Während dieser Zeit sind in ein Haus in der Nachbarschaft William und Daisy Myers gemeinsam mit ihrem Sohn Andy eingezogen – die erste afroamerikanische Familie in der beschaulichen Familienstadt. Das finden die Nachbarn gar nicht schön.
Eines Nachts holt Gardner Lodge seinen Sohn aus dem Bett, bringt in runter in die Küche und erklärt ihm, es seien Männer im Haus, die würden nun ein paar Sachen mitnehmen. Aber das sei alles in Ordnung. Er müsse sich nicht ängstigen. Die fremden Männer fesseln die ganze Familie inklusiver der zu Gast weilenden Schwägerin Margaret und betäuben alle mit Chloroform. Als Nicky wieder zu sich kommt, ist seine Mutter tot.
Das Verhalten seiner Tante und seines Vaters, die nach dem Unglück eigentlich weitermachen wie bisher, wundert den Jungen: War das wirklich nur ein Einbruch, der unglücklich eskalierte? Wieso bewegten sich die fremden Männer, als seien sie hier Zuhause? Und wieso erkennen Dad und Tante Margaret die beiden Männer nicht, als die Polizei sie zu einer Gegenüberstellung holen?
Und vor dem Nachbarhaus der Myers gehen die Nachbarn trommelnd, lärmend und brandschatzend auf die Barrikaden…
Clooney verschob die Geschichte aus den 1980er Jahren, in denen die Coens sie angesiedelt hatten, in die 1950er Jahre und baute noch einen Rassenkonflikt ein – in die Nachbarschaft der Gardeners zieht eine farbige Familie, was die gesamte Kleinstadt völlig wuschig werden lässt und deren Bewohner in einen wütenden Mob verwandelt. Man sieht dem Film seine Genese an, kann relativ leicht die Coen-Elemente herausfiltern, bei der eine überschaubare Tat eines Herrn Durchschnitt durch eine Verkettung blöder Zufälle völlig aus dem Ruder läuft, sodass schließlich ordentlich Blut fließt.
Daneben liegt der Part mit den neu zugezogenen, farbigen Nachbarn, die die weiße – naja, nennen wir sie mal – Idylle des Vororts stören – mehrfach versichern Anwohner im Film, dass sie komplett für die Gleichberechtigung seien. Nur müssten – einerseits – „die Neger das dann auch wollen“ und – andererseits – sei man nun mal eben hierher gezogen, „weil hier nur Weiße wohnen“. Die zynischen Elemente, die das Storytelling der Coen-Brüder bestimmt, und Clooneys Parabel auf den nicht nur in den USA wieder stärker werdenden Fremdenhass ergeben zusammen keinen Film. „Suburbicon“ wirkt so, als habe man aus Versehen eine frühe Drehbuchversion verfilmt, in der noch wilde Ideen einfach mal aufgeschrieben worden sind, bevor man dann an die Feinarbeit geht, in der am Ende alles ineinander fließen soll.
Das geht schon mit dem Anfang los. Da zeigt uns ein Werbefilm, grafisch schön animiert, die Vorzüge des Lebens in der neuen Siedlung Suburbicon. Es gibt keine Rushhour, die Vorgärten sind grün und quadratisch, der Kirchenchor trifft sich regelmäßig, die Gemeinde verfügt über Schulen und eigene Feuerwehr. Vor allem aber bleibt man hier unter sich. Dass hinter dieser heißen, sonnigen, weißen, aufgeräumten und gemähten Fassade das Grauen lebt, erzählt das Kino seit den 1980er Jahren in Filmen wie „Blue Velvet“, Edward mit den Scherenhänden oder American Beauty. Da brauchen wir uns, und der Film uns nichts vormachen. Und es dauert auch nur eine Minute, da muss der jovial grinsende Briefträger erkennen, dass die Afroamerikanerin in der Tür des Hauses nicht das Hausmädchen sondern die Dame des Hauses ist und es dauert weitere zwei Minuten, da hat er es in der ganzen Nachbarschaft verbreitet und nach fünf Minuten gibt es eine Sitzung aufgebrachter Bürger, die auf ihr eingebildetes Recht pochen, „unter sich“ zu bleiben. So weit, so schlecht, so bekannt.
Nur hat das alles mit der anderen Geschichte, die sich nun zuehmend als Hauptgeschichte herausschält, nichts zu tun, versagt dieser sogar eine Verknüpfung durch die geografische Nähe: Da tobt vor dem Nachbarhaus der Myers lautstark und zündelnd der Mob, aber im Haus der auf so tragische Weise gebeutelten Familie Lodge hört und sieht man davon nichts. Da darf dem Sohn der Familie, aus dessen naiver, auf das Wohlwollen der Erwachsenen fixierter Perspektive der Film erzählt ist, langsam eine blutige Verschwörung im Haus aufdecken, der fünf Menschen ziemlich blutig zum Opfer fallen, Einfluss auf das Geschehen draußen nimmt das ebenso wenig, wie das Geschehen draußen auf das drinnen. In der letzten Einstellung erst wird aus diesem Nebeneinander ein Appell an das Miteinander, was ein immer ehrenwerter Appell ist, zumal in Zeiten eines Donald Trump im Weißen Haus, in Clooneys Kino aber rein dekorativ wirkt, schön wie das 50er-Jahre-Setting seines Films.
Keine Hilfe sind die Schauspieler. Matt Damon, der seine Karriere auf der Verkörperung des Good American gründet, schleicht hier als biederer Spießer emotionslos wie ein Schlafwandler durch die Mordgeschichte (The Great Wall – 2016; Jason Bourne – 2016; Der Marsianer – 2015; Monuments Men – 2014; Wir kaufen einen Zoo – 2011; Contagion – 2011; Hereafter – Das Leben danach – 2010; All die schönen Pferde – 2000; Die Legende von Bagger Vance – 2000; Der Soldat James Ryan – 1998; Good Will Hunting – 1997). Julianne Moore spielt die liebende Mutter ebenso wie die zwielichtige Stiefmutter jeweils möglichst facettenarm. Oscar Isaac als schmieriger Versicherungsdetektiv hat einen Kurzauftritt, der dem Film letztlich auch nicht auf die Sprünge hilft; der Cast wirkt so, als seien die Schauspieler vor allem interessiert gewesen, an Clooneys politischer Haltung teil zu haben, egal, worum es im Film geht.
Die Handschrift von Clooney schlägt sich vor allem im Nebenplot um die Mayers-Familie nieder, der auf wahren Ereignissen basiert (Levittown, Pennsylvania 1957). Hier gibt der politische Filmemacher Clooney seinem Affen Zucker und deutet an, was für eine böse Satire sein Film hätte werden können, hätte er die Perspektive verschoben.