1933: Weltweite wirtschafliche Depression. In New York stehen die Arbeitslosen Schlange für einen Job. Auch Ann Darrow, die sich als Revue-Girl durchbringt.
Carl Denham entdeckt sie. Der Regisseur ist gerade seine Geldgeber und seine Hauptdarstellerin los geworden und will sich rasch absetzen – per Schiff in ein Abenteuer, von dem er annimmt, dass die Filmaufnahmen von dort – wo immer das dann genau sein mag – ihn im Nachhinein wieder ganz nach oben bringen. Weil er also innerhalb weniger Stunden eine neue Hauptdarstellerin braucht und ihm da die blonde, zarte Ann Darrow mit den blauen Kugelaugen, dem Schatten im Blick und dem großen Hunger im Magen über den Weg läuft, sind die Verträge schnell geschlossen.
Bald ist der Seelenverkäufer „Venture” auf hoher See zwischen Nirgend und Wo – an Bord Denham, Darrow, eine Filmcrew und, unfreiwillig, Drehbuchautor Jack Driscoll. Gerade, als Kapitän Englehorn die Reise abbrechen möchte – Denham hat nämlich immer noch nicht bezahlt – stoßen sie auf das rätselhafte Skull-Island, über das in Seefahrerkreisen gruslige Geschichten kursieren. Diese Geschichten erweisen sich als wahr: Inselbewohner entführen Ann und opfern sie Kong, einem riesigen Gorilla, der auf einem entlegenen Felsen herrscht und offenbar regelmäßig bei den Bewohnern der Insel um Frauenopfer nachsucht.
Normalerweise macht der Gorilla mit den Opfern – ausgemergelt, dunkelhäutig, schwarzhaarig – kurzen Prozess. Mit Ann nicht. Sie findet er offensichtlich derart großartig, dass er bald handzahm wird und aggressiv nur noch wird, wenn T-Rex oder überdimensionierte Fledermäuse der Blonden an die knappe Wäsche möchten. In diesem Zustand ist es der „Venture”-Crew ein vergleichsweise Leichtes, den Gorilla zu betäuben, zu vertäuen und ihn dann in New York einem erstaunten, zahlungswilligen Publikum zu präsentieren.
Schon in der Premierenaufführung des Riesengorillas geht alles schief. King Kong bricht aus seinen Ketten und zieht auf der Suche nach seiner „Geliebten” marodierend durch Manhattan …
Früher war alles besser. Vergleiche zwischen King Kong (1933) und King Kong (2005) sind also blöd. Aber natürlich stellt sich die Frage, was Regisseur Peter Jackson (Der Herr der Ringe; "The Frighteners" – 1996; "Himmlische Kreaturen" – 1992; "Braindead" – 1992) im Alter von neun Jahren getrieben haben könnte, im Anschluss an einen Besuch des Schwarz-Weiß-Films King Kong und die weiße Frau zu beschließen, Regisseur zu werden. Das behauptet er nämlich. Es muss der Drang gewesen sein, es besser zu machen, als die ruckelhafte Puppendramaturgie von einst, die er gerade gesehen hatte.
Ein halbstarker Poser-Film
Und jetzt schreit sein King-Kong-Film ununterbrochen „Ich kann es besser als alle anderen!“ – „besser, als Jurassic Park“ und also erlebt Jacksons Abenteurercrew auf der Affeninsel eine Saurier-Stampede, gegen die die Stampede in Steven Spielbergs Klassiker wie Kindergeburtstag wirkt; „besser als Godzilla“ und also inszeniert Jackson eine Monster-jagt-ein-Taxi-quer-durch-Manhattan-Szene mit solcher Rasanz, dass Emmerichs Pixel-Echse verschämt im Hudson River versinkt; „besser als Jurassic Park III“ und also kämpfen nicht zwei Monster gegeneinander, sondern Jackson lässt seinen Kong gegen gleich drei T-Rex antreten und das 20 Minuten lang; „besser als King Kong“ und also sind nicht nur – logisch – die Tricks state of the art, sondern ist auch eine Szene eingebaut, die der Legende nach Merian C. Cooper aus seinem Original wieder rausgeschnitten hat: Nachdem Kong seine menschlichen Verfolger von einem Baum in eine Schlucht geschleudert hat, werden die Seeleute dort von überdimensionierten Spinnen, Skorpionen, Moskitos und Würmern angegriffen und verspeist. Eine Szene, die den Igitt-Igitt-Faktor erhöht, den Erzählfluss aber bremst.
