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Plakatmotiv: The Batman (2022)

Dunkler. Schwerer. Batman!

Titel The Batman
(The Batman)
Drehbuch Matt Reeves & Peter Craig
nach den Comics von Bob Kane & Bill Finger
Regie Matt Reeves, USA 2022
Darsteller

Robert Pattinson, Zoë Kravitz, Jeffrey Wright, Colin Farrell, Paul Dano, John Turturro, Andy Serkis, Peter Sarsgaard, Barry Keoghan, Jayme Lawson, Gil Perez-Abraham, Peter McDonald, Con O'Neill, Alex Ferns, Rupert Penry-Jones, Kosha Engler, Archie Barnes, Janine Harouni u.a.

Genre Comic-Verfilmung
Filmlänge 176 Minuten
Deutschlandstart
03. März 2022
Website thebatmanmovie.net
Inhalt

Seit zwei Jahren kämpft der Milliardär Bruce Wayne als Batman für eine bessere Welt in seiner Heimatstadt Gotham City. Doch es ist ein einsamer Kampf, den nur wenige Verbündete wie sein Butler Alfred Pennyworth und der aufrechte Polizist Lt. James Gordon unterstützen.

Gotham ist ein Moloch, zerfressen von einem korrupten Netzwerk, in das fast alle Beamten der Stadt und auch die reichen Eliten involviert sind. Doch als ein mysteriöser Killer diese ins Visier nimmt und eine Reihe sadistischer und tückischer Anschläge verübt, sind Batmans Detektiv-Fähigkeiten gefragt. Die zahlreichen kryptischen Hinweise führen ihn immer tiefer in die Unterwelt, wo zwielichtige Figuren wie Selina Kyle alias Catwoman, Oswald Cobblepot alias Pinguin, Mafiaboss Carmine Falcone und Edward Nashton alias Riddler zu Hause sind.

Die Spuren führen Batman auch zu ihm selbst und seiner Vergangenheit …

Was zu sagen wäre

Wenn Du auf der Leinwand kaum noch was siehst, weißt Du: Es muss ein Batman-Film sein. Wären die Bilder noch etwas dunkler, wäre "The Batman" ein Hörspiel.

Wieder ein Neustart des Batman-Charakters (mit Tim Burtons 1989er-Version ist es der vierte und wenn man den Justice League-Batman dazu nimmt, ist es gar der fünfte in nur 30 Kinojahren), wieder ein neuer Schauspieler. Und wieder ist die Welt moralisch am Arsch. Bis auf wenige Sonnenaufgangsszenen – vornehmlich dann, wenn Batman und Selina Kyle wieder mal über das rechte Maß der Rache debattieren oder sich wie aus Versehen küssen – ist es immer Nacht in Gotham City, einer Stadt, deren Medien noch verkommener sind als die Bewohner. Ungeniert senden sie live ungeschnittene Drohvideos eines unheimlichen Geiselgangsters und sadistischen Mörders, der sich selbst "Riddler" nennt und ausführlich das korrupte System anprangert, dessen Vertreter er nun nacheinander ausschaltet. Die atemlosen Moderatorinnen und Moderatoren mit ganz austauschbaren Gesichtern schaffen es gerade noch, ihren Zuschauern eine Triggerwarnung zuzurufen, dass es jetzt für den ein oder die andere verstörend und unappetitlich werden könnte. Dann überlassen sie das Feld ganz dem Riddler.

Der Film macht da kein großes Ding draus, kein Polizist stöhnt über übergriffige Reporter; das bisschen Medienkritik, das an diesen Stellen durchscheint, ist nur wohlfeil. Es wirkt eher so, als sei Regisseur Matt Reeves (Planet der Affen: Survival – 2017; Let Me In – 2010; "Cloverfield" – 2008) ganz froh, dass die realen US-amerikanischen TV-Stationen heute schon bei jedem bewaffneten Handtaschenraub Sendefläche freiräumen und ihre Kamera-bewehrten Hubschrauber losschicken. Das erleichtert ihm sein Storytelling: Würden die verantwortlichen Redakteure in den Newsrooms sich besonnen verhalten, hätten Typen wie der Riddler gar kein Spielfeld, auf dem sie ihre populistischen Sperenzchen treiben könnten. Die Beobachtung über die austauschbaren Gesichter der TV-Moderatoren vorhin kommt nicht zufällig. In "The Batman" ist es die dramaturgische Grundierung, dass die Gesichter ohne Charakter bleiben. Weil sie sich hinter starren Masken verbergen.

