Ein bolivianischer Ex-Präsident schneidet bei den Umfragen zu seiner Wiederwahl sehr schlecht ab und engagiert eine versierte Gruppe amerikanischer Berater unter der Leitung der zwar schwer angeschlagenen, aber immer noch genialen Strategin Calamity Jane Bodine.
Jane bekam ihren Spitznamen vor ein paar Jahren durch einen Skandal, der sie tief erschütterte – sie stieg aus der Branche aus. Dass sie sich jetzt dennoch für die neue Kampagne engagieren lässt, hat allein mit ihrem Erzfeind zu tun, Pat Candy, der inzwischen für die bolivianische Opposition arbeitet. Endlich bekommt Jane die Chance, Candy zu schlagen.
Aber Candy kennt Janes wunde Punkte privat und im Wahlkampf genau. Sie stürzt in eine Krise. Aber Krise ist ja schließlich ihr Geschäft …
Eigentlich haben wir genug Filme gesehen, in denen abgebrühte, zynische Spin Doctors einen halbseidenen Kandidaten zum Präsidenten von irgendwas machen und uns, dem Zuschauer, damit den Spiegel vorhalten; sowas wird mittlerweile in TV-Serien wie „Scandal“ im Wochenrythmus durchgehechelt.
Es ist vielleicht ganz gut, dass die Geschichte, die irgendwie auf irgendwelchen wahren Begebenheiten aus dem Jahr 2002 beruhen soll, in Bolivien spielt. Das gibt wenigstens neue Schauwerte – nichts gegen Washington D.C., aber die schmierige Verlogenheit im medialen Weißen Haus hat dasselbe längst mit eitrigem Gelb überzogen. Es ist ganz sicher sehr gut, für die Hauptrolle der Wahlkämpferin Sandra Bullock engagiert zu haben. Der ewige Darling aller Kinonationen (Gravity – 2013; Taffe Mädels – 2013; Extrem laut & unglaublich nah – 2011; Blind Side – Die große Chance – 2009; Selbst ist die Braut – 2009; Das Haus am See – 2006; Miss Undercover 2 – 2005; L.A. Crash – 2004; Ein Chef zum Verlieben – 2002; Mord nach Plan – 2002; Miss Undercover – 2000; Die Jury – 1996; Das Netz – 1995; Während du schliefst – 1995; Speed – 1994; Demolition Man – 1993) darf hier, angefeuert von der dünnen bolivianischen Hochgebirgsluft, kaputt durch die Straßen stolpern, persönliche Dämonen bekämpfen und Chips in sich hineinstopfen; während sie, natürlich erfolgreich, diesen Wahlkampf deixelt, unter anderem, weil sie Goethes „Faust“ studiert. Was zunächst wie eine plumpe Metapher auf Sie-schließt-einen-Pakt-mit-dem-Teufel wirkt – den sie durchaus schließt – endet in einer sehr hübsch boshaften Pointe. Billy Bob Thornton, ihr Gegenspieler, spielt nicht mehr; er spult seinen Part so gelangweilt ab, als sei er beleidigt, dass er sich die Haare hat abschneiden lassen müssen.
„Our Brand is Crisis“ schwankt zwischen schriller Farce und pessimistischem Thriller. Seine Protagonisten bewegen sich einer aseptischen Welt fernab der Wähler, in denen sie lediglich das zu verführende, zu täuschende Stimmvieh erkennen. Sie werfen sich historische Erkenntnisse aus 2000 Jahren Wahlkampf um die Ohren und stellen fest: „Mein Einfluss auf meinen Kandidaten endet mit dem Wahlsieg!“
Unterm Strich steht ein unterhaltsamer Film, der die gängigen Wahlkampf-ist-Verkaufe-Zynismen in bolivianischen Farben erzählt. Dem Film steht ein sympathischer Supporting Cast zur Verfügung und fünf Minuten zwischen Wahlsieg und Abspann, die der runtergerockten Hauptfigur (und damit dem Film) endlich den Boden schenkt, der die ganze Zeit gefehlt hat.
Und Sandra Bullock hat‘s echt drauf.
Die Rolle der Jane Bodine war für einen Mann geschrieben und von George Clooney anvisiert. Der hatte sich bereits 2007 mit seiner Produktionsfirma Smoke House die Rechte an der Polit-Dokumentation „Our Brand Is Crisis“ von Rachel Boynton gesichert. Diese Doku dreht sich um den konservativen Präsidentschaftskandidaten Gonzalo Sánchez de Lozada, der 2002 Washingtoner Strategen nach Bolivien holte.
Als Jane Bodine musste Oscar-Preisträgerin Bullock einen der schlechtesten US-Kinostarts ihrer Laufbahn einstecken.