Als wäre das Leben nicht schon auch so eine Mühe, jetzt kommen auch noch Militärs runter auf die "Deepcore". Die Besatzung der kommerziellen Tiefseestation muss sich wohl oder übel fügen. Ein Atom-U-Boot ist verloren gegangen. Die Umstände des Vorfalls sind mehr als rätselhaft. Das US-Militär will es gerne zurückhaben – schon der atomaren Sprengköpfe wegen. Aber auch, um rauszukriegen, ob die Russen hinter dem Unglück stecken. Das U-Boot ist abgesackt – einige hundert Meter in die Tiefe.
Hier kommt "Deepcore", die Tiefseestation, ins Spiel, die hier unten arbeitet. Sie soll den Spezialtauchern der Marines als Basis dienen. Dass der Anführer der Marines so tief unter dem Meeresspiegel durchdreht, erleichtert die Situation nicht. Ausgerechnet hier unten taucht etwas Unbekanntes auf. Das heißt, man weiß es nicht so genau. Lindsey behauptet, „etwas gesehen” zu haben – kann aber nicht sagen, was und glaubt sich selbst nicht so recht. Zumal hier unten Bud Brigman das Sagen hat, der nicht zufällig denselben Nachnamen trägt wie Lindsey.
Sie, Lindsey, ist gerade dabei, sich von ihm, Bud, scheiden zu lassen. Da ist es schwer, sowas zu sagen wie „Ich habe einen Engel gesehen!” Aber genau das hat Lindsey gesehen: einen Engel …
Ein hemmungsloser Gruß an die wahre Intelligenz, die – irgendwo da draußen – existieren muss; anders wäre das Leben doch nicht zu ertragen. James Cameron zeigt gerne breitbeinig, was er hat und kann (Aliens – 1986; Terminator – 1984; Piranhas II – Fliegende Killer – 1981). Wahrscheinlich ist es gar kein Zufall, dass „Bud” Brigman mit seinem wahren Vornamen, „Virgil”, nur einen Buchstaben entfernt ist von „viril” (=„männlich”). Bei Cameron dürfen Frauen und Männer gleichberechtigt nebeneinander ihren Mann stehen. Und sie liegt ihm am Ende zu Füßen, weil er eben doch noch einen Schritt heldenhafter war, als sie. Und selbstverständlich siegt am Ende der Bauch über den Kopf, das Gefühl über den Verstand. „The Abyss” ist Camerons Sehnsucht nach dem großen Bruder, der die bessere Welt aus der Tasche holen wird.
Cameron dreht gerne lange Filme, zweieinhalb-Stunden-Filme. Notfalls verlängert er im Nachhinein, für eine nochmalige Auswertung bereits erschienener Filme. Es gibt Langfassungen von Terminator 2 – Tag der Abrechnung (1991) und Aliens – Die Rückkehr. Jedesmal rundeten die actionarmen Szenen Figuren oder Handlungsstränge ab. Bei „The Abyss” ist das anders: Die zuvor wirre und naiv-träumerische Mär von pinkfarbenen Aliens in lustigen Raumfähren bekam durch die 30 Minuten an zusätzlichen Bildern und Szenen eine neue Qualität, die den Film in ein erzählerisches Gleichgewicht bringen. Rückblickend betrachtet ist der Film – im Gegensatz zu den zeitlosen Terminator- und Alien-Figuren – eher ein Produkt jener 1980er Jahre mit ihrem Glauben an das fröhliche Anything Go. Im Umfeld des Filmstarts wurde zurecht die Film-Trick-Technik hervorgehoben, Camerons virtuoses Handwerk beschrieben. Die Story selbst ist in ihrer Naivität etwas anstrengend.
Die ursprüngliche Kino-Version dauerte circa 137 Minuten und unterdrückte dabei sowohl die Charakterisierung einiger Nebenrollen als auch die Nebenhandlung des über der Wasseroberfläche schwelenden Konflikts der atomaren Supermächte. 1993 wurde daher die überarbeitete, revidierte Fassung mit einer Laufzeit von nun 164 Minuten veröffentlicht, die heutzutage als Finalversion gilt.
Diese sogenannte Special Edition beseitigte mehrere Unklarheiten der kürzeren Fassung und macht die Motivation der Unterwasserwesen im Finale um einiges schlüssiger.