Vor Jahrzehnten hatte der Videospielentwickler Kevin Flynn eine Technologie entwickelt, die es ihm ermöglichte, in digitale Welten abzutauchen, in denen Daten mit Raumschiffen und anderen Gefährten transportiert werden sowie Programme in menschlicher Gestalt agieren.
Nun verspricht sich der junge Konzernchef Julian Dillinger, Enkel von Flynns einstigem Rivalen Ed Dillinger, vom umgekehrten Weg aber noch viel mehr: Er möchte intelligente Computerprogramme in die echte Welt holen, um sie dort als entbehrliche Soldaten lukrativ in Umlauf zu bringen. Sein Vorzeigemodell ist der digitale Elitesoldat Ares, der zur Zeit aber nur 29 Minuten lang in der echten Welt existieren kann, bevor er zerfällt.
Die notwendige Technologie für einen permanenten Transfer wurde einst von Flynn entwickelt und befindet sich nun in den Händen seiner Nachfolgerin Eve Kim, weshalb Dillinger Ares auf sie ansetzt …
Reboot statt Sequel. Tron von 1982 markiert einen visuellen Meilenstein in der Geschichte des Kinos – in der er dann für viele Jahrzehnte verschwand. Er thematisierte den Einfluss des Computers auf unseren Alltag lange bevor wir uns dessen bewusst wurden und war einer der ersten Spielfilme, in denen längere computergenerierte Sequenzen eingesetzt wurden. 2010 kam dann sowas wie eine Fortsetzung auf die Leinwand, die aber auch all jene adressieren musste, die lange nach dem ersten Film geboren worden waren und mit der bloßen Erwähnung des Titels nichts anfangen konnten; "Tron: Legacy" wurde also auch so eine Art Reboot. Die Welt von Tron ist zu verführerisch, um sie nicht im Kino auszubreiten: zwei Welten, unsere alltägliche und jene digitale, die sich hinter den Mattscheiben der Computerbildschirme entfaltet.
Also gab es nach 2010 neue Storyideen, erste Drehbuchentwürfe, dann gab es den Streik der Autoren in Hollywood, dann waren die Disney Studios mit diversen Studiokäufen angelenkt, dann kam Corona und wieder diffundierte die Idee eines Sequels, weil einfach zu viel Zeit vergangen ist.
15 Jahre später also der neue Anlauf, der ausbaut, was Tron: Legacy schon eingerichtet hat: Die Programme kommen in unsere Welt. Weil der Schurke des Stücks sich davon Milliardengewinne erhofft, wenn er den Militärs und Waffenproduzenten Supersoldaten im Dutzend versprechen kann.
Dumm nur, wenn dann ausgerechnet das Programm "Supersoldat" eine Fehlfunktion hat.
Diese Fehlfunktion lautet American Way of Life. "Ares" heißt das Supersoldatenprogramm. Und Ares hat US-Luft geschnuppert. ENCOM, den Konzern des Spieleerfinders Kevin Flynn, leiten heute politisch korrekt Asiatinnen, Inder und Amerikanerinnen zusammen; er steht immer noch in heftiger Konkurrenz zu Dillinger Systems, die gerade Ares auf die Welt loslassen will. Kurz: Ares zerfällt nach 29 Minuten in der realen Welt in seine Pixel. Das muss besser werden. Zur selben Zeit sind sie bei ENCOM einen Schritt weiter. Geschäftsführerin Eve Kim hat den "Persistenzcode" gefunden, der das Zerfallen der Programme nach 29 Minuten verhindert; den hatte Kevin Flynn einst in seinen Sub-Sub-Sub-Systemen versteckt – es geht also immer noch um Erfindungen aus den 1980er Jahren, als würde es ohne Kevin Flynn – damals gespielt vom noch jungen Jeff Bridges – die Gegenwart und Zukunft nicht geben.
Überraschend, innovativ, bewegend ist dieser Tron-Film nicht. Natürlich sind die Bildeffekte wieder State of the art, also auch innovativ; aber es sind Computereffekte und die werden von kreativen Designern ersonnen, nicht von Drehbuchautoren. Der Persistenzcode ist der MacGuffin des Films: Ihn wollen alle haben, er sorgt dafür, dass alle alles aufbieten, um ihn zu bekommen, weil er dauerhaftes Leben in der realen Welt verspricht. Die Ironie dabei ist, dass die Programme, die bisher unsterblich auf den Rastern ihrer jeweiligen Computerwelten lebten, mit dem Persistenzcode außerhalb des Rasters sterblich werden wollen. Und warum? Weil ein Programm, Ares, feststellt, dass sein User ihn als „perfekten, entbehrlichen Soldaten“ bezeichnet, während seine gedachte Gegnerin ihm mit Empathie begegnet.
Und schon versteht ein digitales Programm das Konzept der Menschlichkeit und will genauso werden.
Das ist hart an der Grenze zum Kitsch und wird von Jared Leto mit staunenden Augen und ansonsten sparsamem Gesichtsausdruck gespielt (Morbius – 2022; House of Gucci – 2021; Zack Snyder's Justice League – 2021; The Little Things – 2021; Blade Runner 2049 – 2017; Suicide Squad – 2016; Dallas Buyers Club – 2013; Panic Room – 2002; Requiem for a Dream – 2000; American Psycho – 2000; Durchgeknallt – 1999; Fight Club – 1999; Düstere Legenden – 1998; Last of the High Kings – 1996; Ein amerikanischer Quilt – 1995). Warum das Programm Ares von jetzt auf gleich die Seiten wechselt, erst Master Control Program des üblen Dillinger, dann sanft flirtender Sehnsüchtiger nach einem Leben als Mensch, bleibt mit „fehlerhaftes Programm“ unbefriedigend erklärt. Aber weil Ares als lernendes Programm eingeführt wird, kann man mutmaßen, dass es in seiner Eigenschaft als KI gelernt hat, nicht nur Gut und Böse voneinander zu unterscheiden, sondern auch den moralischen Unterschied zu begreifen.
Visuell den stärksten Eindruck hinterlassen – wieder – die futuristischen Motorräder, die Lichtwände aus Feststoff hinter sich bilden. Das gibt, weil es im Film häufig Nacht ist, schöne leuchtende Bänder quer durch die Großstadt. Außerdem haben jetzt auch Lanzen einfacher Soldaten diesen leuchtenden Feststoff-Effekt, was der Kampfchoreografie neue Möglichkeiten des Tanzes liefert. Das sieht in der Tat schön aus, gibt dem Film ein fertiges Aussehen. Sonst leisten sich die Autoren Jesse Wigutow und David DiGilio viel Setzkasten-Dramaturgie, in der dauernd eine Zeit abläuft, ohne dass die Geschichte sich groß entwickeln müsste. Dillinger und ENCOM wollen beide dasselbe: Computerprogramme in der realen Welt agieren lassen. Dillinger, um Soldaten zu kreieren, die ENCOM-Spitze den Hunger auf der Welt auslöschen. Mit dem "Recognizer" aus der Flynn-Erfindung "Space Paranoids", der aussieht, wie ein riesiges, fliegendes Tor, können die Filmemacher gar nichts anfangen und lassen es also ein wenig durch die nächtliche Stadt schweben und rot leuchtende Drohnen verschießen.
Am meisten Gänsehaut lösen die Szenen auf dem alten 1980er Jahre Raster aus, als Ares kurzzeitig in Flynns altem System versteckt wird und mit dem ersten Leuchtmotorrad über das sehr sparsame 2D-Feld jagt.
TRON im Kino
- Tron (1982)
- Tron: Legacy (2010)
- Tron: Ares (2025)
