IMDB

Plakatmotiv: Moonfall (2022)

Klassische Emmerich-Apokalypse
mit Melodram und knuffigem Helden

Titel Moonfall
(Moonfall)
Drehbuch Roland Emmerich & Harald Kloser & Spenser Cohen
Regie Roland Emmerich, USA, Chi., UK, Can. 2022
Darsteller

Halle Berry, Patrick Wilson, John Bradley, Charlie Plummer, Michael Peña, Carolina Bartczak, Zayn Maloney, Ava Weiss, Hazel Nugent, Chris Sandiford, Jonathan Maxwell Silver, Eme Ikwuakor, Stephen Bogaert, Maxim Roy, Ryan Bommarito, Kathleen Fee, Donald Sutherland, Frank Schorpion u.a.

Genre Action, Abenteuer, Science Fiction
Filmlänge 130 Minuten
Deutschlandstart
10. Februar 2022
Website moonfall.movie
Inhalt

Eine mysteriöse Kraft reißt den Mond aus seiner Umlaufbahn. Es bleibt nicht viel Zeit, um die Kollision mit der Erde zu verhindern. Während NASA-Offizierin Jo Fowler nach einem Ausweg sucht, hat ihr in Ungnade gefallener Ex-Kollege Brian Harper mit Familien-Problemen zu kämpfen.

Als der Astro-Experte und Verschwörungstheoretiker K.C. Houseman an Harper herantritt, wird dieser aber nicht nur auf die drohende Katastrophe aufmerksam, sondern sieht sich auch mit seiner Erfahrung aus einer früheren Weltraum-Mission bestätigt: Irgendwas stimmt ganz und gar nicht mit dem Mond – und das abgesehen davon, dass der Erdtrabant die Erde zu zerstören droht. 

Inzwischen regnet es auch schon riesige Mondbrocken auf die Erde und als Jo Fowler mit ihrem NASA-Team nicht mehr weiterkommt, holt sie kurzerhand Brian und K.C. ins Boot. Gemeinsam setzen sie die Puzzle-Stücke rund um das Mond-Mysterium zusammen und brechen zu einer waghalsigen Mission ins All auf, um den Untergang der Welt zu verhindern …

Was zu sagen wäre

Dies ist ein Film für die verkannten Genies, die ihr Dasein besser wissend über Büchern oder unterm Sternenzelt verbringen. Auf dem Plakat stehen zwar vorne Halle Berry, die alle kennen (James Bond – Stirb an einem anderen Tag – 2002), und Patrick Wilson, der im letzten Roland-Emmerich-Film Midway (2019) gespielt hat und King Orm in den Aquaman-Filmen ist. Aber die eigentliche Hauptrolle spielt John Bradley. Den wahrscheinlich nur die kennen, die "Game of Thrones" verfolgt haben und diesen dicken, freundlichen, intelligenten Mönchsschüler Samwell Tarly mochten.

In "Moonfall" spielt John Bradley einen dicken, freundlichen, intelligenten Verschwörungsmythologen. Der Recht behält. Eine Art Neffe des verkannten Wissenschaftlers, den James Spader in Emmerichs Stargate (1994) spielt. Seine Theorie, der Mond sei eine "Megastructure", eine gigantische Hülle, bewahrheitet sich. Deshalb, weil er eben keines natürlichen Ursprungs ist, fällt der Mond nach Milliarden Jahren im Orbit jetzt auf die Erde. Das ist im Film etwas komplexer und wird ausdauernder erklärt, macht aber einen wesentlichen Reiz des großen Finales aus, deshalb soll die Kurzversion an dieser Stelle reichen: Im Mond ist was drin. Das verrät schon der Trailer und auch im Film ist das bald allen Zuschauern klar, nur offenbar nicht dem Militär und der NASA, weswegen Brian Harper, Astronauten-Held und gespielt von Patrick Wilson (The Commuter – 2018; The Founder – 2016; "Conjuring – Die Heimsuchung" – 2013; Prometheus – Dunkle Zeichen – 2012; Young Adult – 2011; Morning Glory –2010; "Insidious" – 2010; Das A-Team – Der Film – 2010; Watchmen: Die Wächter – 2009) in Ungnade fällt und zum Ex-Helden wird, der wohl, das verrät eine einsame Flasche Bier, die er sich aus dem Kühlschrank holt, heute zu viel trinkt.

