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Plakatmotiv (US): Die Jungs im Boot (2023)

Eine historisch verbürgte
Ode an den Rudersport

Titel Die Jungs im Boot
(The Boys in the Boat)
Drehbuch Mark L. Smith
nach dem Roman "Das Wunder von Berlin" von Daniel James Brown
Regie George Clooney, USA 2023
Darsteller
Joel Edgerton, Callum Turner, Peter Guinness, Sam Strike, Thomas Elms, Jack Mulhern, Luke Slattery, Bruce Herbelin-Earle, Wil Coban, Tom Varey, Joel Phillimore, James Wolk, Hadley Robinson, Courtney Henggeler, Chris Diamantopoulos, Glenn Wrage, Edward Baker-Duly, Adrian Lukis u.a.
Genre Drama, Historie
Filmlänge 123 Minuten
Deutschlandstart
28. März 2024 (Streaming)
Inhalt

Seattle, Washington in den Jahren der großen Depression: Die Menschen finden keine Arbeit, haben kein Dach mehr über dem Kopf, verlassen ihre Kinder, um in der Ferne ihr Glück zu versuchen. Joe Rantz ist so ein zurückgelassener Sohn. Seit er 14 ist, schlägt er sich alleine durch, hat es bis an University of Washington geschafft.

Aber jetzt sind die Studiengebühren fällig und Joe ist blank. Gemeinsam mit Roger Morris, der in einer ähnlichen Situation ist, bewirbt er sich daher für das Ruderteam der Universität, da dies mit einem Job und Unterkunft verbunden ist. Der unter großem Druck stehende Trainer Al Ulbrickson gibt ihnen eine Chance, braucht er doch unbedingt starke Männer, um es bis zu den Olympischen Spielen zu schaffen.

Gegen alle Erwartungen zeigt sich das Team der Konkurrenz der Eliteuniversitäten als überlegen und qualifiziert sich schließlich für die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1936 in Nazi-Deutschland …

Was zu sagen wäre

Diese Geschichte schreit nach einer Verfilmung in Hollywood. Erstaunlich, dass das zehn Jahre gedauert hat. Die dem Film zugrundeliegende Buchvorlage. die eine wahre Geschichte erzählt, kam 2013 auf den Markt. Es ist die Geschichte des US-amerkanischen Ruderachters, der bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin die favorisierten Briten, Italiener sowie die hochfavorisierten Nazideutschen schlägt und olympisches Gold holt.

Es ist die Geschichte von Underdogs aus dem abgelegenen nordwestlichen Winkel der Vereinigten Staaten, den wir heute als die Geburtsstätte des Grunge und der Konzerne Microsoft und Amazon kennen; aber damals war Washington einfach totes Waldland ohne Arbeit und ohne Perspektive. Und die Ruderer der University of Washington waren das belächelte Kanonenfutter für die Cracks der University of California und der Penstate im Osten. Und der anstehende Held ist einer, den die Universität gerade rausschmeißen will, weil er die Studiengebühren nicht begleichen kann – kein Geld, keine Berechtigung; das ist die andere Richtung des American Way of Life, die es in solchen Filmen gilt, umzudrehen. 

Das ist soviel Underdog in dieser "Wahren Geschichte", dass man als Zuschauer aus der Gänsehaut kaum mehr raus kommt. Schon der Buchautor Daniel James Brown, der die Geschichte für seinen Roman aus Erzählungen und Notizen zusammenrecherchierte, hatte sich gewisse dramaturgische Freiheiten genommen, den Jungs im Boot Gedanken in den Kopf gedichtet, die sie wahrscheinlich später einmal, lange nach Olympia 36 formuliert haben. Und George Clooney als Regisseur nimmt sich diese Freiheiten auch (Suburbicon – 2017; Monuments Men: Ungewöhnliche Helden – 2014; The Ides of March – Tage des Verrats – 2011; Good Night, and Good Luck. – 2005; Geständnisse – Confessions of a Dangerous Mind – 2002), um reinstes Americana zu erzählen. Der Trainer ist ein knurriger Betonkopf, dem das Lächeln schwer fällt und im Finale aus dem Lächeln gar nicht mehr rauskommt; Joel Edgarton spielt ihn als Motivator (The Green Knight – 2021; Red Sparrow – 2018; Exodus: Götter und Könige – 2014; Der große Gatsby – 2013; Zero Dark Thirty – 2012; The Thing – 2011; Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith – 2005; Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger – 2002), der sich darauf verlassen kann, dass ihm die rechten Worte immer im richtigen Moment aus dem Mund purzeln.

Die Hauptfigur im Boot, Joe Rantz, ist ein wortkarger, strebsamer guter Junge mit blondem Haar, gespielt von Callum Turner, der sich über die Spieleverfilmung Assassin's Creed (2016) und den Theseus Scamager in den Phantastische Tierwesen-Filmen in dieses Boot gespielt hat und in seiner Bescheidenheit und Zielstrebigkeit ein Sympathieträger ersten Ranges ist, dem eine blonde Mitstudenten, augenscheinlich aus besserem Hause, unablässig auf den Fersen bleibt.

Es ist kein Film für Freunde nägelbeißender Spannung. Der Film erzählt eine historisch verbürgte Heldentat, die über zwei Bootsrennen, die gewonnen werden müssen, nach Olympia-Berlin führt, wo das dritte Bootsrennen des Films bekanntermaßen dann auch gewonnen wurde. George Clooney macht aus dieser dramaturgischen Not eine Tugend und lässt überhaupt keine Fragen aufkommen. Stattdessen portraitiert er in satten Farben eine Gesellschaft, die sich nach dem Börsencrash von 1929, der die amerikanische Wirtschaft in die Knie zwang, neu sortieren musste, erzählt von vaterlosen Jungs, die sich durchbeißen, die stolpern, wieder aufstehen und weitermachen – als Menschen schon als Sieger galten, wenn sie es wenigstens versucht haben.

Damit gewinnt man keine Drehbuchpreise, kann sich aber für Bilddramaturgie und Ausstattung feiern lassen. Bootsrennen liefern per se Stoff für ein paar elegante Bilder, die sich dann aber schnell wiederholen – da tun sich vergleichbare Sportlerdramen aus dem Baseball-, Football- und Basketball-Milieu mit ihren ewigen Zweikämpfen einfacher. Regatten führen über einen langen geraden Fluss, immer geradeaus und im besten Fall arbeiten die Jungs im Boot absolut synchron. An dieser Stelle baut das Script alle Hürden ein, die die Lehre der Dramaturgie erlaubt (ob historisch immer korrekt erzählt, ist an dieser Stelle dann zweitrangig). Und wenn dann noch die Musik anschwillt, sitzt man gespannt im Sessel und fiebert mit.

Clooney wechselt zwischen fliegenden Kameras und solchen für Detailaufnahmen, gedreht wurde bei den Winnersh Film Studios im englischen Berkshire, sowie in Los Angeles und Berlin. Die Olympischen Sommerspiele 1936 und Szenen rund um das Bootshaus der University of Washington wurden auf den Cleveland Lakes in der Nähe von Swindon (Großbritannien) gedreht. Mitglieder verschiedener Bootsclubs aus der Region, darunter St Hugh’s Boat Club und Oriel College Boat Club der University of Oxford wurden als Statisten rekrutiert. Sie verkörperten im Film die Ruderer der verschiedenen Nationalmannschaften, die bei den Olympischen Sommerspielen 1936 antraten.

"The Boys in the Boat" ist ein Sportlerfilm für einen gelungenen Sonntagnachmittag.

Wertung: 5 von 8 €uro
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