IMDB

Plakatmotiv: Der Wildeste unter Tausend (1968)

Ein Western über das
Ende des Optimismus

Titel Der Wildeste unter Tausend
(Hud)
Drehbuch Irving Ravetch & Harriet Frank Jr. & Larry McMurtry
nach dem gleichnamigen Roman (Originaltitel: Horseman, Pass By) von Larry McMurtry
Regie Martin Ritt, USA 1939
Darsteller
Paul Newman, Melvyn Douglas, Patricia Neal, Brandon De Wilde, Whit Bissell, Crahan Denton, John Ashley, Val Avery, George Petrie, Curt Conway, Sheldon Allman, Pitt Herbert, Carl Low, Robert Hinkle, Don Kennedy, Sharyn Hillyer, Yvette Vickers, Warren Anderson u.a.
Genre Drama, Western
Filmlänge 112 Minuten
Deutschlandstart
2. August 1963
Inhalt

Draufgänger Hud Bannon, dessen Bruder einst bei einem von ihm verschuldeten Autounfall ums Leben kam, gerät immer wieder heftig mit seinem Vater aneinander. Vergeblich versucht Hud, ihn vom lukrativen Ölgeschäft zu überzeugen – doch sein Vater will nichts davon wissen und weiter Rinder züchten.

Als die gesamte Herde von einer Seuche befallen wird und getötet werden muss, steht die Existenz der Familie auf dem Spiel. Die Situation eskaliert und ein friedlicher Ausweg scheint unmöglich …

                                      Plakatmotiv (US): Hud (1968)

Was zu sagen wäre

Das Land ist im Umbruch. Öl, der Schmierstoff für die Industrie, macht sich breit auf den Ländereien. Die Rinderherden, Nahrung für die Menschen, werfen nicht mehr viel ab. Oder müssen getötet werden, weil eines die Maul- und Klauenseuche hat. Martin Ritt schaut auf ein Texas, in dem die Cowboys nur noch auf Rodeos auftreten. Die Männer heute führen Ladengeschäfte oder Bars in unbelebten Kleinstädten. Nur Hud passt nicht ins Bild. Ein meistens schlecht gelaunter Trinker und Schürzenjäger, Sohn des wohlhabenden Ranchers Homer Bannon, mit dem er sich streitet, wenn er ihn sieht.

Paul Newman spielt diesen Titelhelden, der keine Sekunde um die Sympathie der Zuschauer buhlt. Und vielleicht ist Newman einer der Wenigen, der die Figur spielen kann. Weil das Publikum dem Schauspieler, der häufig verlorene Seelen spielt, die auf den Weg zurückfinden, Videocover (US): Hud (1968) vertraut ("Süßer Vogel Jugend" – 1962; Haie der Großstadt – 1961; Exodus – 1960; Die Katze auf dem heißen Blechdach – 1958; Der lange heiße Sommer – 1958). In der kleinen Stadt ist Hud ein Paradiesvogel, der sich beinahe alles erlauben kann – Schaufenster einschlagen, mit den Ehefrauen anderer Männer schlafen – und keiner zur Rechenschaft zieht. Sein Vater hat das lange aufgegeben, wobei nie ganz klar wird, warum die beiden sich so sehr ablehnen.

Bei einem von Hud durch Alkohol verursachten Autounfall starb sein älterer Bruder, das sorgt für einige nachvollziehbare Verwerfungen in einer Familie. Aber das ist 15 Jahre her; die harten Rancher trauern wie jeder andere, sind aber keine Gefühlsbesoffenen Menschen. Der Vater-Sohn-Konflikt, der im US-Kino häufig dekliniert wird, sei es durch abwesende oder durch anwesende Väter, stellt Gegenwart und Vergangenheit gegenüber. Söhne nabeln sich von Vätern ab, wollen ihnen gleichzeitig imponieren. Das neue Amerika des Öls zeigt dem alten des Weidelands, wie man mehr Geld mit weniger harter Arbeit macht. Die kalte Industrialisierung verdrängt die Romantik des einfachen Lebens.

Martin Ritt ("Hemingways Abenteuer eines jungen Mannes" – 1962; Der lange heiße Sommer – 1958) braucht nicht viele Wort, um den Konflikt auf der Ranch offen zu legen. Ein kurzer Dialog mit dem Amtstierarzt ist es nur, in dem Öl gegen Rind gestellt wird. Und gäbe es nicht den jungen Lonnie, Sohn des toten Bruders, würde wahrscheinlich gar nicht geredet. Hud und sein Vater brüllen sich eher an, auch als die ganze Herde an der Seuche erkrankt, will Hud sie rasch noch verkaufen – soll sich ein anderer mit dem Verlust rumplagen. Aber Vater Homer ist da ganz klar: So lange er die Ranch leitet, wird sich an der Regeln gehalten. Deshalb will Hud ihn für unmündig erklären lassen. Zwischen ihnen steht der noch junge Lonnie, der für den unerfahrenen Zuschauer Orientierung und Halt in dieser Männerwirtschaft bietet.

Statt in Worten schwelgt Martin Ritt in schwarz weißen Bildern der weiten texanischen Landschaften, in deren Leere sich die Leere in den Menschen, die hier leben spiegelt. James Wong Howe hat die Bilder für diesen Film gemacht (Die tätowierte Rose – 1955; Fahrkarte nach Marseille – 1944; The Oklahoma Kid – 1939) und wurde in der Oscar-Nacht 1964 dafür mit dem Oscar ausgezeichnet . In diesem Film leben lauter Verlorene. Auch die wenigen Einwohner, die wir in winzigen Rollen kennenlernen, sind Verlorene. Das erwähnte Rodeo ist die große Abwechslung in der Gegend. Wer weg will, steigt in den Bus und fährt nicht nach Irgendwo, sondern einfach weg.

Eine kaum zu entschlüsselnde Hauptfigur, die auch vor einer Vergewaltigung nicht zurückschreckt, eine alter, hasserfüllter Rancher, ein Junge und eine leidenschaftslose Haushälterin, die ihre Schicksalsschläge hinter sich hat. Das ist das Tableau, mit dem der Film seinen Blick auf das Texas der 60er Jahre verhandelt. Von den optimistischen Figuren, die in zahllosen Westernfilmen vor hundert Jahren hier ritten und eine Gesellschaft aufbauten, ist nichts mehr übrig. Heute zerfällt die Gesellschaft, weil sie sich auf kein gemeinsames Ziel mehr einigen kann.

Wertung: 4 von 7 D-Mark
IMDB