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Plakatmotiv: Marry Me (2022)

Gnadenloser Kitsch,
der aber funktioniert

Titel Marry Me – Verheiratet auf den ersten Blick
(Marry Me)
Drehbuch John Rogers & Tami Sagher & Harper Dill
Regie Kat Coiro, Japan, USA 2022
Darsteller

Jennifer Lopez, Owen Wilson, Maluma, John Bradley, Sarah Silverman, Chloe Coleman, Michelle Buteau, Khalil Middleton, Kat Cunning, Taliyah Whitaker, Diego Lucano, Brady Noon, Connor Noon, Ryan Foust, Léah Jiménez Zelaya, Tristan-Lee Edwards, Scarlett Earls, Olivia Chun u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 112 Minuten
Deutschlandstart
10. Februar 2022
Inhalt

Popdiva Kat Valdez und Newcomer Bastian sind das heißeste VIP-Paar der Welt und haben mit ihrer gemeinsamen Hitsingle "Marry Me" gerade die Spitze der Charts im Sturm erobert. Da ist es nur logisch, dass sie ihre Traumhochzeit möglichst öffentlichkeitswirksam und live vor einem Millionenpublikum feiern.

Auch der geschiedene Mathelehrer Charlie Gilbert wird von seiner Tochter Lou und seiner besten Freundin Parker zu diesem Megaevent gezerrt. Doch als Kat unmittelbar vor der Trauung erfährt, dass ihr Verlobter sie mit ihrer Assistentin betrogen hat, sieht sie sich gezwungen, eine spontane Entscheidung zu treffen. Als ihr Blick auf den ahnungslosen Charlie in der Menge fällt, dem seine Begleitung eben ein Transparent in die Hand gedrückt hat, auf dem in großen Lettern Kats aktueller Hit "Mary Me" steht, entscheidet sie aus einem Impuls heraus, ihn zu heiraten …

Was zu sagen wäre

So also sieht "Rosamunde Pilcher" aus, wenn nicht das ZDF für den Sonntagabend produziert, sondern Hollywood für den Welt- und Geldmarkt: Eine Göttin steigt herab vom Olymp, weil sie das Leben an der Seite eines geschiedenen Mathelehrers mit 12-jähriger Tochter ehrlicher findet, als ihr von Assistentinnen und Managern durchwuseltes Leben im Fassaden-Luxus. Eine weltweit erfolgreiche Popdiva produziert den Film und präsentiert bei der Gelegenheit als Hauptdarstellerin gleich mehrere neue Songs, die anschließend in den Popcharts nach oben gepusht werden. An ihrer Seite spielt Owen Wilson, ein leidlich prominenter Komiker (Inherent Vice – Natürliche Mängel – 2014; Grand Budapest Hotel – 2014; Midnight in Paris – 2011; Meine Frau, unsere Kinder und ich – 2010; Woher weißt du, dass es Liebe ist? – 2010; Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich – 2004; Starsky & Hutch – 2004; Im Fadenkreuz – Allein gegen alle – 2001; "Die Royal Tenenbaums" – 2001; Zoolander – 2001; Meine Braut, ihr Vater und ich – 2000; Das Geisterschloss – 1999; Breakfast of Champions – 1999; Armageddon – Das jüngste Gericht – 1998; Anaconda – 1997; Cable Guy – Die Nervensäge – 1996; Durchgeknallt – 1996), den etwas farblosen Mathematiker in einer Handlung, die eigentlich ausschließlich aus Erfolgserlebnissen besteht.

Geht eigentlich mehr Klischee als ausgerechnet einen Mathelehrer mit einer Popdiva in eine Liebesgeschichte zu bringen? Wahrscheinlich nicht, jedenfalls, wenn dieses Klischee die Handlung darstellt. Charlie, der Mathelehrer, ist geschieden. Er teilt sich mit seiner Ex-Gattin das Sorgerecht für die 12-jährige Tochter – zwei Tage hier, drei Tage da, alles ziemlich ausgeglichen. Nur: Die Ex-Ehefrau bleibt eine Ex im wahrsten Sinne. Sie taucht nicht auf; einmal bekommt sie 20 Sekunden im Bild, in denen sie die Tochter von der Schule abholt. Und wir erfahren, dass sie super gerne die Popdiva kennenlernen würde. Das will aber in diesem Film natürlich jeder und deswegen spielt der Ex-Ehefrau-Wunsch schnell auch keine Rolle mehr.

