IMDB

Plakatmotiv: Kopfjagd – Preis der Angst (1983)

Ein sarkastisches Mordsspiel mit
einem fantastischen Michel Piccoli

Titel Kopfjagd – Preis der Angst
(Le prix du danger)
Drehbuch Yves Boisset & Jean Curtelin
nach der Kurzgeschichte "The Prize of Peril" von Robert Sheckley
Regie Yves Boisset, Frankreich, Jugoslawien 1983
Darsteller

Gérard Lanvin, Michel Piccoli, Marie-France Pisier, Bruno Cremer, Andréa Ferréol, Jean Rougerie, Jean-Claude Dreyfus, Jean-Pierre Bagot, Henri-Jacques Huet, Dragan Stueljanin, Steve Kalfa, Zlata Numanagic, Julien Bukowski, Gabrielle Lazure, Catherine Lachens, Jacques Chailleux, Marko Nikolic, Jovan Ristic u.a.

Genre Action, Drama
Filmlänge 98 Minuten
Deutschlandstart
27. Mai 1983
Inhalt

Irgendwann in naher Zukunft existiert die Fernsehsendung "Le prix du danger", in der ein Kandidat sich freiwillig von fünf Killern hetzen lässt, bis er entweder tot oder Besitzer einer Millionen-Dollar-Prämie ist.

Die Show ist der absolute Quotenhit im französischen Fernsehen: Fünf Stunden lang wird der Kandidat von Killern gejagt, die sich ebenfalls freiwillig für diese Aufgabe beworben haben. Überlebt er die Hetzjagd, sackt er das Preisgeld ein, seine Verfolger kassieren ihren Anteil nur bei seinem Tod.

Bisher hat noch keiner der Gejagten überlebt, dafür sorgt der Sender hinter den Kulissen schon. Doch der aktuelle Teilnehmer François Jacquemard kommt beim Publikum so gut an, dass man über die gewohnte Strategie ins Grübeln gerät …

Was zu sagen wäre

Fernsehen ist das Brot und Spiele des modernen Konsumenten. Das Fernsehen gibt uns, was wir verlangen. Diese Erkenntnis ist nicht so ganz neu, jedenfalls im Rest der Welt nicht. Während in Deutschland ARD und ZDF als öffentlich-rechtliche Sender eine betuliche Biederkeit und etwas angestrengte Seriosität ausstrahlen, kämpfen in anderen Ländern privatwirtschaftlich organisierte TV-Sender um Zuschauerquoten, Marktanteile und möglichst große Stücke vom Werbekuchen und sie machen es mit dem, was sich am besten verkauft: Blut und Sperma. Wir in Deutschland müssen ins Kino gehen, um diese Art Fernsehen serviert zu bekommen. Sidney Lumets Network (1976) war so ein Film, in dem ein US-TV-Sender Terroristen und Wahrsager in Nachrichtensendungen platzierte und den angekündigten Suizid eines populären Moderators medial ausschlachtete.

Im vorliegenden Film geht es um medial sanktionierten Mord. Auch den gab es im Kino schon, 1965 etwa in Das zehnte Opfer, in dem sich Marcello Mastroianni und Ursula Andreas medial jagten und nach jedem Mord lächeln und Werbesprüche in die Kamera sprechen mussten. 1970 präsentierte Wolfgang Menge für das deutsche Fernsehen "Das Millionenspiel". Es geht um eine Show, in der ein Kandidat die Show überleben muss, um viel Geld zu gewinnen. Auch er wird gejagt. Menge inszenierte das als getürkte Live-Show. Viele TV-Zuschauer waren sich unsicher, was sie da sahen, einige empörten sich, andere meldeten sich, weil sie in der nächsten Show mitmachen wollten. "Das Millionenspiel" basierte auf der Kurzgeschichte "The Prize of Peril" von Robert Sheckley, auf der auch der vorliegende Film "Kopfjagd" basiert.

