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Plakatmotiv: Tron (1982)

Disney-Kosmos in
spektakulären Bildern

Titel Tron
(Tron)
Drehbuch Steven Lisberger & Bonnie MacBird
Regie Steven Lisberger, USA 1982
Darsteller

Jeff Bridges, Bruce Boxleitner, David Warner, Cindy Morgan, Barnard Hughes, Dan Shor, Peter Jurasik, Tony Stephano, Craig Chudy, Vince Deadrick Jr., Sam Schatz, Jackson Bostwick, David S. Cass Sr., Gerald Berns, Bob Neill, Ted White, Mark Stewart, Michael Sax, Tony Brubaker, Charlie Picerni u.a.

Genre Science Fiction
Filmlänge 96 Minuten
Deutschlandstart
9. Dezember 1982
Inhalt

Der Programmierer Kevin Flynn war kurz vor dem Durchbruch zur großen Karriere. Mit „Space Paranoids” hatte er das wegweisende Computergame am Start gehabt. Aber kurz vor Veröffentlichung hatte ihm Ed Dillinger die Programmcodes gestohlen, als seine ausgegeben, das große Geld für seinen Konzern ENCOM gemacht - und schließlich dessen Chefsessel bestiegen.

Seitdem ist Flynn nur noch Chef einer kleinen Spielhalle an der Ecke. Alle Versuche, Dillingers Betrug mittels seines kleinen Programms Clu aufzudecken, scheitern. Dillinger und die zentrale Steuereinheit des Großrechners der Firma, das Master Control Program (MCP), wehren alle Hackerversuche erfolgreich ab. Was keiner ahnt, und auch Dillinger gerade erst erfährt: Das MCP hat längst die Kontrolle übernommen.

Flynns Freunde, die ENCOM-Programmierer Alan Bradley und Lora wollen ihm helfen. Beide werden von Dillinger ständig ausgebremst und wittern Ungemach. Bradleys Programm TRON, das das MCP unabhängig kontrollieren soll, wurde Bradleys Zugriff entzogen. Der Plan der drei lautet also kurz: TRON aktivieren, Großrechner wieder unter Kontrolle bringen, Dillinger entlarven. Sie ahnen nicht, dass sie es längst mit einem wildgewordenen, unabhängig agierenden Master Control Program zu tun haben. Vor allem Flynn wird lernen, was das bedeutet.

Das MCP holt Flynn mittels einer neuen Lasertechnik, an der Encom gerade arbeitet, auf die Matrix des Großrechners – und damit komplett unter seine Kontrolle. Flynns einzige Hoffnung ist, TRON zu finden und ihn dazu zu bringen, seine Aufgabe als Überwachungsprogramm des MCP wahrzunehmen.

Das MCP hat aber ganz andere Pläne: Seine rechte Hand, das Programm Sark, soll Flynn an Spielen teilnehmen und dabei sterben lassen. Diese Spiele sind Computerspiele, die die User spielen – für Flynn freilich Spektakel, die an einen futuristischen Circus Maximus gemahnen. Plötzlich steht er mörderischen "Space Paranoids" gegenüber, die er einst selbst ersonnen hat.
Während eines dieser Spiele trifft Flynn auf TRON und kann mit ihm fliehen. Auf der Flucht werden sie getrennt und machen sich jeder für sich auf den Weg zu einem Terminal, mit dessen Hilfe die Programme Kontakt zu ihren Usern aufnehmen können. Dabei entdeckt Flynn nach und nach, dass er als User in der Computerwelt praktisch gottgleiche Kräfte besitzt, die es ihm erlauben, die Naturgesetze jener Welt nach Belieben zu manipulieren.

Aber der Herrscher dieser Matrix ist immer noch das allmächtige MCP und sein Handlanger Sark …

Was zu sagen wäre

Ein abgefahrener Film. Sehr fantasievoll. Ich habe zu viel meiner gymnasialen Oberstufenzeit in der Spielhalle zugebracht; die in Köln am Ring heißt Magic Hall. Eine Spielrunde, eine Mark. Am Bildschirm, mit Joy Stick in der Hand konnte ich als Indiana Jones irre Abenteuer auf einem Abenteuerpfad nachspielen, ich habe auf mich einstürzende Asteroiden vernichtet und Space Invaders in 8-Bit-Optik vom Himmel geblastert, bei PacMan die Grenze zur Unendlichkeit geschafft, dahin, wo das Programm keine neuen Level mehr bereit hält und man also wieder von vorne anfängt.

