Biopic über Apple-Mitbegründer Steve Jobs. Das Leben des 2011 verstorbenen Visionärs wird nicht von Geburt bis zum Tod behandelt, sondern es stehen die Ereignisse hinter den Kulissen dreier Produktpräsentationen im Mittelpunkt, den Präsentationen von Macintosh (1984), NeXT (1988) und iMac (1988).
Der Mac geht auf die Idee zurück, einen Computer für jedermann zu kreieren und zu verkaufen. Doch schnell gibt es erste Konflikte zwischen Jobs und einem der anderen Apple-Gründer, Steve Wozniak. Von der Marketing-Chefin des Mac, Joanna Hoffman, bekommt Jobs ordentlich Kontra, er und Apple-CEO John Sculley liefern sich einen Machtkampf.
Beruflich erlebt der ebenso herrische wie visionäre Jobs ebenso Turbulenzen wie privat. So weigert er sich zunächst, seine Tochter Lisa anzuerkennen, die er mit Ex-Freundin Chrisann Brenna hat …
„Wer Visionen hat, sollte einen Arzt aufsuchen!“ … Ein gar köstliches Bonmot des nicht zu widersprechenden Altkanzlers Helmut Schmidt – in 98 Prozent der Fälle hatte er damit auch sicher Recht. Danny Boyles Film feiert jene zwei Prozent, deren Vision die Gesellschaft verändert hat, deren Vision aber auch andere Menschen gequält hat. Verändert hat es die Gesellschaft der anonymen Menge, gequält hat es die Menschen in unmittelbarer Umgebung des Visionärs.
Aaron Sorkin, Hollywoods Edelfeder
Das klingt so klebrig, wie der Film leicht hätte werden können, ein Film über The Steve, der der Legende nach im Aufzug ihm unbekannte Angestellte fragt, was sie in seinem Unternehmen machen, und wenn die nicht binnen weniger Augenblicke eine plausible Antwort formuliert haben, sind sie gefeuert? Das wird wahlweise eine Heldensaga oder eine Moritat. Es wird keins von beidem – das Drehbuch schließlich stammt von Aaron Sorkin, der nicht zufällig als Hollywoods „Edelfeder“ gilt (Moneyball – 2011; the social network – 2010; „Der Krieg des Charlie Wilson“ – 2007; Hallo, Mr. President – 1995; Malice – Eine Intrige – 1993; Eine Frage der Ehre – 1992).
Das ist ein fantastischer Film. Und es ist Sorkins Film. Regisseur Danny Boyle (Trance – Gefährliche Erinnerung – 2013; „127 Hours“ – 2010; 28 Days Later … – 2002; Trainspotting – 1996), Oscar-Preisträger (Slumdog Millionär – 2008), gibt sich alle Mühe, das austarierte Script nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, der Dramaturgie Sorkins nicht im Weg zu stehen – das macht er prima.
Maschinengewehrdialoge und die Kunst des Halbsatzes
Sorkin erzählt keine authentische Historie; es ist ihm wurst, ob sich die Szenen vor jenen Produktpräsentationen ähnlich oder genau so oder gar nicht so zugetragen haben – wahrscheinlich gar nicht. Sorkin erfasst den Charakter des technologischen Erneuerers und Menschenfeindes, den Walter Isaacson eindrücklich in seinem Buch beschrieben hat, über seine präzisen Dialoge, die sich auch hier gegenseitig über Zeitgrenzen hinweg überschneiden, denen die Kamera kaum folgen kann – Sorkin hat die Kunst des Maschinengewehrdialogs während der Arbeit an seiner TV-Serie „The West Wing“ perfektioniert, hat darüber aber nicht verlernt, dass es die Halbsätze sind, die ganze Szenen beherrschen.
