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Plakatmotiv: Hannibal (1959)

Der Versuch, große Geschichte zu
verfilmen, scheitert im Klein-Klein

Titel Hannibal
(Annibale)
Drehbuch Mortimer Braus & Sandro Continenza & Ottavio Poggi
Regie Carlo Ludovico Bragaglia, Italien 1959
Darsteller

Victor Mature, Rita Gam, Gabriele Ferzetti, Milly Vitale, Rik Battaglia, Franco Silva, Mario Girotti, Andrea Aureli, Mirko Ellis, Carlo Pedersoli, Andrea Fantasia, Renzo Cesana, Pina Bottin, Remo De Angelis, Piero Mitri, Mario Pisu, Franco Dominici, Enzo Fiermonte
Enzo Fiermonte u.a.

Genre Thriller
Filmlänge 100 Minuten
Deutschlandstart
16. April 1960
Inhalt

Im Jahr 218 vor Christus: Hannibal, der große karthagische Feldherr, überquert mit seinem Heer und Dutzenden Elefanten die winterlichen Alpen, um gen Rom zu marschieren. Er will verhindern, dass die Römer eines Tages Karthago angreifen.

Als ihm die Römerin Silvia, die Nichte des römischen Senators Fabius Maximus, und dessen Sohn Quintilius in die Hände fallen, nutzt er die Gunst der Stunde, um der schönen jungen Frau sein mächtiges Heer zu zeigen und ein noch größeres vorzugaukeln.

Nach anfänglicher Skepsis verfällt Silvia, zum Leidwesen ihres Cousins Quintilius, dem Charme Hannibals. Auch ihr Onkel Fabius Maximus kann ihre Verbindung zum feindlichen Karthager nicht gutheißen und mahnt, dass er sie dafür eigentlich bei lebendigem Leibe begraben müsste. Da er dies nicht übers Herz bringt, droht er Silvia in einen Tempel zu verbannen, damit sie bei den Göttern Buße tun kann. Allerdings kann sie entkommen und flüchtet in das feindliche Lager der Karthager zu Hannibal – wo sie schnell merkt, dass ihr dort nicht alle wohlgesonnen sind …

Was zu sagen wäre

Weltgeschichte im Format der Reader's Digest Hefte, die große Literatur auf wenige Seiten zusammenschnurrten. Hier schnurrt der zweite Punische Krieg auf 90 bunte Filmminuten zusammen, in denen Hannibal vor allem durch eine Frau abgelenkt wird, in die er sich verliebt. Eigentlich gibt es zwei Versionen dieses Films. Die Originalversion, die 1960 mit 95 Minuten Länge auch in die deutschsprachigen Kinos kam, und eine von Edgar G. Ulmer für den US-amerikanischen Markt umgeschnittene Version, die 103 Minuten lang ist.

Der wuchtige Titelheld ist ein Feldherr, dem die Männer vertrauen. Er hat immer ein Auge für die Verwundeten und er ist vor allem gar nicht aggressiv. Am liebsten würde er Rom ja in Ruhe lassen. Aber er befürchtet halt, dass die Römer irgendwann mal nach Nordafrika übersetzen und Karthago angreifen. Da verhindert Hannibal lieber, indem er Rom zuerst angreift. Das ist eine Politik, die 1959, als der Film gedreht wurde, noch viele Freunde hatte. Auch 14 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren viele Menschen überzeugt, man schlage besser zuerst zu, um den Feind zu überraschen – von denen es im aufsteigenden Kalten Krieg genug gab. Ich sehe den Film zum ersten Mal Mitte der 1980er Jahre im Fernsehen und nehme als lustige Nebenerscheinung den Umstand mit, dass dies der erste Film ist, in dem sowohl Bud Spencer als auch Terence Hill – jeweils noch unter ihren bürgerlichen Namen Carlo Pedersoli und Mario Girotti (die englischen Pseudonyme entstanden erst 1967 bei "Gott vergibt… Django nie!") – spielten. DVD-Cover: Hannibal (1959) Pedersoli hat dabei nur eine kleine Nebenrolle als Stammesführer Rutario, der mit Hannibal über den Durchzug durch seine Ländereien und dessen Preis verhandelt, Girotti ("Vier Fäuste gegen Rio" – 1984; "Der Supercop" – 1980; Nobody ist der Größte – 1975; Mein Name ist Nobody – 1973; Die Nibelungen 2. Teil – Kriemhilds Rache – 1967; Die Nibelungen, Teil 1 – Siegfried – 1966; Old Surehand – 1965; Der Ölprinz – 1965; Unter Geiern – 1964; Winnetou – 2. Teil – 1964; Der Leopard – 1963) spielt Quintilius, Sohn des Senators Fabius Maximus, der unglücklich in seine ältere Cousine Silvia verliebt ist, die sich aber in Hannibal verliebt.

