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Plakatmotiv: The Flash (2023)

Eine fröhliche Reise durch die
Probleme des modernen Helden

Titel The Flash
(The Flash)
Drehbuch Christina Hodson
mit den DC-Charakteren von Harry Lampert & Gardner Fox & Robert Kanigher & Carmine Infantino & Jerry Siegel & Jon Shuster & Bob Kane & Bill Finger & William Moulton Marston
Regie Andy Muschietti, USA, Kan., Aus., NZ 2023
Darsteller

Ezra Miller, Michael Keaton, Sasha Calle, Michael Shannon, Ron Livingston, Maribel Verdú, Kiersey Clemons, Jeremy Irons, Antje Traue, Saoirse-Monica Jackson, Rudy Mancuso, Temuera Morrison, Sanjeev Bhaskar, Sean Rogers, Kieran Hodgson, Luke Brandon Field, Ian Loh, Karl Collins u.a.

Genre Comicverfilmung
Filmlänge 144 Minuten
Deutschlandstart
15. Juni 2023
Inhalt

Gerade hat Barry Allen alias The Flash mal wieder gemeinsam mit Batman, Wonder Woman und der restlichen Justice League eine Katastrophe verhindert, doch trotzdem ist der blitzschnelle Superheld unglücklich: Ständig kommt er aufgrund seines Doppellebens zu spät zur Arbeit und auch sein Vater sitzt weiterhin unschuldig hinter Gittern, weil er vor vielen Jahren Barrys Mutter getötet haben soll.

Als Flash zufällig feststellt, dass er mit seiner Supergeschwindigkeit sogar durch die Zeit reisen kann, inspiriert ihn seine Jugendliebe Iris West zu einer folgenschweren Reise in die Vergangenheit: Barry verhindert zwar den Tod seiner Mutter und die Verhaftung seines Vaters, trifft aber auch auf sein jüngeres Ich.

Und wie er schon bald feststellen muss, hat er durch seine Taten eine neue Realität erschaffen, in der ein in die Jahre gekommener Batman der einzige Superheld ist. Einen Superman gibt es nicht – und dummerweise trifft genau jetzt der skrupellose Kryptonier General Zod auf der Erde ein …

Was zu sagen wäre

Mann, hätte ich doch bloßhätte ich nur damalswenn ich nur die Zeit zurückdrehen könnte! Dann würde alles besser werden und ich endlich glücklich. Bis auf all die anderen Sachen, die sich aufgrund meiner klitzekleinen Änderung in der Folge dann auch ändern und möglicherweise Katastrophen ungeahnten Ausmaßes auslösen. Von der Manipulation der Zeit, das wissen aus dem Science-Fiction-Kino seit den 1950er Jahren, sollten wir die Finger lassen. Es sei denn, man ist Comicverleger. Dann bietet die Manipulation reichhaltige Gelegenheit, längst Erzähltes immer wieder neu zu erzählen, nur ein bisschen anders, weil sich jetzt alles in einer Parallelwelt abspielt. Das Multiversum, bei nebenan MARVEL schon länger ein Zentrum für allerlei Unruhe, hat jetzt auch im Kino der DC-Superhelden angedockt. In der Comicvorlage "The Flash" spielt das Multiversum schon einige Jahre eine dramaturgisch hervorgehobene Rolle, weil der rote Flitzer derart schnell ist, dass er den Zeitstrahl überholen kann – in beide Richtungen. "The Flash" ist also ein Zeitreise-Film. Aber einer, der die DC-Comicverfilmungen aus ihrem depressiven Loch befreit. Der Film hat Charme. 

Ein junger Held soll ausführlicher beleuchtet werden. Flash, der superschnelle Held, jagt seit 2015 in mittlerweile neun Staffeln durch eine eigene TV-Serie und seit 2016, mit anderem Darsteller, durch das DC Extended Universe. Heute ist Flash der Teenager in der Heldentruppe der Justice League. In seinen Anfängen, als es seine Abenteuer noch nur gezeichnet gab in Panels einzelner Comics, war er ein genauso erwachsener Kerl, wie all die anderen Superhelden. Das ist Vergangenheit. Irgendwann hat Flash die Rolle des Praktikanten im Heldengeschäft der alten Männer übernommen; das hatte mit Spider-Man bei der Marvel-Konkurrenz ja schon klasse funktioniert. Dort gibt der Milliardär Iron Man den Ersatzvater, hier ist Ester Milliardär Batman, der Barry Allen mit dem nötigen Equipment und dem strategischen Training ausstattet.

