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Plakatmotiv: Spurlos (1993)

Ein Film, in dem die harten Kerle ohne
die tatkräftige Frau sehr tot aussähen

Titel Spurlos
(The Vanishing)
Drehbuch Todd Graff
nach dem Roman "Spurlos" ("Het Gouden Ei") von Tim Krabbé
Regie George Sluizer, USA 1993
Darsteller

Jeff Bridges, Kiefer Sutherland, Nancy Travis, Sandra Bullock, Park Overall, Maggie Linderman, Lisa Eichhorn, George Hearn, Lynn Hamilton, Garrett Bennett, George Catalano, Frank Girardeau, Stephen Bridgewater, Susan Barnes, Rich Hawkins, Michael Kaufman, Sabrena Roddy, Andrea Lauren Herz u.a.

Genre Drama, Horror
Filmlänge 109 Minuten
Deutschlandstart
1. Juli 1993
Inhalt

Es sollte ein ganz normaler Sommerausflug werden: Diane und Jeff wollen das Katastrophengebiet um Mount St. Helens besuchen. Aber wie das so ist, erst kommt ein kleiner Streit, dann die große Versöhnung und der Schwur ewiger Treue. Diane geht nur noch schnell in den Getränkeshop an der Tankstelle – und kehrt nie wieder zurück. Die Polizei kann den Fall nicht aufklären, so dass Jeff allein weiterforscht.

Drei Jahre später lernt er Rita Baker kennen, die seine neue Freundin wird. Trotzdem ist er gleichzeitig noch immer auf der Suche nach seiner vor drei Jahren verschwundenen Freundin, von der er sich noch immer nicht lösen kann. Rita gegenüber verheimlicht er dies, bis sie schließlich selbst herausfindet, dass ihr Freund noch immer den Spuren von Diane nachgeht.

Wenig später meldet sich bei Jeff der Chemielehrer Barney Cousins und behauptet, seine Fragen über das Verschwinden von Diane beantworten zu können. Die Antworten auf alle seine Fragen soll Jeff jedoch nur dann erhalten, wenn er dazu bereit ist, dasselbe zu durchleben wie einst Diane …

Was zu sagen wäre

Das Plakat verkauft seinen Film mit zwei Kerlen des US-Kinos: Kiefer Sutherland und Jeff Bridges. Dabei spielen die beiden im Drehbuch nur unterstützende Nebenrollen. Die eigentliche Heldin ist die Frau, die auf dem Plakat an dritter Stelle steht.

Der niederländische Regisseur George Sluizer, der hier seinen eigenen Thriller "Spurlos verschwunden" aus dem Jahr 1988 mit US-amerikanischen Mitteln neu verfilmt, stellt eine Frau, Rita, in den Mittelpunkt. Ohne ihre Hartnäckigkeit würde die Geschichte ein unangenehmes, ja depressives Ende nehmen. Eine Heldin ist, abgesehen von James-Cameron-Filmen, in denen immer Frauen die starken Charaktere sind, sehr selten im zeitgenössischen Hollywood-Kino. Ihre Motivation ist die Liebe: Rita liebt den verzweifelt nach seiner Diana suchenden Jeff und begibt sich daraufhin in große Gefahr, um ihn zu retten. Damit bleibt das Hollywood-Kino am Ende doch bei der althergebrachten Erzählung der Frau, die ohne den Mann nicht leben mag – sie begibt sich auf die Suche, weil sie den Mann liebt. Die Motivation Jeffs, den Kiefer Sutherland ohne große Tiefe spielt (Eine Frage der Ehre – 1992; Flatliners – Heute ist ein schöner Tag zum Sterben – 1990; "Blaze of Glory" – 1990; Young Guns – 1988; Die grellen Lichter der Großstadt – 1988; The Lost Boys – 1987; Stand by Me – 1986), ist seine Besessenheit, begründet in der Tatsache, dass ihm jemand seine Freundin geklaut hat; dass er die nach zehn Filmminuten verschwundene Diane auch liebt, kommt erst an zweiter Stelle. Plakatmotiv (US): The Vanishing (1993) Und wir im Kinosessel folgen dem Film, weil wir – wie Jeff – wissen wollen, was mit Diane, die so bezaubernd lächelt, geschehen ist. "Spurlos" beinhaltet also Spurenelemente weiblicher Selbständigkeit, bewegt sich dann aber doch weniger über weibliche Emotionen als über männlichen Forschungsdrang vorwärts.

Die Ausgangssituation ist einfach. Ein Paar auf Urlaubsreise. Es gibt einen blöden Streit. Der ist irgendwann beigelegt, beide küssen sich wieder und strahlen sich an – hier macht Sluizer uns zu seinen Komplizen, weil wir sehen, dass Diane wieder ganz bei Jeff ist, also auf gar keinen Fall, wie die Polizei später insinuiert, einfach abgehauen sein könnte. Und im nächsten Moment ist Diane verschwunden, wie aus der Welt radiert.

Im Bildhintergund hatten wir kurz vor dem Verschwinden noch diesen Typen mit dem Arm im Gips wahr genommen. Mit ihm, dem augenscheinlich psychisch gestörten Täter, beginnt aber Sluizer seinen Film. Das ist gemein, weil wir im Kinosessel darauf programmiert sind, dass die Figuren, die einen Film eröffnen, unsere Hauptfiguren, die Sympathieträger sind. Und im vorliegenden Fall wird diese Figur ja auch noch verkörpert von Jeff Bridges, einem echten charming Man (König der Fischer – 1991; "Die fabelhaften Baker Boys" – 1989; Tucker – 1988; Starman – 1984; Tron – 1982; Heaven's Gate – 1980; King Kong – 1976; Mr. Universum – 1976; Die Letzten beißen die Hunde – 1974; Die letzte Vorstellung – 1971)! Und ausgerechnet der entpuppt sich als menschliches Monster.

"Spurlos" entzieht sich der gängigen Happy-End-Dramaturgie schon durch die Besetzung von Nancy Travis ("Chaplin" – 1992; "Air America" – 1990; Internal Affairs – Trau' ihm, er ist ein Cop – 1990; Die Mafiosi-Braut – 1988), die die neue Freundin von Jeff, Rita, spielt und eben keine Zählkandidatin markiert, die geht/stirbt, wenn Diane wieder da ist. Genau wie Jeff geraten wir im Kinosessel in einen Loyalitätskonflikt, weil wir natürlich Diane lebend wiedersehen wollen, gleichzeitig aber wissen, dass dann Rita aus Jeffs Leben (unserem – für zwei Stunden – Kinoleben) verschwindet. Mit dieser Ambivalenz hält uns Sluizer bis zum Showdown in den Sessel gedrückt.

Wertung: 8 von 10 D-Mark
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