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Kinoplakat: Chappie
Hybrid zwischen Künstlicher Intelligenz
und Streetgang-Action mit funny Jokes
Titel Chappie
(Chappie)
Drehbuch Neill Blomkamp + Terri Tatchell
Regie Neill Blomkamp, USA, Mexiko 2015
Darsteller

Sharlto Copley, Dev Patel, Ninja, Yo-Landi Visser, Jose Pablo Cantillo, Hugh Jackman, Sigourney Weaver, Brandon Auret, Johnny Selema, Anderson Cooper, Maurice Carpede, Jason Cope, Kevin Otto, Chris Shields, Bill Marchant u.a.

Genre Science Fiction, Action
Filmlänge 120 Minuten
Deutschlandstart
5. März 2015
Inhalt

Scout Nr. 22 hat viel Pech. Als einer von den neuen autonomen Robotern, die der Polizei in Johannesburg bei der Verbrechensbekämpfung helfen sollen, ist er immer der erste, der eine Kugel abbekommt. Diesmal lässt er sich wegen einer fest geschmolzenen Batterie leider gar nicht mehr reparieren und wird zur Verschrottung frei gegeben. 

Doch dann hat sein Erbauer, der Wissenschaftler Deon Wilson, eine bessere Verwendung für die Überreste. Nachdem ihm Michelle Bradley, seine Chefin beim Waffenhersteller Tetravaal, untersagt hat, weiter an einem KI-System mit Emotionen für die Scouts zu arbeiten, klaut er die Überreste von Nr. 22, um damit seine Tests zu machen. Bevor er dazu kommt, wird er allerdings vom ausgeflippten Gangstertrio um Ninja gekidnappt, da diese sich vom Roboterspezialisten Hilfe bei einem Millionencoup versprechen.

Ab jetzt wird es unübersichtlich, da nun verschiedene Gangster, die Polizei und die Tetravaal Security hinter Deon und seinem Roboter mit kindlicher Intelligenz (der sich jetzt Chappie nennt) her sind. Und dann ist da ja noch Deons Kollege Vincent Moore, der seinen eigenen Kampfroboter mit allen Mittel supporten will …

Was zu sagen wäre

Roboter erfreuen sich im Kino großer Beliebtheit. Bar jeder Emotionen bieten sie Filmemachern zahlreiche Möglichkeiten der Emotionalität; meistens ausgespielt über die unbedingte, durch die Programmierung vorgegebene Selbstlosigkeit, mit der sie – ganz selbstverständlich – auch in ihre eigene Zerstörung einwilligen.

Dann gibt es da die Maschinenmenschen, denen eine künstliche Intelligenz (KI) zugedacht ist. Im kommenden Monat startet Alex Garlands Ex Machina in den deutschen Kinos, der das Thema auf philosophischer Ebene diskutiert. Wo künstliche Intelligenz draufsteht, ist das Thema Roboterrechte analog zu Menschenrechten drin. Ein Film von Neill Blomkamp zu diesem Thema, dem Regisseur des immer noch sehr erstaunlichen District 9 (2009), verspricht also eine interessante Variation des Themas, das Filmemacher häufig aus dem Elfenbeinturm heraus diskutieren, eher wort- als bildgewaltig.

Sofataugliche Protestnote des Salonsozialisten

Blomkamp erzählt seine KI-Geschichte deutlich über das Bild; seine Dialoge transportieren Handlungsanweisungen, die uns von A nach B bringen und weiter bis Z. Es gibt Explosionen, Autostunts, Schießereien, ein Straßengangster-Milieu, das fröhlich bunt, tätowiert und deftig zugekokst daher kommt. Das Milieu ist, wie schon in Blomkamps Vorgänger Elysium (2013), die staubige Dreckswelt zerfallener Stadtteile und ausgebrannter Fabrikhallen, in denen Menschen zu Hause sind, die seit „Mad Max“ (1979) und John Carpenters Klapperschlange Snake Plissken zur Grundausstattung zählen, wenn Verlierertypen im gesellschaftlichen Roulette gecastet werden – fluchende, ausgemergelte Typen mit angstgeweiteten Augen, die oben ohne rumlaufen und auf dicke Hose machen.

Das erklärt sich von selbst, da muss der Regisseur nicht viel Worte machen; aber diese Prototypen des Loser-Brutalos sind in den vergangenen 30 Jahren so ausgenudelt worden, dass eine über sie bebilderte und angepeilte Gesellschaftskritik heute ungefähr so kraftvoll daher kommt, wie wenn ich im Internet eine Petition gegen irgendwas unterschreibe – sofataugliche Protestnote, ohne zu wissen was wirklich abgeht.

