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Plakatmotiv: Indianapolis (1969)

Ein Ehedrama, verkleidet
in hartes Rennfahrer-Milieu

Titel Indianapolis
(Winning)
Drehbuch Howard Rodman
Regie James Goldstone, USA 1969
Darsteller

Paul Newman, Joanne Woodward, Robert Wagner, Richard Thomas, David Sheiner, Clu Gulager, Barry Ford, Karen Arthur, Bobby Unser, Tony Hulman u.a.

Genre Drama, Action
Filmlänge 123 Minuten
Deutschlandstart
14. August 1969
Inhalt

Der Rennfahrer Frank Capua hat beim Indianapolis 500 nicht nur auf der Strecke die Konkurrenz eines Kollegen zu fürchten, sondern auch in seiner Ehe. Als er eines Nachmittags überraschend nach Hause kommt, findet er den Rivalen im Bett der Gattin, was Capua empfindlich trifft.

Weil jedoch sein Adoptivsohn – er stammt aus Eloras erster Ehe – zu ihm hält, beschließt er, im großen Rennen von Indianapolis aufs Ganze zu gehen. Er besiegt den Gegner, wobei das Pech des anderen sein Glück ist, nicht nur im Rennen, sondern er gewinnt auch die Liebe seiner Ehefrau zurück.

Was zu sagen wäre

Paul Newman, der hier auch als Produzent auftritt, erzählt eine Art Liebeserklärung an seine Frau, Joanne Woodward; und wollte man eingebildeten Klatsch und Tratsch hinzufügen, möchte man fast behaupten, er möchte sich entschuldigen dafür, dass er auf dem Höhepunkt seiner Karriere so wenig zeit für sie hatte. Denn wenig Zeit für seine frisch Angetraute hat auch Newmans Rennfahrer Frank Capua, der jede freie Minute anseinen Motoren herumschraubt, statt diese mit Elora zu verbringen. Und wenn er im großen Schlussmonolog Elora zurückgewinnen möchte – „Wir haben noch gar keine Ehe geführt“, „Ich kann Rennen gewinnen, mit Autos kann ich umgehen, aber mit Menschen …“ – klingt das schwer nach Selbsterkenntnis in einem Film, der ein Rennfahrer-, ein Harte-Kerle-in-heißen-Maschinen-Drama andeutet, um darunter ein Ehedrama erzählen zu können, in dem ein erfolgreicher Ehemann und seine weniger berühmte Ehefrau einen erfolgreicher Ehemann und dessen Ehefrau spielen. <Nachtrag 2013>14 Mal haben die beiden insgesamt vor der Kamera gestanden.</Nachtrag 2013>

Plakatmotiv: Indianapolis (1969)Für den Schauspieler Paul Newman gibt es in diesem Film wenig zu tun. Den wortkargen Missverstandenen hat er so oft gespielt, das beherrscht er im Schlaf. Gleichzeitig ist es sein Können, das den einen der beiden Höhepunkte des Films gestaltet. Wenn er seine Frau nach 40 Minuten später im Bett mit seinem Konkurrenten Lou Erding erwischt, ist Newman großartig in seiner Sprachlosigkeit, die Regie klasse in ihrer Inszenierung stiller Hilflosigkeit und Enttäuschung, die in Kontrast steht zum zweiten Höhepunkt – dem lauten, schnell geschnittenen Rennen von Indianoplis, das den letzten Akt dominiert. Hier finden dann das traditionelle Männerkino der vergangenen 30 Jahre – harte Kerle, wimmernde (oder mörderische) Frauen – zusammen mit dem modernen, schon emanzipatorisch geprägten Ansatz, den die 68er-Revolte in die Gesellschaft trägt.

Plakat und Werbung verkaufen das harte Rennfahrermilieu, das James Goldstone großartig präsentiert, wenn Frank Capua im letzten Rennen seine Konkurrenten auf der Piste buchstäblich auffrisst, weil die Gegner beim Überholvorgang hinterm Bugmaul seines Boliden verschwinden, sind das Bilder, die ich in Cinemascope noch nicht gesehen habe; vermischt mit Bildern authentischer Indianapolis-Rennen, schnell geschnitten, vermitteln diese Bilder ein realistisches Renngefühl – in denen freilich Paul Newmans stoischer Blick irritiert; hin und wieder in den Rückspiegel gucken gäbe den Großaufnahmen seiner konzentriert dreinblickenden Augen jenen Touch Wirklichkeit, der mich wirklich glauben ließe, dass auch Paul Newman an disem Rennen teil nimmt und nicht nur ein Stuntman, der Frank Capua für Paul Newman spielt.