Riesenaffe verliebt sich in hübsche Blonde, verteidigt sie gegen andere Monster und geht schließlich daran zugrunde. An diesem Handlungsfaden hat Jackson nichts geändert, lediglich gewisse Löcher gestopft: Früher war zum Beispiel nie so recht klar, was das eigentlich für ein Film sein soll, den Carl Denham da produzieren will – mit nur einer Schauspielerin, ohne Drehbuch und ohne jede Filmcrew. Auch war nicht ersichtlich, wieso Kong eigentlich von dieser lachhaften Mauer aus Baumstämmen davon abgehalten werden sollte, jede Menge Ureinwohner der Insel zu verspeisen. Das hat Jackson alles aufgearbeitet. Aus Jack Driscoll etwa, dem ehemals Ersten Bootsmaat hat Jackson einen Drehbuchautor gemacht, die Crew um Kamermann und Toningenieur ergänzt, die allerdings im Laufe des Films beide sang- und klanglos verloren gehen.
Warum nur werden einem Vegetarier Menschenopfer dargebracht?
Die große Mauer ist für Kong 2005 erst gar nicht mehr als Hindernis vorgesehen (er haut sie einfach um), weil er ein echter Pflanzenfresser geworden ist und Menschen also nicht mehr verspeist. Im Original hat er noch den ein oder anderen zappelnden Matrosen zwischen die Hauer genommen. 2005 tut er das nicht mehr, womit dann allerdings sich auch die Fragen stellen, warum, a.), die Inselbewohner eigentlich Angst vor dem Affen haben (und nicht etwa vor den Sauriern), warum sie, b.), Kong regelmäßig Menschenopfer darbringen (und nicht etwa den Sauriern) und warum dann, c.), Kong überhaupt dem Ruf der Ureinwohner-Trommeln folgt und regelmäßig vorbeischaut.
Es gibt also leichte Veränderungen gegenüber dem Original, aber auch ganze Szenenfolgen, die Jackson unverändert übernommen hat. Es habe ihn gereizt, die 70 Jahre alte Story „mit modernster Technik neu zu erzählen“. Nichts gebe es auf der Welt, „dass diesen Mythos zerstören kann“, und im Nachhinein muss man das als Drohung verstehen: Die Liebesgeschichte zwischen Schönheit und Biest ersäuft in Streichersätzen vor orange-roten Sonnenuntergängen. Dazu legt die Blondine ihre rechte Hand ans Herz und säuselt mit tränenerstickter Stimme „Wunderschön!“. Der Gorilla schnauft zufrieden und der Zuschauer ergänzt im Stillen „Ich Kong, Du Jane!“
Szenen einer Ehe auf dem Schädelfels
Eine solch großartige Geschichte könne auch 2005 neu erzählt werden, sagt Jackson und präsentiert dem Zuschauer Szenen einer Ehe auf dem Schädelfels: Es zickt das Weib, es schmollt der Aff' und im winterlichen Central Park geht das verliebte Paar später romantisch Eislaufen.
Aber was soll's: Kino war in seinen Anfängen eine Jahrmarktattraktion, darauf ausgerichtet, den ungeübten Zuschauer mit der Faszination bewegter Bilder zu erschrecken. Ende des vorletzten Jahrhunderts reichte ein Zug, der frontal auf die Kamera und damit auf den Zuschauer zurollte, um Angst zu erzeugen. Der mit Stop-Motion-Technik durchs Bild zappelnde Riesenaffe von 1933 sollte genau dasselbe: Angst machen. Er war nichts weiter als das Erbe des Spieltriebs dieser fahrenden Filmhändler, die der Industrie ihren Namen „Movies” gaben. Heute ist das Publikum verwöhnter. Täuschend echt kämpfende und fauchende Monster aus dem Computer haben den rollenden Zug abgelöst. Und anders als mit den Menschfiguren kann Jackson mit Monsterfiguren eine Menge anfangen.
Mit Filmeffekten überfrachtete Szenen
Warum aus den 100 Minuten Original-Kong 180 Minuten werden mussten, ist nicht schlüssig nachzuvollziehen. Bis sie auf der Insel sind, ist eine Stunde, bis der Affe auftaucht, sind eineinhalb Stunden rum. Jackson überfrachtet selbst einfachste Handlungen mit Wisch-Effekten, dröhnenden Tuschs und eingebildeter Bedeutung. Wenn dann aber der Kampf Kong gegen drei T-Rex kommt, ist die zunächst unerklärliche Verlängerung vergessen. Großartig, wie der atemlosen Giga-Schlacht immer noch eins draufgesetzt wird.
Am Ende hätten 120 Minuten ausgereicht, aber ich habe mich nicht gelangweilt und bin sogar mehrfach überrascht worden. Peter Jacksons King Kong ist ein überzeugender Nachkomme seiner Vorfahren vom Jahrmarkt.
King Kong im Kino
- King Kong und die weiße Frau (1933)
- King Kongs Sohn (1933)
- Panik um King Kong – Mighty Joe Young (1949)
- Die Rückkehr des King Kong (1962)
- King Kong – Frankensteins Sohn (1967)
- King Kong (1976)
King Kong lebt (1986) - King Kong (2005)
- Kong – Skull Island (2017)
- Godzilla vs. Kong (2021)
- Godzilla x Kong: The New Empire (2024)