Jetzt aber muss sich der Held emanzipieren, muss erwachsen werden, eigene Entscheidungen treffen; im weitesten Sinne ist "The Flash" also ein Coming-of-Age-Drama. Der noch junge Held will seine Eltern wiederhaben – in der aktuellen Welt wurde seine Mutter von einem Einbrecher ermordet und sein Vater als deren Mörder hinter Gitter gebracht. Die erste Entscheidung, die Barry Allen trifft, ist die, nicht auf seinen Ziehvater Bruce Wayne zu hören: „Unsere Narben machen uns zu dem, was wir sind. Wir sollen nicht zurückgehen und das in Ordnung bringen.“ Indem er gegen alle Warnungen in der Zeit zurückreist, begeht er den Vatermord, der in der Literatur immer wieder die Emanzipation des Helden forciert, gleichzeitig aber größtes Unheil auslöst. Zwar kann Barry das tragische Schicksal seiner Eltern ungeschehen machen, aber in der neuen Realität ist Batman ein alter Zausel, der sich als Bruce Wayne längst in seinen Landsitz zurückgezogen hat – und aussieht, wie Michael Keaton (Morbius – 2022; Dumbo – 2019; Spider-Man: Homecoming – 2017; The Founder – 2016; Spotlight – 2015; Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) – 2014; RoboCop – 2014; Jack Frost – Der coolste Dad der Welt! – 1998; Jackie Brown – 1997; Schlagzeilen – 1994; William Shakespeares Viel Lärm um nichts – 1993; Batmans Rückkehr – 1992; Fremde Schatten – 1990; Batman – 1989; Beetlejuice – 1988; She's Having a Baby – 1988), der den Batman Ende der 1980er Jahre unter Tim Burtons Regie gegeben hat; hier beschreiten die Warner-Studios den Recyclingweg, den SONY und Disney schon bei ihrer kurzzeitigen Spider-Man-Kooperation gegangen sind, bei der plötzlich alle bisherigen Spider-Man-Darsteller in der Geschichte auftauchen. Warner/DC haben aus der Not eine Tugend gemacht: Ben Affleck hatte ohnehin schon verkündet, den Batman nicht mehr geben zu wollen. So ist Batman tot (oder woanders), es lebe der neue, alte Batman – der im Schlussbild auch schon wieder weg ist (oder tot) und durch George Clooney ersetzt ist, der den Fledermausmann 1997 in Batman & Robin gab.

Der Coming-of-Age-Teenager muss sich, nachdem er seinen Vater ausgeschaltet hat, nun mit seinem eigenen Ich auseinandersetzen, denn er ist bei seinen Zeitreisen nicht exakt gelandet und steht plötzlich seinem vier Jahre jüngeren Ich gegenüber, mit dem er sich arrangieren muss. Dieses jüngere Ich ist ein nervtötend dauerplappernder Junge. Er ist das, was der reale Barry in den Augen der erwachsenen Helden in den vorherigen Filmen war. Barry muss sich also auch von sich selbst emanzipieren, was nicht ganz einfach ist, denn Barry verliert seine Speed Force, die der jüngere Barry gleichzeitig gerade bekommt und total geil findet. Das ist "Coming of Age", zerlegt in dramaturgische Bilder.