Die Spiele in der Magic Hall haben mich mein direktes Abitur gekostet – ich brauchte eine Nachprüfung zwei Monate später, um vollwertig ins Leben entlassen werden zu können – manche Nerven und die ein oder andere D-Mark. Mir war nicht klar, was sonst noch. Das erklärt mir Steven Lisberger in seinem innovativen und visionären Film. In seiner Vision sind all die Figuren, die ich da an den verschiedenen Spielautomaten gespielt habe, eigene Programme, die ergeben das tun, was ich, der User, von ihnen verlange – laufe links, schieße, laufe rechts. Innerhalb des Bildschirms aber – des Kastens –, auf den ich während des Spiels starre, existiert ein eigener Kosmos mit eigenen Machtverhältnissen und irgendwo verbirgt sich das Master Control Program, also die Zentrale Steuereinheit, die all die elektronischen Befehle, die ich mit meinem Joy-Stick absende, in die richtigen Bahnen lenkt.

Es sei denn, das Master Control Program macht sich selbstständig und übernimmt die Kontrolle. Und wenn es schon mal dabei ist, greift es über das Netzwerk in der Spielhalle gleich auf alle Spiele, alle Programme, alle Entscheidungen zu. Und schaltet den menschlichen Faktor aus; das MCP will die ultimative Macht an sich reißen. Was für eine verspielte, kolossal verrückte, grandiose Fantasie steckt in dieser Idee!

Tritt man einen Schritt zurück, erkennt man: "Tron" ist eine erzählerische Weiterentwickung des Filmklassikers Colossus von 1970, in dem Joseph Sargent den Schwanengesang auf den modernen Computer anstimmte. Damals sollte ein Großcomputer, getauft "Colossus", die westliche Menschheit vor der atomaren Vernichtung durch die Russen bewahren. DVD-Cover: Tron Colossus erkannte, dass er das nur erfüllen kann, wenn er sich mit seinem russischen Pendant verbindet und den menschlichen Faktor ausschaltet – sprich: die Weltherrschaft übernimmt. In "Tron" passiert im Grunde genommen dasselbe. Nur handelt es sich um einen Disney-Film und also geht es nicht um Atombomben, sondern um Spiele, wie die in jener Kölner Magic Hall, an denen ich so viele Geldstücke verdaddelt habe – die elektronischen Spaßbereiter erzeugten Suchtpotenzial, hatten also eine gewisse Macht über mich, meine Zeit und … mein Geld.

In Steven Lisbergers Vision unter der Oberaufsicht der Walt Disney-Studios geht das so: Ein Schurke klaut die Multimillionen-Dollar-Idee für ein Computerspiel und wird damit reich und mächtig. Tatsächlich hat ihm erst das Master Control Program (MCP), über das die Spielewelt gesteuert werden soll, den alleinigen Zugriff auf diese wertvolle Welt ermöglicht und das MCP hat dort längst die Macht übernommen. Jene Computerwelt, einst ein bunter Schauplatz fröhlichen Datenaustauschs, ist zu einem dunklen Ort geworden, Programme, die sich gegen das MCP erheben, werden umgehend gelöscht. Da gehen zwei alte, einfache Ideen eine bizarre Verbindung ein: die Welt der bösen Fee aus zahlreichen von Disney adaptierten Märchen mit der Welt moderner Computer. Angedickt mit ein wenig Religion. Die Programme raunen untereinander ehrfürchtig über die Existenz der User, die hier einen Gottähnlichen Status haben; einen User in dieser Welt zu sehen, zu treffen, gar zu berühren ist für ein Programm die, nun ja, Erfüllung.