Roland Emmerich ist als Filmemacher zu seinen Wurzeln zurückgekehrt (Midway – Für die Freiheit – 2019; Independence Day: Wiederkehr – 2016; White House Down – 2013; Anonymus – 2011; 2012 – Das Ende der Welt – 2009; "10.000 BC" – 2008; The Day After Tomorrow – 2004; Der Patriot – 2000; Godzilla – 1998; Independence Day – 1996; Stargate – 1994; Universal Soldier – 1992; Moon 44 – 1990; Hollywood Monster – 1987; Joey – 1985; "Das Arche Noah Prinzip" – 1984): Er zerstört die Welt. Also zumindest beinahe. Der Mond fällt in Ellipsen Richtung Erde, was ihm – und Emmerich – reichlich Möglichkeiten gibt, die Erde scheibchenweise zu zerstören und zwischendrin handelnde, fliehende, brandschatzende und kernige Sätze aufsagende Menschen – „Wenn Sie falsch liegen, dann gnade Ihnen Gott!“ „Dann gnade Gott uns allen!“ – unterzubringen. Zu Beginn ist es nur langsam steigendes Meerwasser, das Los Angeles Land unter setzt, später werden Gebirgsketten überflutet, Stürme schleudern Güterzüge durch die Luft, die Anziehungskraft des Mondes saugt Scheunen, Traktoren und Wälder in den Himmel und Gesteinsbrocken jagen in Manhattans Skyline und lassen – soviel ausgleichende Gerechtigkeit wird erlaubt sein – allein den markanten Tower des World Trade Center (WTC 1) unberührt stehen. Nicht nur diese Asteroidenszene über Manhattan erinnert an bald ein Viertel Jahrhundert zurückliegende, selige Armageddon-Zeiten (1998), als Bruce Willis sein Leben gab, um die Welt zu retten und seiner Tochter eine Zukunft an der Seite von Ben Affleck zu geben.

Auch in "Moonfall" fliegen ein paar Unerschütterliche ins All, um die finale Katastrophe noch per Megatonnenbombe abzuwenden. Das ist aber – die Welt ist kein Kindergeburtstag mehr wie noch 1998 – nichts Heroisches mehr mit Fanfaren in der neuesten Space-Shuttle-Generation und einem ganzen NASA-Stab im Kontrollzentrum. Heute holen ein paar Verzweifelte ein ausrangiertes Space Shuttle aus dem Museum. Das ist verbeult und ein paar Wutbürger haben sich schon mit Sprühfarbe daran ausgetobt, „Screw the Moon!“ Der NASA-Chef hat sich seine Familie geschnappt und, wie der Rest der privilegierten Menschheit, in verborgene Bunker abgesetzt, der US-Präsident, die europäischen, russischen und chinesischen Staatenlenker spielen überhaupt keine Rolle mehr, die US-Generalität hat feuchte Hände, weil sie endlich ihre Atomraketen auf ein Ziel abfeuern dürfen, wobei sie einen angemessen grimmen Gesichtsausdruck aufsetzen, die 99 weniger bis gar nicht privilegierten Prozent der Menschheit plündern und überfallen sich gegenseitig auf der Jagd nach dem letzten Quäntchen Sicherheit. Anfeuerungsreden mit Blut, Schweiß und Tränen, die mit „… werden wir den strahlenden, neuen Tag begrüßen!“ enden, hält 2022 keiner mehr. Das stolz flatternde Stars-and-Stripes-Pathos, das früher durch Emmerichs Filme, zuletzt in Midway, wogte, hat in "Moonfall" keinen Platz mehr. In dieser Gemengelage klauben die neue NASA-Chefin, der Astronauten-Ex-Held und der dicke Verschwörungsmystiker ihre Rechenstäbe zusammen, besteigen das museumsreife Shuttle und fliegen der Weltenrettung entgegen. Plakatmotiv: Moonfall (2022) Für das menschliche Drama auf der Erde zwischen fliegenden Eisenbahnwaggons und feurigen Meteoriten sorgen die engeren Verwandten der NASA-Chefin und des Astronauten. Beide sind geschieden, leben in Patchworkkonstellationen, was nicht nur zeitgemäß ist, sondern dem Drehbuch auch ein paar Nebenher-Konfliktlinien ermöglicht, während das Drama sich noch entwickeln muss – „Fang nicht wieder damit an“-Situationen, Vater-Sohn-Konflikte, gestörte Vorbildfunktionen. Die Charaktervielfalt des Emmerichschen Schaffens ist begrenzt, aber sein Optimismus beruhigend, dass auch wenn die Welt in Schutt und Asche liegt, das Handynetz noch funktioniert.