Es mag der fünfte Neustart des Fledermausmannes im Kino sein, das Spiel mit der Maske hat sich als Element der Batman-Filme etabliert. In "The Batman" spielt die Figur des Bruce Wayne, also des Mannes ohne sichtbare Maske, gar keine Rolle mehr. Wenn er mal auftaucht, ist er von seinem Leben und der Verkörperung all des Reichtums und der Tradition, für die der Name Wayne steht, genervt und flehen die Reporter ihn um irgendein nichts sagendes Statement für ihre Kameras an. Wayne Manor, Wohnsitz der Familie, erinnert an Spukschloss-Entwürfe früher Dracula-Filme, in denen niemand wirklich wohnt. Und eine Wayne-Corporation, Ursprung all des sagenhaften Reichtums des Bruce Wayne, der auch hier wieder als „Prince of Gotham“ bezeichnet wird, existiert höchstens außerhalb des Leinwand-Gevierts, oder als Kolportagestoff für frühere Verfehlungen der Familie. Als Wayne einmal gar nicht umhin kommt, an einem gesellschaftlichen Ereignis, in diesem Fall der Beerdigung des ermordeten Bürgermeisters, teilzunehmen, muss ihm sein Butler Alfred die eigenen Manschettenknöpfe leihen, weil Bruce die seinen irgendwo verlegt hat und ihn das auch nicht weiter interessiert – ein Batman braucht keine Manschettenknöpfe. In diesem (gesichtslosen) Zusammenhang ist es ein feiner ironischer Zug, dass den aktuellen Butler Alfred der Schauspieler Andy Serkis spielt, der weniger über sein reales Gesicht bekannt ist (Black Panther – 2018; Avengers: Age of Ultron – 2015; Prestige – Die Meister der Magie – 2006), aber berühmt wurde, weil er in einer Frühphase der CGI rein digital erschaffenen Geschöpfen wie Gollum oder King Kong seine Motion-Capture Mimik und -Gestik geliehen hat. In den aktuellen Planet der Affen-Filmen unter der Regie von "The Batman"-Regisseur Matt Reeves performt er als Affen-Anführer Caesar. Mehr Eindruck hinterlässt Serkis hier nicht; seine Butler-Rolle präsentiert der Film als unvermeidliches Must Have, weit weg von Michael Caines aus den Nullerjahre-Filmen nicht weg zu denkender Alfred-Verkörperung unter Christopher Nolan.

Nein, in diesem Film ist die Maske Programm. Der Film heißt "The Batman" und der Zuschauer bekommt Batman. Jedenfalls einen möglichen Batman, es gab ja schon vier andere. Dieser Fledermausmann mit der ausdruckslosen Mimik trägt schwer an seiner Vergangenheit. Genauer gesagt: Andere tragen ihm eine schwere Vergangenheit zu. Der Riddler, den dieser Film als eine Art Zodiac-Killer 2.0, der zu oft David Finchers Kinoalbtraum Sieben gesehen hat, verkauft, drängt ihn unablässig, sich mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen, und auch Mafiaboss Carmine Falcone, mit dem John Turturro mal kurz in Erinnerung ruft, was für ein superber Schauspieler er ist (Transformers: The Last Knight – 2017; Exodus: Götter und Könige – 2014; Plötzlich Gigolo – 2013; Die Entführung der U-Bahn Pelham 123 – 2009; Inside Hollywood – 2008; Transformers  – 2007; Collateral Damage – 2002; O Brother, Where Art Thou? – 2000; Cuba libre – 2000; The Big Lebowski – 1998; "Quiz Show" – 1994; Miller's Crossing – 1990; Der Sizilianer – 1987; Die Farbe des Geldes – 1986; Hannah und ihre Schwestern – 1986; Leben und sterben in L.A. – 1985), drängelt sich in Kindheitserinnerungen Bruce Waynes.

Der muss sich gleichzeitig mit möglichen Verfehlungen seines heiligen Vaters Thomas in dieser Stadt auseinandersetzen – eine interessante Volte der Filmemacher immerhin, mal einen Gedanken darüber zuzulassen, wieso eigentlich der einflussreiche Macher Thomas Wayne sich immer als der einzig Aufrechte in einem Pfuhl von Sündern halten konnte, der dann halt mitsamt Gattin einem simplen Handtaschenräuber zum Opfer fiel. Aber tiefer geht das dann auch nicht, der heilige Thomas Wayne bleibt letztlich unangetastet. Aber seine Gattin Martha bekommt endlich eine, wenn auch unrühmliche Geschichte.