Darüberhinaus ist die Story typisch für einen Disneyfilm: Unschuldiges Opfer, allmächtiger Usurpator, ein dunkles Königreich, das am Ende wieder in allen Farben strahlt – das Ganze halt jetzt innerhalb eines Computers wie bei mir in der Spielhalle; in der zeitgleich zum Filmstart ein entsprechendes Game, "Tron", aufgestellt worden ist. Es irritiert, es zu spielen, ohne daran zu denken, dass darin, auf der anderen Seite des Bildschirms, ein … Eigenleben wütet.

Regisseur Steven Lisberger war mit der Idee lange schwanger gegangen. 1975, noch als einfacher Student am Massachussetts Institute of Technology (MIT), hatte er eine 17-minütige Präsentation von Computeranimationen für Werbezwecke erlebt und zum ersten Mal das Computerspiel PONG gespielt. Lisberger dachte an eine Geschichte, die in einem Computer spielen sollte, angelehnt an Spartacus, einen seiner Lieblingsfilme. "Tron" ist einer der ersten Spielfilme, in denen längere computergenerierte Sequenzen eingesetzt wurden. Insgesamt machen diese etwa 15 bis 20 der 96 Filmminuten aus.

Es sind keine klassischen Zeichentricksequenzen wie jüngst in Cap und Capper. Die Trickzeichnungen in "Tron" sind mit einem Computerprogramm erstellt worden. Da schweben riesige Löschportale durch eckige Grafiken, wie wir sie aus dem Game "Asteroids" kennen, gigantische Mutterschiffe fliegen durch einen Schild, der sie für immer ausradiert. Die Programme auf diesem digitalen Spielbrett – Menschen in futuristischen Kostümen – erstrahlen durch die neu entwickelte Backlit Animation. Dabei werden die Schauspieler und Teile der Szene zunächst in schwarz-weiß abgefilmt. Jedes einzelne Bild wird dann mit sehr hohem Kontrast vergrößert und mit weiteren Folienschichten überlagert, mit fotografischen Techniken bearbeitet, coloriert und retuschiert. Wie beim klassischen Animationsfilm wird auf diese Weise Bild für Bild zusammengesetzt und abfotografiert, wobei das Licht, der Name des Verfahrens deutet es an, in diesem Fall auch von hinten durch das Bild strahlt, was bisher ungekannte Leuchteffekte ermöglicht.

Was "Tron" fehlt, ist sowas wie eine menschelnde Story. Der Held, Flynn, liebt das Mädchen, das heute mit dem Erfinder des Programms TRON zusammen ist und weil sich die Geschichte zumeist auf der digitalen Ebene des Computerspiels bewegt, spielt dieser mögliche Dreiecks-Konflikt keine Rolle – Computerprogramme lieben nicht; dass sie sich zwischenzeitlich mal heftig küssen, ist eine etwas hilflose Ranschmeiße an den Zeitgeist. Auf der reinen Erzählebene passiert tatsächlich nicht viel; dieser Film besticht durch seine visuelle Aufbereitung und seine, ja, tatsächlich: die Grenzen der Vorstellungskraft sprengende Idee.

"Tron" ist nur mühsam auf seine Kosten gekommen. 17 Millionen US-Dollar hat der Film gekostet. 33 Millionen hat er weltweit eingespielt. Zusammen mit "Tron" ist E.T. - Der Außerirdische in den Kinos angelaufen. Der Erfolg dieses Films (mit einer sehr menschelnden Story) hat die visionäre Kraft dieser Disney-Produktion unter sch begraben.

<Nachtrag1998>Mit jeder Diskussion, bei der ich die simple Struktur "Trons" in den 1990er Jahren gegen höhnische Computer-Nerds verteidigen musste, wächst meine Achtung für den Film und mein Blick auf das Werk. "Tron" war 1982 einen Schritt voraus. Der Film konzentriert sich auf sein Bild, nutzt eine hausbackene Story, um zu experimentieren. Kino ist – in erster Linie – ein Erzählmedium, das über das Visuelle kommuniziert.</Nachtrag1998>

Wertung: 9 von 9 D-Mark
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