Sam Flynn ist ganz der Vater: Ein Genie am Computer. Das ist vielleicht sein Vermächtnis, denn sein Vater Kevin ist vor 20 Jahren verschwunden. Spurlos.
Sam wuchs bei den Großeltern auf, während Alan Bradley das Unternehmen ENCOM in Kevins Geist führte. Bis er vom Vorstand entmachtet wurde, der weit kommerziellere Interessen verfolgt, als Kevin und Alan. Sam selbst, der als Erbe immer noch die Mehrheit am Konzern hält, interessiert sich nichts fürs Geschäft und sabotiert die wirtschaftlichen Interessen der ENCOM-Usurpatoren, wo immer er kann. Und Sam kann viel.
Alan, der sich ein wenig als Sams Ersatzvater versteht, redet dem jungen Mann immer wieder ins Gewissen, aber erst, als er mit einer „Nachricht Deines Vaters“ kommt, weckt er Sams Interesse. Angeblich hat sich Kevin gemeldet. Auf Alans Pager. Es kam aus Flynns alter Spielhalle im Stadtzentrum. Dort entdeckt Sam eine verborgene Tür …
… und sich selbst bald wieder in der gleichen Welt von kämpferischen Programmen und Gladiatorenspielen, die sein Vater vor bald 30 Jahren erstmals besucht hatte. Und er findet Clu, das von Kevin geschaffene Programm, einst ersonnen, um das Master Control Programm auszuhebeln, heute auf dem Weg, die Herrschaft der Computer zu etablieren – hatte Kevin Flynn, sein Schöpfer, ihn nicht so programmiert: „Erschaffe die perfekte Welt”?
Auf der Flucht vor den mörderischen Programmen Clus trifft Sam auf seinen alt gewordenen Vater, der versteckt in den Randbezirken des Computers das Leben eines Zen-Mönches lebt. Zusammen mit Quorra, Kevins treuer Vertrauten, nehmen Vater und Sohn eine lebensgefährliche Reise durch das Cyber-Universum auf sich, das viel weiter entwickelt und äußerst gefährlich ist, um Clu zu stoppen und den infizierten TRON aufzuhalten.
Sam, Kevin und Quorra brauchen den Diskus von Kevin, um dieser Welt zu entkommen, denn nur auf dem Diskus von Kevin Flynn ist der Masterkey enthalten, um diese Welt zu verlassen …
Eine Fortsetzung von Tron? Oder doch eine Neuverfilmung? "Tron 2.0" sozusagen – das allerdings schon als Game existiert. Storyaufbau und Dramaturgie beider Filme, zwischen denen 28 Jahre liegen, gleichen sich nahezu wie ein Ei dem anderen. Die Optik allerdings. Wow – da erkennt man im neuen Film jedes der 28 Jahre einzeln.
Story platt, Bildtechnik up to date
Also wie gehabt: Story platt, die religiösen Anspielungen diesmal etwas derber und allgemeingültiger (Anfang der 80er durften Hollywood-Autoren noch den christlichen Glauben feiern, heute braucht's stets Andeutungen auf all die anderen Religionen, die in der Welt sind), die Bildtechnik hingegen up to date.
Ähnlich wie Steven Lisberger im Vorgänger legt auch Regisseur Joseph Kosinski auf die Story keinen gesteigerten Wert – Kosinski kommt aus der Werbung, aus einem Gewerbe, in dem man in 30 Sekunden eine Geschichte erzählen können muss, für komplexe Verschachtelungen ist da kein Platz. So sieht dann auch "Tron: Legacy" aus. Solange die Geschichte in unserer Welt spielt, plätschert eine Dramaturgie dahin, die einem Freitagabendkrimi im ZDF zur Ehre gereichte. Schnell werden einige Computergimmicks gezeigt, der geldgierige ENCOM-Vorstand mit Dialogzeilen veralbert, die schon in den 1980er Jahren aus Drehbüchern gestrichen wurden und die Überlegenheit Sams in Bits und Bytes mit einem Coup unterstreichen, der so unverständlich wie egal ist.
Aber darum geht es ja auch nicht.