Die traditionelle Geschichte des Bruce-Wayne-wird-Batman, also die, in der der sehr junge Bruce Zeuge wird, wie seine Eltern von einem Räuber erschossen werden, erspart Matt Reeves uns; wir kennen sie ja und sehen um so faszinierter diesen intensiven Blickwechsel des 2022er Batman mit einem kleinen Jungen, dem gerade der Vater weg gemordet wurde. Dieser Blick zwischen maskierter „Vergeltung“ und kleinem Jungen, der zweimal vorkommt, ist eines der vielen starken Bilder in diesem Film. Wenn der nur auch eine Geschichte erzählen wollte.

Bleischwer liegt Bruce Waynes Vergangenheit lange über diesem Film, ohne eine wirkliche Rolle zu spielen. Das Drehbuch stellt dazu viele Behauptungen in den Raum, die sich dann als Bluff entpuppen. Zwar ist dieser Film mit Robert Pattinson (Tenet – 2020; "Twilight – Biss zum Morgengrauen" – 2008; Harry Potter und der Feuerkelch – 2005) als Titelheld wieder ein Neustart, und in einem solchen erleben wir den maskierten Vergelter als eine Art freiberuflichen Bekämpfer von Schlägern und Asozialen in Gotham, einen wortkargen Zuarbeiter von GCPD-Lt. James Gordon – um das Organisierte Verbrechen in der Stadt, die Korruption, kümmert sich derweil der Riddler. Aber die Geschichte mit den ermordeten Eltern, Bruces Schwur an deren Grab, das Böse zu bekämpfen und so weiter müssen wir uns im Kinosessel dazu denken, um aus dieser Figur da vorne auf der Leinwand ein halbwegs lebendiges Wesen zu machen. Ohne dieses Halbwissen wäre der Batman dieses neuen Erzählastes ein lahmer Langeweiler, der sich an einer lahmen Geschichte entlang durch viele faszinierende Leinwandbilder schwätzt.

Das ist das, was bleibt von diesem Film: Batman, Selina, James Gordon, der Riddler, Oswald Cobblepot (also: Pinguin) oder Carmine Falcone reden viel und dann noch viel mehr, tauschen sich aus über das Früher und dessen Auswirkungen auf das Heute, Selina bringt noch ein eigenes, für die Dramaturgie des Films dann aber auch nicht wirklich entscheidendes Vaterproblem aufs Tapet – und das taucht Matt Reeves in ganz viele beeindruckende Bilder im Cinemascope-Format, die Michael Giacchino, der für den PIXAR-Film Oben (2009) den Filmmusik-Oscar bekam, mit einem düsteren Wumms-Score belegt. Und, ja!, für den in der Pubertät hängen gebliebenen Anfangsechziger im Kinosessel produzieren die Schlussbilder nochmal eine Extra-Gänsehaut. Aber sonst? Die Jagd des BATmobil hinter dem Pinguin her ist die und einzige Actionsequenz in diesem Film, die auch deshalb so erwähnenswert ist, weil sie in dem CGI-durchseuchten Bilder-Allerlei der jüngeren Superheldencomic-Verfilmungen eine – zumindest analog anmutende – Realität erzeugt, die mich in den Kinosessel drückt.

Der Film ist erfolgreich gestartet. Irgendwas zwischen 185 und 200 Millionen US-Dollar hat er gekostet. Mit einem Einspielergebnis wenige Tage nach Filmstart von weltweit rund 288,3 Millionen US-Dollar verzeichnet er den zweitbesten Kinostart seit Beginn der COVID-19-Pandemie.

Weil kurz vor dem Abspann der in Arkham inhaftierte Riddler mit einem irre lachenden Zellennachbar spricht, mag feststehen, welchen Gegner der schwerblütige "The Batman" beim nächsten Mal (wieder mal) zu bekämpfen hat. Also wieder ein schwerblütiger Held gegen einen irren, nihilistischen Joker? Da kreischt verzweifelt das Herz des Anfangsechzigjährigen im Kinosessel, der mit einem Batman groß wurde, der auch mal einfach gelacht hat.

Wertung: 5 von 8 €uro
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