Die Konstellation erinnert natürlich an Notting Hill (1999), wo sich die glamouröse Hollywood-Diva in den etwas angestaubten Buchhändler verliebt und in der Folge zwei Welten, ach was: zwei Universen zueinanderfinden müssen. Im Vergleich zu "Marry Me" war Notting Hill ein großes Melodram. Die Ausgangssituation – Diva will in der großen Öffentlichkeit heiraten, erfährt Sekunden vor dem weltweit übertragenen Ja-Wort, dass ihr Liebster mit anderen Frauen rummacht und entscheidet sich, um die Live-Situation zu retten, für den etwas angestaubten Mathelehrer – kennen wir ja aus den Filmtrailern. Plakatmotiv: Marry Me (2022) Und wann immer von da an im Film eines der zu erwartenden Probleme auftaucht, also etwa der Manager mit Kats Eheschließung Probleme wegen des Marketing hat, die Assistentin plötzlich nicht mehr als Social-Media-Dauerbegleitung erwünscht ist, wird ein neuer Song inszeniert – die Diva allein am Klavier, die Diva auf dem Schulball kramt einen ihrer älteren Songs raus, die Diva auf YouTube mit einer Panne beim großen Stadionauftritt. Anschließend finden dann immer alle, dass der etwas angestaubte Mathelehrer und die glamouröse Popdiva doch irgendwie super zueinander passen. Bis auf den etwas angestaubten Mathelehrer.

Natürlich taucht Bastian, der puertoricanische Ex-Lover von Kat wieder auf, der charmante Latino mit dem Schmelz in der Singstimme. Und man weiß nicht, wieso, außer, dass das auch bei Rosamunde Pilcher zwanghaft so ist, fühlt sich der etwas angestaubte Mathelehrer Charlie plötzlich nicht gut genug, nicht weltläufig genug für die Glamour-Queen Kat im Angesicht dieses Latin-Lovers. Dass Kat gar keine Anstalten macht, zu dem Typen zurückkehren zu wollen, fällt Charlie, dem Mathelehrer nicht auf, auch nicht, dass der von Kat und Bastian gemeinsam performte Song "Marry Me" halt Show ist, die mit dem wahren Leben nichts zu tun hat. Im Kinosessel fällt es tatsächlich schwer, Jennifer Lopez und Kat Valdez voneinander zu trennen, nicht wegen einer schauspielerischen Glanzleistung, sondern weil Jennifer Lopez, die Latina Queen, in jeder Szene sehr präsent ist (Hustlers – 2019; "Manhattan Queen" – 2018; Parker – 2013; Ein ungezähmtes Leben – 2005; "Das Schwiegermonster" – 2005; Angel Eyes – 2001; The Cell – 2000; Out of Sight – 1998; U-Turn – Kein Weg zurück – 1997; Anaconda – 1997; Jack – 1996). Um Charlies amouröse Tumbheit ein wenig glaubhafter erzählen zu können, steht seine Tochter kurz davor, einen nationalen Mathewettbewerb gewinnen zu können, wenn sie nur ihr Lampenfieber ablegen könnte. Diese eher alltäglichen Schwierigkeiten, die der Zuschauer im Kinosessel viel besser kennt, als libidinöse Probleme zweier Weltstars, bieten der glamourösen Popdiva dann Gelegenheit, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, sich aus Jimmy Fallons "Tonight Show" abzusetzen, Termine abzusagen, in High Heils und engen Showkleidern durch halb Amerika zu stöckeln, um rechtzeitig beim Mathewettbewerb als seelische Unterstützung dabei sein zu können. Denn Familie mit irdenen Problemen ist doch was viel Schöneres, als Glamour, Stretch-Limo und Show-Schmalz.

Die ganze Sause ist ein derart verlogener Kitsch, dass im Kinosessel eigentlich Fremdscham einsetzen müsste. Spätestens als Mathelehrer Charlie mit Kat die (erwachsene) Aufsicht über den Schulball der Jugendlichen übernimmt, wofür er ein absolutes Handyverbot verhängt – was echt sympathisch wirkt, weil es doch schön ist, wenn die Diva mal abschalten kann ohne Angst vor Paparazzibildern. Aber dann steigt sie auf die Bühne und fragt: „Soll ich Euch was singen?“ Und Charlies Matheunterricht, in dem alle fleißig für diesen Wettbewerb trainieren, mischt sie mit ein paar ordentlichen Dancemoves auf und der Begründung: „Wenn ich auf der Bühne Schwierigkeiten mit einem Songtext habe, dann denke ich mir ein paar Tanzschritte aus, die noch schwerer sind zu behalten. Und schon sitzt der Text.“ Das Drehbuch will sie sympathisch und bodenständig rüberbringen? Im Mittelpunkt stehen will sie aber schon.

Kurz: abhaken. Kitschig. Verlogen. Fremdscham. Andererseits …

Andererseits ist es auch mal ganz schön, wenn man sich zwei Stunden nicht um die profansten Probleme Sorgen machen muss, weil alles genauso eintrifft, wie man sich das von Anfang an gedacht hat und dabei von Jennifer Lopez im Luxusambiente begleitet wird. Dafür muss man sich auch nicht schämen, weil es ja nicht Rosamunde Pilcher ist.

Wertung: 3 von 8 €uro
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