Zu Beginn, vor der Präsentation des ersten Macintosh, als das Gerät plötzlich nicht mehr Hallo sagen möchte, herrscht Jobs seinen Chefprogrammierer an, er möge das in den kommenden 12 Minuten gefälligst hinbekommen, Gott habe schließloich die ganze Welt in nur sieben Tagen erschaffen. „Ja, richtig“, ätzt da Andy Hertzfeld, „und wann wirst Du uns verraten, wie Du das angestellt hast?“ Jobs weist ihn nicht zurück, der Gottvergleich gefällt ihm offenbar, wenn er ihn auch vor der zweiten Präsentation präzisiert, als ihm sein Kompagnon aus alten Garagentagen, Steve Wozniak, vorhält, er, Jobs, könne nichts – er sei kein Designer, kein Programmierer, kein Handwerker: „Richtig“, bestätigt ihn Jobs, die Programmierer seien Meister, die ihre Instrumente spielen, er aber spiele das Orchester, habe den Überblick über das Große Ganze und zaubere den einzigartigen Klang hervor. Dabei will Jobs – auch das lapidar per Nebensatz konstituiert – nichts weniger sein als ein Gott. Gott schuf den Menschen. Jobs will den Menschen verbannen. Er träumt von einer Maschine in einem geschlossenen System – er will den menschlichen Faktor, der aus seinen Erfindungen „Autoradios, Fotoapparate oder Funkgeräte“ macht, minimieren; seine Maschine soll so perfekt sein, das kein Mensch daran denkt, daran etwas ändern zu wollen – und deshalb soll er gar nichts ändern können.
Die Kunst, ein Arschloch zu lieben
Menschen sind Steve Jobs unheimlich. Und die Menschen in seiner Umgebung geben ihm allen Grund dazu, so zu denken. Sorkins Script und Michael Fassbenders Spiel in der Rolle des Steve Jobs sympathisieren mit der Figur, lassen keinen Zweifel an der Erzählperspektive. Wenn Jobs die wahrscheinliche Mutter seiner wahrscheinlichen Tochter kalt mit Geld abserviert, finden wir Zuschauer das vielleicht seltsam; aber nur, weil wir sowas im Kino kaum gewöhnt sind, schon gar nicht, wenn wir das Leben eines anerkannten Genies verfilmt sehen. Wir Zuschauer haben zwar keine Ahnung von Algorithmen, aber wenn Jobs seiner ehemaligen Geliebten entgegenschleudert, der genetischen Wahrscheinlichkeit nach zu urteilen kämen als Vater ihrer Tochter 28 Prozent aller Amerikaner in Frage, dann glauben wir seine Sichtweise. Das macht diesen Film so faszinierend. Wir müssen kein mutmaßliches Arschloch hinterfragen, wir dürfen einer auf Konsens und Quartalgewinne fixierten Gesellschaft ihre Fehler ins Gesicht schleudern.
Zu einem solchen Schwergewicht als Protagonisten braucht es einen kraftvollen Antagonisten. Kate Winslet gibt als Jobs‘ Marketingfrau Joanna eine großartige Performance, eine der besten in ihrer erstaunlichen Karriere (Die Bestimmung – Insurgent – 2015; Die Gärtnerin von Versailles – 2014; Labor Day – 2013; Contagion – 2011; Der Gott des Gemetzels – 2011; „Der Vorleser“ – 2008; Das Spiel der Macht – 2006; "Vergiss mein nicht" – 2004; Enigma – Das Geheimnis – 2001; Titanic – 1997; Sinn und Sinnlichkeit – 1995). Sie erdet die Titelfigur, formuliert die Menschlichkeit, die Jobs zwar offenbar in sich trägt – die Beziehung zu seiner Tochter kratzt gegen Ende gefährlich nahe am Hollywood‘schen Kitsch (kommt dann aber dank Boyles umsichtiger Regie ohne Schrammen davon) – aber nicht zu zeigen in der Lage ist. Erst Winslet als humanistisches Energiebündel gibt Fassbender den Freiraum, als gleichsam autistischer Maschinist durch Steve Jobs Visionen zu stromern.
Sorkin, Boyle, Fassbender (Macbeth – 2015; Slow West – 2015; X-Men: Zukunft ist Vergangenheit – 2014; The Counselor – 2013; 12 Years a Slave – 2013; Prometheus – Dunkle Zeichen – 2012; Haywire – Trau' keinem – 2011; "Shame" – 2011; X-Men: Erste Entscheidung – 2011; Inglourious Basterds – 2009), Winslet – da haben sich vier Richtige gefunden.