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Plakatmotiv: The Green Knight (2021)

Ein woker Ritterfilm, der dem
Zuschauer nichts diktieren will

Titel The Green Knight
(The Green Knight)
Drehbuch David Lowery
Regie David Lowery, Irl., Kan., USA, UK 2021
Darsteller

Dev Patel, Alicia Vikander, Joel Edgerton, Sarita Choudhury, Anaïs Rizzo, Joe Anderson, Noelle Brown, Nita Mishra, Tara Mae, Atheena Frizzell, Sean Harris, Kate Dickie, Chris McHallem, Ralph Ineson, Emmet O'Brien, Brendan Conroy, Donncha Crowley, Barry Keoghan u.a.

Genre Abenteuer, Drama
Filmlänge 130 Minuten
Deutschlandstart
29. Juli 2021
Inhalt

Gawain ist der rücksichtslose und eigenwillige Neffe von König Artus. Als der Green Knight an den Hof kommt, ein gigantischer Mann mit Smaragdhaut, nimmt Sir Gawain die Herausforderung an und stellt sich dem Fremden.

Der Green Knight verliert seinen Kopf – und ein Jahr später ist die Zeit für Sir Gawain gekommen, sich ihm erneut zu stellen. Er bricht auf und muss auf seiner Reise zum Green Knight gegen Geister, Riesen, Diebe und Intriganten kämpfen. Er muss zu sich selbst finden und er muss seiner Familie und dem Königreich beweisen, dass er ein Held ist. Auf Gawain wartet die ultimative Herausforderung …

Was zu sagen wäre

Es ist nicht leicht, an Artus' Tafelrunde zu sitzen, sogar zur Rechten des Königs, weil man der Neffe ist, und dann keine Geschichten von großen Abenteuern zu erzählen hat. Da sitzt man dann, schaut auf zahlreiche Ritter, die alle jeweils hundert Geschichten erzählen könnten, und fühlt sich klein. Auch, weil er so richtig Abenteuer gar nicht erzählen will. Gawain fühlt sich wohl in seiner Rolle als Partylöwe, dem die Frauen zu Füßen liegen. Warum soll er daran etwas ändern?

Gawains Mutter sieht das anders. Der Mensch muss hinaus ins feindliche Leben, heißt es in der Literatur und auch Gawains Mutter ist der Ansicht, ihr Sohn brauche einen ordentlichen Stupser. Gawains Mutter, die Schwester des Königs ist die Hexe Morgan Le Fay – in der ursprünglichen Sage ist sie Gawains Tante, aber Regisseur David Lowery brauchte sie hier als Gawains Mutter. Vielleicht, weil der Junge sonst nie aus dem Haus gekommen wäre. Man weiß es nicht. Wie man so vieles nicht weiß bei diesem Film, den Lowery in opulenten Naturbildern erzählt, ohne aber eine klare Linie erzählen zu wollen. Er bietet Bilder. Was der Zuschauer darin erblickt, ist ihm egal. Der Zuschauer soll entscheiden. Das ist die Wokness des modernen Regisseurs, der seinen Zuschauern keine Vorgaben machen möchte, der es seinen Zuschauern überlassen möchte, was sie sehen und was sie nicht sehen (wollen). Und so steht also unter Morgan Le Fays tatkräftiger Mithilfe plötzlich der Grüne Ritter im Thronsaal und fordert die Tafelrunde heraus. Die etablierten Ritter, offenbar etwas müde geworden vom augenscheinlich langjährigen Held sein, warten ab und schauen, ob sich ein anderer meldet. Und so meldet sich Gawain, der noch gar kein Ritter ist, aber Heldengeschichten braucht, die er im Kreis der Tafelrunde später erzählen kann.

Es passiert, was der Trailer schon verraten hat, der Grüne Ritter verliert seinen Kopf, nicht aber sein Leben. Er nimmt sich seinen Kopf, lacht dämonisch und erwartet, dass Gawain ihm in einem Jahr in der Grünen Kapelle die Aufwartung macht, um ebenfalls geköpft zu werden. Der Trailer lässt es so aussehen, als habe vor der Enthauptung des Grünen noch ein Kampf stattgefunden, der Gawain als ordentlichen Kämpfer etabliert. Im Film ist das anders: Der Grüne Ritter wirft seine Axt fort, bietet Gawain seinen Hals feil, auf dass der zuschlage und den Kopf vom Rumpf trenne. Nix ist mit martialischem Schwertkampf. Gawain gewinnt quasi im Schlaf und kehrt in sein gemütliches Partyleben zurück.

