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Plakatmotiv: Die Bourne Verschwörung (2002)

Ein als fiebriger Actionfilm
inszenierter Geisteszustand

Titel Die Bourne Verschwörung
(The Bourne Supremacy)
Drehbuch Tony Gilroy
nach dem Roman "Die Borowski Herrschaft" von Robert Ludlum
Regie Paul Greengrass, USA, Deutschland 2004
Darsteller

Matt Damon, Brian Cox, Gabriel Mann, Franka Potente, Julia Stiles, Joan Allen, Tomas Arana, John Bedford Lloyd, Karl Urban, Marton Csokas, Karel Roden, Michelle Monaghan, Oksana Akinshina, Tom Gallop, Tim Griffin, Ethan Sandler u.a.

Genre Action
Filmlänge 108 Minuten
Deutschlandstart
21. Oktober 2004
Inhalt

In Berlin werden zwei Agenten der CIA getötet. Fingerabdrücke am Tatort weisen auf Jason Bourne als Täter hin – ehemaliger Killer in Diensten der Agency, der sich nach Indien abgesetzt hat und dort untergetaucht ist.

Aber Bourne ist nicht der Täter von Berlin. Bourne saß zur selben Zeit mit seiner Freundin Marie im gemeinsamen Häuschen in Goa, wo sie Jasons stetig wiederkehrende Albträume analysiert, die offenbar seinen ersten Auftragsmord in Berlin zum Thema haben, an den sich Bourne ebensowenig erinnern kann, wie an so vieles andere nicht.

Wenige Stunden später wird Marie erschossen. Bestimmt war die Kugel für Bourne. Der Ex-Agent bricht seine Zelte ab und taucht bald in Berlin auf. Die CIA ist ihm auf den Fersen – glauben die Agenten. Tatsächlich ist Bourne den Häschern immer einen Schritt voraus, stellt aber fest, dass die CIA-Leute genauso ahnungslos sind, wie er.

Offenbar hat eine dritte Partei Finger und Waffen im Spiel; ein Spiel um 20 Millionen Dollar und russisches Öl. Und um Treadstone

Was zu sagen wäre

Bourne unter neuer Regie. Paul Greengrass inszeniert einen mittendrin-statt-nur-dabei-Actioner mit ordentlich Manpower, die die Produzenten dem ausufernden Computereinsatz im FX-Geschäft dankenswerterweise vorziehen. Greengrass vertraut auf die Expertise seiner Handwerker – Kamera, Montage, Score; Schauspielerei ist in diesem Genre normalerweise nicht erste Bürgerpflicht, hier aber wird sie souverän dirigiert. In diesem Film ist das Zusammenspiel vieler relevanter Gewerke in einem Ballett zu bewundern, wie es das im Kino immer schon nur selten gegeben hat. Verfolgungsjagden mit der Kamera im Auto, das frontal gerammt wird, hektische Verfolgung mit Reißschwenks, kontrapunktiert mit einem melancholischen Score … das entwickelt einen hypnotischen Sog. Eine fiebrige Montage spiegelt die geistige Verfasstheit Jason Bournes, der ja weiterhin auf der Suche nach seiner Identität, seiner Geschichte, seiner möglichen Schuld ist.

An Matt Damon als Actionman haben wir uns schnell gewöhnt. Längst kommt keiner mehr auf die Idee, von der Milchbubi-Überraschung zu reden (Geständnisse – Confessions of a Dangerous Mind – 2002; Die Bourne Identität – 2002; Ocean's Eleven – 2001; Plakatmotiv (US): The Bourne Supremacy All die schönen Pferde – 2000; Forrester – Gefunden! – 2000; Die Legende von Bagger Vance – 2000; Der talentierte Mr. Ripley – 1999; Dogma – 1999; Der Soldat James Ryan – 1998; Good Will Hunting – 1997; Der Regenmacher – 1997; Chasing Amy – 1997; Geronimo – Eine Legende – 1993). Er füllt seine Figur mit allem aus, Ruhe, Souveränität und stoischem Blick.

Das Drehbuch ist komplex. In den ersten zehn Minuten sollte man das Nacho- und Popcornknistern unterlassen, sonst hat man möglicherweise den Handlungsfaden verloren. Greengrass' Regietechnik verlangt vom Zuschauer Aufmerksam. Seine Erzähltechnik ist nicht die eines FeldWaldWiesen-Actioners. Er drückt den Zuschauer mit Tempo in den Kinosessel und erzählt gleichzeitig ein menschliches Drama mit der notwendigen Ruhe. Das ist die hohe Kunst des zeitgenössischen Filmemachens. Dass es am Ende auf der Oberfläche weder um geheime Identitäten, noch um Regierungskiller in einem Treadstone-Programm geht, sondern um Unterschlagung von Regierungsgeldern und illegale Ölgeschäfte, geht in diesem Reigen schöner Aufnahmen und brillanter Montagetechnik beinahe unter.

Unter der Oberfläche des Thrillers interessiert sich Paul Greengrass für die Menschwerdung seines Protagonisten, der über 100 Minuten Film eine sichtbare Wandlung erlebt. Matt Damon spielt einen Mann auf der Flucht vor seinem Schöpfer, der das Heft des Handelns, will er seinen Schöpfer festnageln, nicht aus der Hand geben darf. „Wir haben keine Wahl!“ sagt er seiner Freundin Marie, als sie wieder auf der Flucht sind. „Doch, Du hast immer die Wahl!“, entgegnet Marie … und wird erschossen. In der Folge hat Jason in der Tat dauernd eine Wahl und trifft immer die unblutige Entscheidung. Im atemlosen Finale in Moskau, als in einem Straßentunnel nach wilder Jagd der letzte Jäger beseitigt ist, verlässt er den Tunnel – und geht ins Licht. Just in dieser finalen, irrwitzigen Jagd durch die winterlichen Straßen Moskaus vertraut Greengrass nicht seinem bis dahin souveränen Regiment. Diese Jagd ist genauso fiebrig flirrend gefilmt und geschnitten, wie die 100 Minuten zuvor. Dabei hätte der Acton an dieser Stelle weniger Kamera- dafür mehr Autoballett gut getan – eine Autojagd bietet in sich irres Tempo und visuelles Oktan. Greengrass will aber augenscheinlich keinen Film, der von Stuntleuten vorangetrieben wird; er konzentriert sich auf seinen Inszenierungsstil-Stil hinter der Kamera. Wie eine rasante Jagd im Auto geht, hat aber letztinstanzlich John Frankenheimer in Ronin (1998) vorgeführt; dagegen stolpert Greengrass' durchaus furioses Autofinale in der Liste der großartigen Autojagden auf einen der hinteren Plätze.

Dreiviertel des Films spielt in Berlin – da freut sich das Fremdenverkehrsamt. Die Stadt präsentiert sich vornehmlich rund um den kahlen Alexanderplatz, in kaltem regnerischen Blau – da ärgert sich das Fremdenverkehrsamt.

Wertung: 5 von 6 €uro
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