Familienmelodram als Kitt zwischen Apokalypse-Bildern, vermengt mit gesellschaftspolitischem Kommentar. Roland Emmerich ist zu seinem eigenen Genre geworden, bei dem es nicht mehr darum geht, dass man weiß, was man für die Kinokarte kriegt, sondern, dass man die Karte kauft, weil man die Emmerich-Apokalypse sehen will. Solche Filme sind teuer. 140 bis 150 Millionen Dollar, so die Schätzungen, wird Emmerich verfilmt haben. Viel billiger war sein Untergangsszenario The Day After Tomorrow mit geschätzten 125 Millionen auch nicht. Das war 2004. Berücksichtigt man die Inflation seit damals, wäre "The Day …" heute kaum für unter 190 Millionen US-Dollar zu machen, so gesehen ist "Moonfall" ein Schnäppchen. Hollywood ist fantasieloser geworden, was solche Spektakelfilme angeht. Würde Emmerich einen kostümierten Superhelden durch die Greenscreen fliegen lassen, hätte ihm sicher ein potentes Studio gerne 300 Millionen geboten. „Sony und Universal wollten es beide haben“, erzählte er gerade der Süddeutschen Zeitung. „Wir haben uns für Universal entschieden, aber die hatten zu der Zeit zwei große Science-Fiction-Filme gemacht, die beide den Bach runtergingen, danach wurden sie nervös.“ Er hat für den Film schließlich auf der Filmmesse in Cannes Finanziers gefunden, auch aus China. Was den fehlenden Stars-and-Stripes-Pathos und die nette chinesische Nebendarstellerin Wenwen Yu erklärt, von der man lange nicht weiß, ob sie die Geliebte der von Halle Berry gespielten NASA-Chefin ist ("Bruised" – 2020; John Wick: Kapitel 3 – 2019; Kingsman – The Golden Circle – 2017; X-Men: Zukunft ist Vergangenheit – 2014; The Call – Leg nicht auf! – 2013; Cloud Atlas – 2012; Happy New Year – 2011; X-Men: Der letzte Widerstand – 2006; "Catwoman" – 2004; Monster's Ball – 2001; Passwort: Swordfish – 2001; X-Men – 2000; Bulworth – 1998; Einsame Entscheidung – 1996; Flintstones: Die Familie Feuerstein – 1994; Last Boy Scout – 1991), oder doch eher eine Art Au Pair für deren Sohn. Und was vielleicht auch die in manchen Szenen billigen Bildeffekte erklärt. Ausgerechnet in einfachen Person-steigt-aus-Auto-und-geht-aus-dem-Bild-Szenen, also nicht in den Spektakelbildern überschwemmter Städte, sieht der Film aus wie eine Vorabendserie, alles im kleinen Studio vor grüner Wand gedreht; der passende Hintergrund wird später rein kopiert, mach's aber bitte nicht unnötig teuer!

Man guckt Emmerich-Apokalypse-Filme zum Beispiel, weil man in der Pandemie der mikroskopisch kleinen Viren (Anfang 2022 rollt die "Omikron-Wand" durch Deutschland) Lust auf großen Wumms mit Bigger-than-Life-Bildern hat und keinesfalls über die sehr weit hergeholte Grundthese eines hohlen Mondes debattieren möchte. Für die notwendige, nunja: Erdung der Bigger-than-Life-Bilder sorgen schon Emmerichs Melodramen darin. Die uns zeigen, wie dünn der Firnis unserer Zivilisation ist, die wir immer hochhalten. So schnell, wie die Massen in diesem Film jede Zurückhaltung verlieren und zuschlagen, geht das sonst nur auf Twitter. Wenn das Ende der Welt droht, zieht man also besser den Kopf ein und hofft nicht auf einen Erlöser. Die Themen "Pandemie" und "Klimawandel" hängen über diesem Apokalypsefilm, wie der Mond über der Erde in diesem Apokalypsefilm. Das Thema "Weltuntergang" im allgemeinen läuft gerade gut in der Unterhaltungsindustrie. Auf Netflix läuft seit Weihnachten viel diskutiert die Satire Don't Look Up! In der fliegt ein Meteorit auf die Erde, den viele schlicht nicht zur Kenntnis nehmen wollen – Was ich nicht sehe, existiert auch nicht. Hier ist es der Mond. Dessen Absturz die Menschen im Film hätten verhindern können, oder zumindest hätten sie Vorsichtsmaßnahmen treffen können. Hätten sie nur einmal auf die als Verschwörungsmystiker gebrandmarkten dicken, freundlichen, intelligenten Wissenschaftler gehört.

Hier kommt John Bradley in den Text zurück, der den sehr knuffigen Hobbywissenschaftler K.C. Houseman spielt, der mit seinen wissenschaftlichen Thesen und seriös zusammengestellten Beobachtungen nur Junkies und Obdachlose in seine Vorlesungen lockt und dann mit sehr großen Augen alle seine Träume erfüllt bekommen wird. Letztes Jahr gab es in Godzilla vs. Kong so eine ähnliche Kassandra-Figur. Auch der hörte damals keiner zu, bis es fast zu spät war. Das kann man als künstlerischen Zeigefinger der Kommerzregisseure sehen: Hört zu! Schaut hin! Und wenn wir das "Moonfall"-Kino also verlassen, schauen wir sicher nicht nach oben, ob uns der Mond schon ein bisschen näher auf die Pelle gerückt ist. Aber an den kleinen, dicken Sympathikus, der als lustiger Sidekick besetzt wurde und sukzessive zur Hauptfigur avanciert, weil er Recht hatte und das eher staunend zur Kenntnis nimmt, denken wir noch eine Weile. Vielleicht haben die jungen Klimawarner, die uns allwöchentlich in den Fernsehnachrichten und Talkshows begegnen, ja einen Punkt, wo manche Volksvertreter nur die verborgenen Bunker ihres altersbedingt überschaubaren Restlebens ansteuern.

Wertung: 4 von 8 €uro
IMDB