Mehr Straßen-Action als Elfenbein-Philosophie

Die Frage, ab wann ein Roboter menschenähnlich ist, wird gestellt, aber sofort wieder vergessen. Den naheliegenden Fragen nach Schöpfer, Mensch, Maschine weicht Blomkamp aus zugunsten einer Schießerei oder eines Gags. Und dann bleibt einzig übrig, dass Chappie das nette Flittchen Yolandi als „Mami“ anredet und diese sich herzig um ihn kümmert. Sie wird gespielt von der einen Hälfte des südafrikanischen Musik-Duos „Die Antwoord“, das im Film für die schrillen Momente zuständig ist. Den Nerd im Spiel gibt der Inder Dev Patel („Best Exotic Marigold Hotel“ – 2011; Die Legende von Aang – 2010; Slumdog Millionär – 2008), der seinen vielen sympathischen ich-bin-ein-bescheidener-Junge-aus-einfachen-Verhältnissen-Rollen eine weitere hinzufügt. Die Kamera liebt sein Gesicht. Wunderbar ist Hugh Jackman mit VoKuHiLa-Matte (Wolverine: Weg des Kriegers – 2013; Real Steel – 2011; „Australia“ – 2008; Scoop – Der Knüller – 2006; Van Helsing – 2004; Kate & Leopold – 2001; Passwort: Swordfish – 2001; Männerzirkus – 2001; X-Men – 2000), der seinen Job als Bösewicht im Stück offensichtlich Spaß macht.

Vielseitig und schön animiert ist der Titelheld, dem ich, kaum dass ihm künstliche Intelligenz eingehaucht worden ist, das eigene, selbstbestimmte, sich entwickelnde Wesen auch ansehe. Seine Sehnsucht, seinen Körper mit dem zerstörten Akku gegen einen lebensfähigen Körper zu tauschen, ist das Schwungrad für die Story; sie ist rührend, in ihrer inkonsequenten Haltung – eben folgt Chappie noch der möglichen Rettung durch den brutalen Gangboss, dann wieder den Ideen seines juvenilen, moralisch integren Erbauers, dann wieder dem Gangboss – aber kaum mehr, als akkurater Zuckerguss.

Eine selbstlose Mutation zum Wohle vieler

Chappie, der Roboter, verkörpert dabei Blomkamps Dauerthema der Veränderung zum Wohle vieler. Eben nicht der Elfenbeinturm-Diskurs Wann ist ein Roboter ein Mensch ist sein Thema. Blomkamps Helden sind for the greater Good am Ende stets ganz andere, als zu Beginn – mal (helden)tot, mal zu Aliens mutiert (um dann zu deren Erlöser zu werden). Auch Deon, der nette Computer-Nerd in „Chappie“, der seine Wohnung mit liebenswerten kleinen Haushaltsrobotern teilte, lässt sich zum Wohle seiner (neuen) Freunde am Ende auf eine waghalsige Mutation ein.

Technisch ist der Roboter sauber gelöst. Seine Bewegungen sind flüssig, die Interaktion mit realen Menschen unsichtbar getrickst – diesem Wesen aus Kabel und Stahl schlägt spürbar ein Herz in der Brust. An die Idee allerdings, dass auch Maschinen als kleines Kind anfangen, wenn sie die KI eingepflanzt bekommen haben, muss ich mich erst gewöhnen; die Naivität des Roboters zerrt an den Nerven, zumal er scheinbar mit allem ganz vorne anfängt, während der Roboter eigentlich doch schon vor der KI über ein enzyklopädisches Wissen verfügte. Chappie tut das offenbar nicht. Statt dessen sind seine Kleinkindstolpereien eine bemühte Allegorie auf das Jesuskind, den werdenden Erlöser.

Die letzte Hoffnung der Menschheit …

Neill Blomkamp verbindet seine Protestnote für eine bessere Gesellschaft mit der romantischen Hoffnung auf Erlösung durch ein höheres Wesen – womit wir wieder beim selbstlosen Roboter sind, über den schon das Kinoplakat raunt: „Die letzte Hoffnung der Menschheit ist kein Mensch“ steht da. Und dann ist „Chappie“ doch vor allem ein fröhlicher, unterhaltsamer Comicfilm.

Wertung: 5 von 8 €uro
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