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Plakatmotiv: Man nannte ihn Hombre (1967)

Ein Western hält dem satten
Amerika den Spiegel vor

Titel Man nannte ihn Hombre
(Hombre)
Drehbuch Irving Ravetch & Harriet Frank Jr.
nach dem Roman "Hombre" von Elmore Leonard
Regie Martin Ritt, USA 1967
Darsteller

Paul Newman, Fredric March, Richard Boone, Diane Cilento, Cameron Mitchell, Barbara Rush, Peter Lazer, Margaret Blye, Martin Balsam, Skip Ward, Frank Silvera, David Canary, Val Avery, Larry Ward u.a.

Genre Western
Filmlänge 111 Minuten
Deutschlandstart
14. April 1967
Inhalt

Der Weiße John Russell ist von Apachen großgezogen worden. Er hat sich ihre Lebensweisen angeeignet, hat Rassismus am eigenen Leib erfahren und möchte nicht mehr unter Weißen leben. Auch als er erfährt, dass sein Adoptivvater gestorben ist und er nun eine kleine Pension in der Kleinstadt Sweetmary erbt, möchte er diese lieber gegen eine Pferdeherde eintauschen. Um den Handel perfekt zu machen, will Russell in die nächst größere Stadt fahren und trifft in der Postkutsche auf eine interessante Reisegemeinschaft.

Außer Russell fahren Jessie, die nun arbeitslose Pächterin der Pension, Billy Lee Blake und seine gelangweilte Frau Doris, Dr. Favor, seine Gemahlin Audra sowie der unsympathische Cicero Grimes und Mendez, der Kutscher, mit. Weil sich verdächtige Reiter in der Gegend aufhalten, beschließen die Reisenden, eine andere Route zu nehmen.

Bald zeigen sich gravierende Probleme in der Fahrgemeinde. Grimes vergewaltigt fast Doris und Russell distanziert sich von den anderen. Als die Gruppe weiterreist, wird sie von Banditen überfallen, deren Komplize und zugleich Anführer Grimes ist.

Sie rauben Geld und fliehen mit Audra als Geisel. Die Überlebenden des Überfalls schauen nun, ohne Pferde, ohne Wasser, aber mit 12.000 geraubten Dollar in einer Satteltasche, alle auf Russell, der sie aus der sengenden Hitze in Sicherheit führen soll. Aber Russell sieht sich nicht in der Verantwortung für Menschen, die ihn wenige Stunden zuvor noch aus der Kutsche verbannt haben, weil er ein Apache ist; allerdings will er die 12.000 Dollar gerne zu seinen roten Brüder in den Bergen zurück bringen …

Was zu sagen wäre

Die Zeit der Helden ist vorbei im Westen der Vereinigten Staaten. Um 1870 herum sind Atlantikküste und Pazifikküste durch die Schienen der Eisenbahn miteinander verbunden, zehn Jahre später führen Gleise von Los Angeles in den Süden nach New Orleans. Die amerikanischen Territorien beginnen, sich neu auszurichten. die Gleise ziehen neue Siedlungen an, Handelszentren entstehen entlang der Schienen. Die Postkutsche hat ausgedient. Plakatmotiv (US): Hombre (1967) Zahlreiche Städte, einst in der Euphorie der Siedlertrecks irgendwo entstanden, finden sich im Abseits wieder, im Nirgendwo, wo keine Bahn hin fährt, durch die eine Straße geht, „die nirgendwo hin führt. Die einzige Abwechslung in diesem Einerlei ist der Hund da drüben, der gerade sein Bein hebt.“ Das Land sortiert sich neu und der Westen wird wieder wild.

Martin Ritt (Der Spion, der aus der Kälte kam – 1965; Der Wildeste unter Tausend – 1963; Der lange heiße Sommer – 1958) ist mit seinem Western nicht nur zeitlich sehr weit weg von John Fords Postkutschenklassiker Stagecoach (1939). Ford zeigte eine kaputte Gesellschaft, die in der Gefahr zusammenrückt, in der sich staatstragende Macher als Wiesel und kleine Leute als große Helden entpuppten. 30 Jahre später rückt in der Gefahr niemand mehr zusammen. Im Gegenteil. In Martin Ritts wunderschön fotografierten Weiten Arizonas, durch die nun auch wieder eine zusammengewürfelte Gruppe in einer Kutsche reist, bleiben die Wiesel Wiesel und die Helden sich selbst der Nächste.