Auf dem digitalen Raster geht die visuelle Post ab
Kaum befindet sich die Handlung auf dem digitalen Raster, geht die visuelle Post ab. Weite Ebenen, Rennen auf Light-Bikes über drei Ebenen, elegante Kämpfe mit leuchtenden – und tödlichen – Frisbees, eine blauschwarze Welt ohne Grenzen. Und Jeff Bridges in Original (alt) und Erinnerung (jung). Er spielt wieder den Kevin, den er vor 29 Jahren schon gespielt hat – heute mit esoterisch grauem Bart (Männer, die auf Ziegen starren – 2009; Iron Man – 2008; The Door in the Floor – 2004; Rufmord – Jenseits der Moral – 2000; Arlington Road – 1999; The Big Lebowski – 1998; Liebe hat zwei Gesichter – 1996; White Squall – Reißende Strömung – 1996; Spurlos – 1993; König der Fischer – 1991; "Die fabelhaften Baker Boys" – 1989; Tucker – 1988; Starman – 1984; Tron – 1982; Heaven's Gate – 1980; King Kong – 1976; Mr. Universum – 1976; Die Letzten beißen die Hunde – 1974; Die letzte Vorstellung – 1971). Und er spielt Clu, jenes Programm, dass Kevin Flynn damals schrieb und das damals so aussah wie er. Clu übernimmt im neuen Film die Rolle des Usurpatoren, die im ersten Film das Master Control Programm inne hatte. Clu erträgt keine Unvollkommenheit, sieht im Menschen die Quelle aller dieser Unvollkommenheit und will folglich die Welt des Spielerasters und die reale Welt nach seiner Perfektion gestalten; das MCP brauchte damals noch einen menschlichen Handlanger. Clu braucht nur noch den Schlüssel für ein entsprechendes Portal in unsere Welt – das ist in etwa das Drama des neuen Films.
Clu sieht auch heute noch aus, wie Kevin Flynn vor 29 Jahren. Bei der Verjüngungskur aus dem Computer haben die Pixelkünstler aus dem eigentlich ausdrucksstarken Mimen zwar einen Plastic Joe gemacht. Dennoch läuft es dem interessierten Kinogänger, für den solche Computertechnik immer noch Wow ist, kühl den Rücken runter. Nicht mehr lange, und das Alter eines Schauspielers oder einer Schauspielerin spielt wirklich keine Rolle mehr – George Lucas soll sich kürzlich die Filmrechte an einigen toten Hollywood-Stars gesichert haben, schreibt die SZ im Januar 2011.
"Tron: Legacy" ist eine visuelle Reise durch meinen Kinokosmos seit den 1960er Jahren. Da gibt es den weißen Raum mit alten Möbeln aus der Schlusssequenz von Kubricks 2001, da gibt es die gigantischen Hallen aus den alten James Bond-Filmen, die Klon-Krieger aus Star Wars, da wird die Musik der BATMAN-Filme von Christopher Nolan zitiert … und natürlich jeder Vater-Sohn-Konflikt, den das Kino überhaupt je hervorgebracht hat.
Klasse Soundtrack
Die Musik, sofern sie nicht allzu sehr an Zimmers und Horners BATMAN-Motive erinnert, ist ein Akteur für sich, Die französischen Musiker von Daft Punk haben einen Stilmix aus 1980er-Jahre-Disco und 21-Jahrhundert-Sound hinbekommen. Der Soundtrack ist schon gekauft.
Die Darsteller sind, wie einem Projekt dieser Preisklasse meistens, schön anzuschauen und tapfer im Kampf gegen die moderne Filmtechnik, die immer seltener eine Originalkulisse braucht. Jeff Bridges, der zwischenzeitich mit einem OSCAR geadelt worden ist (Hauptrolle in "Crazy Heart" – 2010), bewegt sich souverän durch sein Reich und wirkt angemessen abgehoben. Seine junge … ja, was eigentlich … Gespielin? Partnerin? Dienerin? … jedenfalls "Quorra" wird gewohnt würzig von Olivia Wilde ("O.C. California", "Dr. House") interpretiert und Sam schließlich … Garrett Hedlund, der Patroclus in Wolfgang Petersens Troja (2004) wird sicher noch den ein oder anderen Auftritt in Filmen haben, die hübsche junge Männer mehr brauchen, als echte Schauspieler.
"Tron: Legacy" ist ein visuell berauschender Trip, der ledigich die Frage offen lässt, wozu er 3D braucht. Diese moderne Applikation zieht überhaupt nicht. Die Welt im Computer ist auch in 2D schon tief designed – die Brillenfassung offenbart, dass auf die zusätzliche Dimension nur aus marketingtechnischen Gründen Rücksicht genommen worden ist.
Für diese Fassung der Legende stand Joseph Kosinski ein Produktionsbudget von rund 170 Millionen Dollar zur Verfügung – also das zehnfache dessen, was das Original gekostet hat. Eingespielt hat der Film dann weltweit 400 Millionen Dollar.
Der Vorgänger
- Tron (1982)