Regisseur Yves Boisset (Der Maulwurf – 1982) siedelt die Geschichte in einer nicht definierten Zeit an. Es muss eine Zukunft sein, denn in der Gegenwart sind solche Shows – auch in Frankreich – noch nicht erlaubt. Der Ausstattung des Films nach zu urteilen ist diese Zukunft aber nicht mehr fern, Boisset verzichtet auf SciFi-Architektur oder auf futuristische Autos. Plakatmotiv: Kopfjagd – Preis der Angst (1983) Es gibt fünf Millionen Arbeitslose, die Unruhe in der Bevölkerung ist mit Händen zu greifen. Da sorgt die noch relativ neue TV-Show "Le Prix du danger" für die gebotene Ablenkung vom tristen Alltag. Die Produzenten freuen sich über gute Quoten, die Politik über ruhige Straßen, denn, wie der Senderchef vorrechnet, gibt es weniger Gewalttaten zu Zeiten, zu denen seine Show ausgestrahlt wird – eine Mord-Show, um den Aggressionstrieb der Menschen ruhig zu halten.

Das Fernsehen hat in dieser Dystopie die ultimative Macht. Wer dort nicht auftaucht, findet im gesellschaftlichen Diskurs nicht mehr statt; nicht ohne Grund besetzen Putschisten als erstes TV- und Radiosender, wenn sie eine Regierung stürzen. Längst haben in dieser Welt auch Demonstranten gelernt, ihr Anliegen so zu verpacken, dass es für die Menschen leichter konsumierter wird: „In einer Gesellschaft, wo alles zur Show geworden ist, ist eine Demonstration eben auch nur eine Show. An dem Tag, an dem jemand auf die Idee kommt, eine Revolution einer Public Relation Firma anzuvertrauen, wird man den Leuten eine Revolutionsshow anbieten.“ Die Menschen, die im Mittelpunkt stehen, die Jäger und der Gejagte, „machen das alles freiwillig“, wie der Senderchef gerne betont – so freiwillig man sich halt jagen und töten lässt, wenn man wirtschaftlich keinen anderen Ausweg mehr hat. Die Jäger, im Alltag Handwerker, Versicherungsvertreter, Hausfrauen, nehmen teil, weil sie „endlich mal einen töten wollen“. François lässt sich jagen, weil er „nicht mehr nur die Krümel vom Tisch der Reichen haben, sondern selber reich“ sein will. Als er dann, während er gejagt wird, auf ein paar dieser Reichen trifft, die sich angewidert von dem Kerl, der es halt nötig hat abwenden, bekommt sein simpel gestricktes Die-Reichen-oben-die-Armen-unten-Weltbild einen ersten Riss.

Ihr wollt Blut? Wir geben Euch Blut!“ jubiliert der Moderator der Sendung, Frédéric Mallaire, den Michel Piccoli großartig als zynisch säftelnde Fratze des marktradikalen Kapitalismus spielt (Die Spaziergängerin von Sans-Souci – 1982; Der Maulwurf – 1982; "Atlantic City, USA" – 1980; "Trio Infernal" – 1974; Das große Fressen – 1973; Cesar und Rosalie – 1972; Die Dinge des Lebens – 1970; Topas – 1969; Belle de Jour – 1967; Brennt Paris? – 1966). Piccolis Moderator ist das personifizierte Medium, das seine Zuschauer im Griff hat, deren Stimmungen lenkt und in seinem öligen Charme menschliche Abgründe offenbart: ein Mordsmoderator.

Der Film ist kein guter Kinofilm. Dem Medium, von dem er erzählt, angepasst, sind die Bilder gut für den TV-Bildschirm; viele Großaufnahmen sprechender Köpfe, wenige aussagekräftige Totalen. Die Kamera gibt dem Geschehen keinen interessanten Raum. Aber für einen Videoabend haben wir es mit einer ohne Umwege schlank inszenierten cineastischen Perle zu tun, mit einem schmutzigen, sarkastischen, die Gesellschaft vorführenden Film – letztlich schauen ja auch wir als Teil der Gesellschaft da draußen fasziniert dem mörderischen Treiben zu.

Jede Gesellschaft bekommt schließlich die Medien, die sie verdient. Und die sie gerne einschaltet.

Wertung: 8 von 9 D-Mark
IMDB