Warner Bros. als Rechteinhaber versuchen seit einiger Zeit schon, ihre Comichelden in eine lebendigere Umgebung zu bugsieren. Als Zack Snyder noch die Fäden in der Hand hielt, galt die Devise: Die Helden sind allesamt spaßbefreite, traumatisierte Kerle mit Superkrafthintergrund. Der wirtschaftliche Erfolg an den Kinokassen hielt sich in Grenzen, während die Marvel-Helden gleichzeitig die Milliarden einsackten. Deswegen musste Snyder gehen. Superheld Flash ist nun einer, der sein Leben dramatisch sieht, aber mit Humor: „Ich habe immerzu Reste von Insekten zwischen den Zähnen“, klagt er. Plakatmotiv: The Flash (2023) Gleichzeitig wagt sich Regisseur Andy Muschietti in das Dilemma von Zeit und Raum, ohne sich von Snyder'scher Ernsthaftigkeit ausbremsen zu lassen. Barry stürzt sich in die Verknotungen von Zeit und Raum, bringt dort allerlei durcheinander, was Michael Keatons Bruce Wayne dem Zuschauer dann anhand von Spaghetti erläutert, erst mit ungekochten gradlinigen, dann mit einem Haufen gekochter, quer über- und untereinander her schlängelnden: „Wenn Du die Vergangenheit veränderst, erzeugst Du eine Art Drehpunkt. Du begibst Dich auf einen völlig anderen Spaghetti-Strang. Neue Zukunft, neue Vergangenheit.“ – was ns Chaos auf dem Spaghettiteller mündet.

Muschietti legt von Beginn an einen lockereren Tonfall an. Nach fünf Filmminuten muss Flash mehrere abstürzende Neugeborene aus einem einstürzenden Krankenhausflügel retten. Da karikiert Muschietti das ewige Superhelden-Dilemma, aus unmöglicher Position heraus alle – zudem noch unschuldige Babies – retten zu müssen. Das packt er in, zwar CGI-überladene, aber amüsante Bildfolgen. Flash stöhnt über diese „Baby-Dusche“, die im englischen Sprachgebrauch ("Baby-Shower"), eine Party meint, bei der Väter die Geburt ihres Nachwuchses fröhlich mit Freunden begießen. Diese fröhliche Albernheit gibt den Ton für die weiteren 140 Minuten vor.

"The Flash" ist unterhaltsames Superheldenkino mit lustigen Tritten in die Weichteile – in einer alternativen Realität etwa hat Eric Stolz die Hauptrolle in Back to the Future gespielt; Eric Stolz (Pulp Fiction – 1994), der in jungen Jahren immer der weniger charmante Zwilling von Michael J. Fox war. Als Flash durch die Zeit jagt, bekommen wir mehrere alternative Realitäten vorgeführt. Da steht plötzlich Superman dargestellt von Christopher Reeve oder Batman dargestellt von Adam West. Eine weitere dargestellte Superman-Variante zeigt jene aus dem nie umgesetzten Film von Tim Burton, in dem Nicholas Cage den Stählernen hätte spielen sollen. In diesem Film hätte Superman am Ende eine riesige Spinne bekämpfen sollen, was wir hier in einer Szene dann auch erleben.

Der Film spielt mit dem Dilemma aller Superhelden, die es jeweils nur gibt, weil sie einen speziellen Moment in der Zeit getroffen haben – Ermordung der Eltern, Blitzeinschlag im Chemielabor, Biss einer radioaktiven Spinne etc.. Sie alle leiden an diesem Moment, können ihn aber nun auch nicht mehr ändern: ”Ein alter Mann, der viele Fehler gemacht hat“, sagt Bruce Wayne zu Barry Allen, „rät Dir, leb' nicht Deine Vergangenheit, leb' Dein Leben. Lass Deine Tragödie Dich nicht definieren!“ „Vielleicht soll sie mich ja definieren“, insistiert Barry, „Deine Tragödie hat Dich zum Helden gemacht.“ „Und auch sehr einsam“, haucht Bruce. 

Der Hype, den das Superheldenkino seit 2008, als Marvels Iron Man in den Kinos startete, entfachte, ist vorbei. Wir haben uns satt gesehen an omnipotenten Weltenzerstörern, die dann von omnipotenten Heldengruppierungen doch in ihre Schranken gewiesen werden können. Mit "The Flash", der sich noch für eine Büchse Tomaten ins Unheil stürzt, hat das Superheldengenre eine Nachspielzeit errungen. Überraschungen freilich sollten wir im Bilderrausch des Multiversum keine mehr erwarten.

Wertung: 5 von 8 €uro
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