Interessant für den Kinozuschauer wäre jetzt zu beobachten, wie sich einer fühlt, der weiß, dass er am kommenden Weihnachtsabend enthauptet werden wird, und ob es Auswege aus dem Dilemma gibt, oder wie er sich vorbereitet. Nicht in diesem Film, der kurz nach der oben beschriebenen Szene im Thronsaal alle weiteren psychologischen Entwicklungen auslässt und gleich das eine Jahr weiter springt. Es ist wenige Tage vor Weihnachten, Gawain hat die Angelegenheit eigentlich schon zu den Akten gelegt, als ihm der König und seine Mutter ins Gewissen reden und er sich doch auf den Weg macht. Der dann folgende Ausritt aus Camelot geht als eine der längsten und unsinnigsten Einstellungen des Jahres in die Kinochroniken ein. Minutenlang sehen wir da Gawain auf seinem Pferd, das seinen Reiter in lockerem Schritt von der Burg entfernt, am Anfang noch verfolgt von ein paar Jungs, die ihm bewundernd hinterher rufen, später ohne diese Jungs. Das ist nicht etwa eine Szene, die der Zuschauer bräuchte, um nach hektischem Geschehen zu Sinnen zu kommen. Es ist schlicht eine lange, ungeschnittene Kameraeinstellung, während der sich nichts weiter entscheidet.

Der Film basiert auf der mittelenglischen Ritterromanze "Sir Gawain and the Green Knight". Es ist eine im besten Sinne Coming-of-Age-Geschichte. Ein junger Mann muss sich seinen Platz im Leben erkämpfen und dafür allerlei Hürden, martialische wie erotische, überwinden. Davon ist im Film wenig übrig. Als der locker-flockige Gawain sein trautes Nest verlässt, um doch noch dem Grünen Ritter entgegenzutreten, wird er alsbald überfallen und ausgeraubt. Er stolpert tagelang durchs nasskalte England, bis er auf einem Schloss Unterschlupf findet, dass in der literarischen Vorlage eine zentrale Rolle spielt, im Film aber lediglich dazu dient, die Schauspielerin Alicia Vikander als Schlossherrin doch noch in pompöse Gewänder zu kleiden (Tomb Raider – 2018; Grenzenlos – 2017; Tulpenfieber – 2017; Liebe zwischen den Meeren – 2016; Jason Bourne – 2016; The Danish Girl – 2015; Codename U.N.C.L.E. – 2015; Ex Machina – 2014). Vikander spielt eine Doppelrolle, in der man sie zunächst kaum erkennt. Zuerst ist sie ein einfaches Bauernmädchen mit kurz geschorenem Haar und in Lumpen gekleidet, das Gawain den Kopf verdreht. Als Burgfräulein ist sie die verführerische Sirene, die unbedingt an Gawains Gemächt will, aber an dessen Ehrbarkeit scheitert. Die literarische Vorlage liefert in diesem erotischen Kampf die Grundlage für den Konflikt in der Grünen Kapelle, wenn es für den Leser darum geht, das der Held seinen Kopf am besten doch behalten sollte. David Lowery (Ein Gauner und Gentleman – 2018; "A Ghost Story" – 2017; Elliot, der Drache – 2016) wählt einen anderen Weg. Er erzählt weiter in langen Bildern, deren Interpretation er freundlich den Zuschauerinnen und Zuschauern überlässt.

So eine Art Kino macht zum Beispiel Wim Wenders, dessen Filme viele Bilder haben, im Drehbuch aber wenig Geschichte. In den guten Filmen ergibt sich aus den fantastischen Bildern und der karg umrissenen Story dann ein großer Film. Hier ist das nicht so. Der Film hat schon schöne Bilder. Dev Patel ist als Partylöwe schon ein Augenschmaus ("David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück" – 2019; Lion: Der lange Weg nach Hause – 2016; Chappie – 2015; Best Exotic Marigold Hotel 2 – 2015; Best Exotic Marigold Hotel – 2011; Die Legende von Aang – 2010; Slumdog Millionär – 2008). Aber man wird weder aus ihm noch aus den Bildern schlau.

Bilder, Figuren, Dialoge wabern durch diesen mehr als zwei Stunden langen Film, ohne jemals zu einer Befriedigung zu gelangen. Das Wesen des Ritterfilms ist ob seiner obsessiven Sinn- oder Gralssuche, seiner Ehrbarkeitsverteidigung ein vielschichtiges Unterkapitel des allgemeinen Abenteuerfilms. 1974 erzählte Robert Bresson in "Lancelot – Ritter der Königin“ von einem Artus, der seine verunsicherte Ritterschar auf die alten Tugenden „Ansehen, Treue, Freigebigkeit, Beständigkeit, Ebenmaß und Ausgeglichenheit, innere und äußere Wohlerzogenheit, Liebesdienst“ einschwor. Auch John Boorman hat mit Excalibur (1981) versucht, der Artuslegende mit philosophisch-morbidem Blick beizukommen. Und selbst die bunten Abenteuerspektakel, die die MGM-Studios in den 1950er Jahren produzierten (Ivanhoe – Der schwarze Ritter (1952) und Die Ritter der Tafelrunde (1953) oder die Comicadaption der 20th Century Fox, Prinz Eisenherz (1954), bremsten sich schwer unter ihrer tonnenschweren E(h)rhabenheit aus, blieben aber dennoch Abenteuerfilme über Typen, die ihre Ehre mit dem Schwert verteidigen. Davon ist bei David Lowery keine Rede mehr. Sein Gawain ist ein durch sinnentleerte Landschaften stolpernder Verführer, der nicht weiß, wie ihm geschieht.

Wertung: 1 von 8 €uro
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