Und die Frauen müssen sehen, dass sie rechtzeitig einen finden, der ihnen Obdach gewährt. Jessie zum Beispiel, gerade arbeitslos geworden, weil John Russell, der weiße Apache, die Pension, die er geerbt hat, nicht weiter führen will, setzt ihre Hoffnung auf den Sheriff: „Du könntest mit 'ner anderen viel schlechter fahren. Ich werde Dir nie nachspionieren, krame auch nicht in Deinen Taschen rum. Ich sage nie Nein, auch wenn es mitten in der Nacht ist. Und wenn Du was mit dem Magen hast, bekommst du von mir sofort doppelt kohlensaures Natron. Und wenn Du erkältet bist, besorge ich Dir was zum Inhalieren. Dass ich keine 20 mehr bin, weiß ich selber, doch was macht das schon? Ich habe wenigstens im Lauf der Jahre gelernt, mich zu beherrschen!“ Die beiden anderen Frauen, die in der Postkutsche sitzen: eine junge, jetzt schon von ihrem Mann gelangweilte, Blondmähne, die sich wundert, dass der zwiespältige Kerl in der Kutsche sie gleich zu vergewaltigen versucht, nachdem die ihn heiß gemacht hat – „Sie sind ein richtiger Mann. Das gefällt mir.“ – und eine duldsame Lady, deren Mann, als sie entführt wird, keinen Finger für sie krümmt. Dieser Ehemann trägt einen schwarzen Anzug und einen schwarzen Hut. Nach reiner Westernlehre ist er also ein Schurke. Alex Favor heißt er, ist Regierungsbeauftragter für indianische Angelegenheiten, dazu ein Rassist und einer, der es nicht nötig hat, mit dem Revolver zu rauben. Er hat gerade die Apachen um 12.000 Dollar erleichtert und ist auf dem Weg nach Mexiko. Dass die Gangster, die die Postkutsche überfallen, seine Frau als Geisel mitnehmen, stört ihn weniger, als die Sorge, dass sein geraubtes Geld verschwinden könnte. Frederic March ("Sieben Tage im Mai" – 1964; Wer den Wind sät – 1960; An einem Tag wie jeder andere – 1955) spielt diesen Alex Favor mit der erhabenen Attitüde des konservativen alten Mannes, der besser weiß, was gut für das Land ist und dabei selbstbewusst über die Leichen derer geht, die er für schlecht für das Land hält; Plakatmotiv: Man nannte ihn Hombre (1967) das sind im Zweifel alle, die ihm seine Position, seinen Rang streitig machen wollen. Auf die staatlichen Beamten ist in Martin Ritts Western kein Verlass mehr. Der Sheriff gehört zu den Postkutschenräubern.

Auf die Helden aber auch nicht. Qua Titelvorspann spielt den Helden Paul Newmann. Der steht als erstes auf dem Plakat. Er ist der einzige große Star des Films (Der zerrissene Vorhang – 1966; Ein Fall für Harper – 1966; Immer mit einem anderen – 1964; Der Wildeste unter Tausend – 1963; Haie der Großstadt – 1961; Exodus – 1960; Die Katze auf dem heißen Blechdach – 1958; Der lange heiße Sommer – 1958). Auf Newman bezieht sich auch der Filmtitel. Paul Newman spielt den weißen Apachen, der die Gnadenlosigkeit der weißen Besetzer schon ein Leben lang kennt. Er schert sich nicht um die Gesundheit der anderen in der Postkutsche, schickt, als ihm der kalte Alex Favor einmal zu oft auf den Wecker gegangen ist, diesen regungslos und ohne Wasser in die Wüste und damit in den sicheren Tod. Nachdem er die Postkutschenräuber in die Flucht geschossen hat, wird er eher unfreiwillig der Anführer der im glühenden Gebirgsgelände überforderten Zivilisten, die, von Favor mal abgesehen, niemandem was getan haben. Aber es sind halt Weiße, die sich dieses Land von den Apachen geklaut haben. Also sollen sie auch sehen, wie sie zurecht kommen. Newmans John Russell lässt in der flirrenden Hitze gefesselte Frauen verdursten. Er ist nicht zuständig, wenn nicht mal der Ehemann, der beizeiten das Hohelied der Gemeinschaft der Guten Weißen sang, sie zu befreien wagt – immerhin droht man, bei der Befreiung der Frau hinterrücks erschossen zu werden. Als es Spitz auf Knopf steht, schauen alle braven Bürger auf den farbigen Außenseiter, den sie eben noch aus dem Inneren der Kutsche verbannt haben, weil er nicht dahin gehört. Aber der rotbraun geschminkte Star des Films sieht keinen Grund, die Weißen zu retten. 

So wird dieser Film beinah zu einer bösen Abrechnung mit dem Amerika der 60er Jahre. Der Film spielt zwar 100 Jahre früher, aber natürlich malt Martin Ritt in die archaische Kargheit Arizonas ein erschütternd realistisches Bild der selbstzufriedenen weißen Frauen und Männer der 1960er Jahre, die in Ruhe ihren Wohlstand genießen wollen und andere – meiste schwarze – Mitbürger in ferne Kriege nach Vietnam schicken, wo sie die Freiheit von Demokratie und Marktwirtschaft verteidigen sollen. An dieser Stelle im Film muss dann doch eine Frau – statt an die Gemeinschaft – an die christlichen Werte der Mitmenschlichkeit erinnern: „Russell, wenn Sie etwas Gutes erst dann tun wollen, wenn die Menschen es verdienen, dann wird die Welt bald zugrunde gehen. Stehen wir uns daher gegenseitig bei und fragen nicht nach Fehlern.“ Und so geht der störrische Held ins Finale als eine Art Jesus-Figur. Er gibt seinen Leib hin, damit die Gemeinschaft der wehrlosen Weißen weiterleben kann und vielleicht ein ganz klein wenig schlechtes Gewissen hat.

Wertung: 7 von 8 D-Mark
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