abenteuer
Filmlänge 132 Minuten
Deutschlandstart
16. März 2006
Inhalt

Im Großbritannien eines Paralleluniversums stellt sich ein maskierter Friedenskämpfer namens "V" einem totalitären Regime unter Leitung des Kanzlers Sutler entgegen und kämpft mit terroristischen Mitteln gegen die führenden Mitglieder. Dabei schreckt er auch vor Mord nicht zurück.

Als er bei einer seiner Aktionen die junge Evey rettet, findet er mit ihr die Chance auf eine Verbündete. Die hat er auch bitter nötig, denn inzwischen sind auf Wunsch des Kanzlers Inspector Finch und sein treuer Assistent Dominic auf den Fall des als Terroristen bezeichneten Regimegegners "V" angesetzt …

Was zu sagen wäre

Wie verliert ein Mensch seine Angst? Vielleicht, wenn er den Tod nicht mehr fürchtet, weil er weiß, dass es dahinter erst los geht? Es muss dieser Moment im Comic sein, der die Wachowsky-Schwestern gereizt hat; als ein Mensch nach wochenlanger Folter und Erniedrigung all seine Angst verloren hat und befreit auf den Tod wartet, als mit den grausamen Machthabern zu paktieren – ihm mussten erst die Augen geöffnet werden für die wirkliche Freiheit: „Sie haben Dir Deine Eltern genommen und Deinen Bruder. Sie haben Dich in eine Zelle gesteckt und Dir alles genommen. Außer Deinem Leben. Und Du hast gedacht, dass es nichts weiter gab, dass Du nur noch Dein Leben hattest. Aber so war es nicht. Stimmt's? In der Zelle hast Du etwas gefunden, Evey, das wichtiger war als Dein Leben. Denn als sie Dir mit dem Tod drohten, weil Du ihnen nichts gabst, was sie wollten, hast Du ihnen gesagt, dass Du lieber sterben würdest. Du warst mit Deinem Tod konfrontiert. Du warst ruhig. Du warst gefasst.“ Man mag derlei Erlösungsphantasie ein bisschen anstrengend finden, aber auf ähnliche Weise ist einst Neo aus der Matrix geschritten und erlangte Erkenntnis. Die Erleuchtung der jungen Evey ist ganz ähnlich.

Um diese Erkenntnisszene herum gibt es ordentliches Revolutionskino auf der Orwellschiene, die für sich genommen schon etwas angestaubt wirkt. Aber die Machtergreifung der Faschisten in diesem Film durch Massenmord – hier eine Virusattacke –, den sie einem auswärtigen Feind anlasten, kann ruhig alle paar Jahre Thema eines Actionabenteuers sein, in dem sich Menschen gegen Unterdrücker erheben; weil es so schnell geht und weil es so leicht ist, wenn man über die finanziellen Mittel verfügt. Die Gesellschaftsform der Demokratie steht auch 60 Jahre nach Kriegsende auf tönernen Füßen. <Nachtrag2020>Die politischen Umwälzungen in Polen, Ungarn, der Türkei sowie die rasch erfolgten und – vor allem – zunächst widerspruchslos akzeptierten Ausgangsbeschränkungen im Zuge der Corona-Krise Anfang 2020 zeigen, wie schnell der faschistische Stein in Bewegung geraten kann.</Nachtrag2020>

Als Textur wird in der Tat eine Version des Orwell'schen 1984 erzählt. Ein totalitärer Staat, in dem ein allmächtiger Kanzler mit seinen harten Hunden regiert und jede „Abweichung von der Norm“ hart bestraft. Dieser Kanzler – Funfact am Rande – wird gespielt von John Hurt (Hellboy – 2004; Harry Potter und der Stein der Weisen – 2001; Corellis Mandoline – 2001; Contact – 1997; Rob Roy – 1995; Mel Brooks' Spaceballs – 1987; Das Osterman-Weekend – 1983; Mel Brooks – Die verrückte Geschichte der Welt – 1981; Der Elefantenmensch – 1980; Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt – 1979), der in der Verfilmung von 1984 (1984) einst die Hauptrolle des Überwachungsstaats-Opfers Winston Smith spielte.

Ihnen gegenüber steht ein Volk, das die Tage vor dem Fernseher verbringt – jedenfalls zeigt der Film die Menschen dort dauernd. Auf der Straße herrschen strenge Ausgangsbeschränkungen, über die eine Polizeitruppe wacht, die sich "Fingermänner" nennt und die Menschen drangsaliert, peinigt, demütigt. Wehren tut sich niemand mehr, die Macht des Staates ist zu groß. Bis der Spaltpilz auf den Plan tritt: ein maskierter Mann, dessen Identität im Verborgenen bleibt, mit dem der Zuschauer auf eine spannende Verschwörungsgeschichte Geschichte wird. Denn das Orwell'sche 1984-Lookalike ist ja nur die Textur.

Comics erfinden keine neuen Geschichten, keine Skandale. Sie bauen aber aus mehreren oft erzählten Skandalen eine neue große Storyline, in der dann alles Platz findet: Verrat, Verschwörung, Pharma-Skandal, Liebe, Krieg, Folter – Dystopie haben im Comic ihren großen Spielplatz gefunden. "V for Vendetta" ist so eine Dystopie, spannend erzählt trotz einer überflüssigen romantischen Anmutung, die es in der Vorlage nicht gibt, mit spektakulären visuellen Effekten und namhaften Schauspielern, unter denen Natalie Portman nur die Prima inter pares ist (Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith – 2005; Hautnah – 2004; Unterwegs nach Cold Mountain – 2003; Zoolander – 2001; Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung – 1999; Mars Attacks! – 1996; Alle sagen: I love you – 1996; Heat – 1995; Léon: Der Profi – 1994). Unter der Maske steckt Hugo Weaving (Der Herr der Ringe), der für die Wachowskis den schurkischen Mr. Smith in der Matrix-Trilogie gegeben hat. Den Mann hinter der dauerlächelnden Guy-Fawkes-Maske gibt er als Philosophen und Schriftstellergrößen rezitierenden Bildungsbürger mit Geschichtsbewusstsein und leichtem Hang zum Folterkeller-Sadismus, der bizarre Situationen evoziert: Er lächelt. Selbst wenn er bestürzt ist. Er lächelt, selbst wenn er traurig ist. Er lächelt immer. Das gibt dem gepeinigten Wesen hinter der Maske einerseits eine melancholische Distanz zu allem Geschehen, andererseits eine eisenharte Souveränität im Kampf gegen die Faschisten.

Der Film hat ungefähr 54 Millionen Dollar gekostet. Der Einsatz hat sich, rechnet man die Marketingkosten noch mit ein, die Pi mal Daumen bei etwa der Hälfte des Produktionsbudgets liegen, gelohnt: Weltweit eingespielt hat der Film etwa 132,6 Millionen Dollar.

Wertung: 4 von 6 €uro
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