Der Fokus des Films aber liegt ohnehin nicht darauf, ob Frank Capua ein guter Rennfahrer ist – oder etwa nur sein Stuntman das ist. Der Fokus liegt auf der Frage, wie ein in seinem Beruf enorm erfolgreicher Mann es schafft, auch ein enorm erfolgreicher Ehemann und Vater zu sein. Zwar ist vordergründig seine Frau diejenige, die ihn betrügt – was klassischerweise mit Mit einem anderen ins Bett gehen assoziiert wird – aber natürlich gilt auch, dass dieser Frank seine Frau andauernd mit seinen Rennwagen und Motoren betrügt; die Frage, wen sie mehr liebt – ihn oder ihn – ist da ebenso müßig wie die Frage, wen er eigentlich mehr liebt – sie oder seine Motoren? „Wir haben beide Schuld, Dich trifft vielleicht ein Vorwurf. Oder: Niemand trägt Schuld und mich trifft ein Vorwurf. Aber das ist doch unerheblich.“, sagt Frank in seinem Schlussmonolog. Für dieses Thema lässt der Film sich mehr Zeit, als für seine Rennen.

Das kommt den Problemen des modernen Drive-In- und Kinopalastpublikum näher, bei dem die Frauen über die Wahl des Kinotickets mitentscheiden. Da mögen die Jungs lieber Rennauto-Filme gucken, die Mädchen stehen mehr auf das Menschelnde (um dieses Vorurteil in ein Realitätsgetragenes Urteil zu machen, muss man sich nur mal an einem Samstagabend an eine Kinokasse stellen und gucken, wer für was Tickets kauft) – beide mögen Paul Newman, jenen Helden großer Kinodramen mit den stahlblauen Augen und dem definierten Oberkörper (Der Etappenheld – 1968; Der Unbeugsame – 1967; Man nannte ihn Hombre – 1967; Der zerrissene Vorhang – 1966; Ein Fall für Harper – 1966; Immer mit einem anderen – 1964; Der Wildeste unter Tausend – 1963; Haie der Großstadt – 1961; Exodus – 1960; Die Katze auf dem heißen Blechdach – 1958; Der lange heiße Sommer – 1958). Der – einerseits erfolgreicher Rennfahrer, andererseits hormongeplagter Adoptivvater eines Pubertierenden – muss lernen, mit einem Sohn umzugehen und diesen durch seinen ersten Vollsuff zu lenken. Die Mutter muss um ihren Sohn kämpfen, der sie seit dem Seitensprung verachtet – „Respekt muss man sich verdienen, den kann man nicht verlangen.“ Das klingt alles nach großem Drama, ist insgesamt aber mit der groben Feder eines Filmstudios geschrieben, das die teuren Schauwerte seines Autodramas refinanzieren will und in seiner Abwägung zwischen weiblichem und männlichem Publikum den kleinsten gemeinsamen Nenner sucht. Da wirkt das menschliche Drama so einfühlsam wie Frank Capuas hochtouriger Motor und die Rennen so aufregend wie ein eheliches Frühstück an einem Donnerstagmorgen. Dass Capuas ewiger Konkurrent – auf der Piste wie, kurzzeitig, im Bett – der Schönling und Womanizer Lou Erding im entscheidenden Rennen mit Motorschaden vorzeitig ausscheidet, ist die Ejaculatio Präcox in dieser Gleichung.

In der Karriere Paul Newmans steht dieser Film für einen Wendepunkt: Die Dreharbeiten 1969 weckten bei ihm ebenso das Interesse am Automobilrennsport wie vorher bei seinem Kollegen James Garner (mit „Grand Prix“ – 1966) und später bei Steve McQueen (Le Mans – 1971). Um die Begeisterung zu wecken, braucht James Goldstone kaum fünf Minuten – die ersten fünf: Er zeigt Menschen am Grill, Menschen, die im Gras dösen, im Hintergrund jaulen die hochtourigen Motoren der Rennwagen – Schnitt auf Frank Capua, der einen unerwarteten Boxenstopp im knappen Rennen mit einem coolen Spruch weglächelt und das Rennen natürlich noch gewinnt – dann Johlen, Feiern, Frauen … und schließlich Joanne Woodward. Das kommt der Stimmung an einer Rennstrecke Ende der 1960er Jahre schon sehr nahe.

Kurz: Ein einfacher, annehmbarer Unterhaltungsfilm über Ehe und Beruf, der gegen Schluss aufregend gute Original-Aufnahmen vom Rennen von Indianapolis bietet, sich aber in Nebensächlichkeiten verliert und in seiner Gestaltung bemerkenswerte Niveauunterschiede aufweist.

Wertung: 5 von 9 D-Mark
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