Silvia ist keine historisch verbürgte Figur. Mit ihr füllt das Drehbuch die lange Zeit, in der Hannibal nicht gen Rom zieht und eher den Eindruck vermittelt, dass er am liebsten in seinem Zeltlager Urlaub machen würde. Während der Film historische Schlachten in jeweils wenigen Bildern abarbeitet –  Ticinus, an der Trebia (beide 218 v. Chr.), am Trasimenischen See (217 v. Chr.) und, am 2. August 216 v. Chr., bei Cannae – gibt er den Liebenden, denen keine Zukunft gehört, weidlich Platz sich anzuschmachten. Hannibals Generäle reagieren eifersüchtig, einer stellt sich sogar gegen ihn, weil sie ihre unverbrüchliche Männerfreundschaft durch die Frau gefährdet sehen. Frauen gelten in dieser Umgebung nichts. Als ihn seine Männer fragen, wie die Frauen in diesem fernen Rom seien, sagt Hannibal unter dem Gejohle seiner Leute „Das weiß ich nicht. Aber wie ich Euch kenne, werdet Ihr das schnell herausfinden!“, und damit meint er weder deren Kochkünste noch ihre Diskussionsbeiträge. Mehrmals sehen wir entsprechend, wie Karthager irgendwelche Frauen über der Schulter durchs Lager tragen oder mit gleich zweien Arm in Arm am Ufer sitzen. Aber eine feste Liebesgeschichte im Schlafzimmer, das sehen Hannibals Männer nicht gerne.

Über diese Liaison von Hannibal und Silvia vergisst der Film, schlüssig zu erklären, warum denn nun Hannibal nicht in Rom einmarschiert ist, obwohl er mit seinen Soldaten zahlenmäßig durchaus die Gelegenheit gehabt hätte. Seine von Historikern nachgewiesene Strategie, Rom von seinen Bundesgenossen zu trennen und es so entscheidend zu schwächen, lässt sich in einem Film dramaturgisch allerdings auch nur schwer wiedergeben. Eine Romanze, die auch noch diplomatische Kanäle öffnet, ist das visuell leichter zu gestalten.

Der Film hat ein paar beeindruckende Massenszenen – vor allem, wenn die Massen auch noch künstlich verdoppelt und verdreifacht wurden – aber die Schwertduelle sind ohne jeden Esprit; da war Hollywoods Robin Hood in den 30er Jahren schon eleganter; in den Massenszenen sieht man häufiger Statisten, die nicht zu wissen scheinen, was sie mit diesem Schwert in ihrer Hand nun genau machen sollen.

Und als die Autoren nicht mehr weiter wissen, lassen sie einen Off-Sprecher noch ein kurzes Referat über den weiteren Verlauf des zweiten Punischen Krieges halten, an dessen Ende nicht die Eroberung Roms stand. Alles in allem als Spielfilm, als Sandalenfilm eine Enttäuschung.

Wertung: 3 von 7 D-Mark
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