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Plakatmotiv: Hamlet (2000)

Shakespeare in modernem Kleid.
Ethan Hawke schafft den Hamlet nicht

Titel Hamlet
(Hamlet)
Drehbuch Michael Almereyda
nach dem gleichnamigen Drama von William Shakespeare
Regie Michael Almereyda, USA 2000
Darsteller

Ethan Hawke, Kyle MacLachlan, Diane Venora, Sam Shepard, Bill Murray, Liev Schreiber, Julia Stiles, Karl Geary, Paula Malcomson, Steve Zahn, Dechem Thurman, Rome Neal, Jeffrey Wright, Paul Bartel, Casey Affleck, Robert Thurman, Tim Blake Nelson, John Martin, Bernadette Jurkowski, Robert MacNeil u.a.

Genre Drama
Filmlänge 112 Minuten
Deutschlandstart
23. November 2000
Inhalt

Der Konzernchef der Denmark Corp. ist tot. Sein Bruder Claudius heiratet kurz darauf die Königin und übernimmt damit auch die Firmenleitung des Königs. Der Sohn des alten, Neffe des neuen, Königs Hamlet aber kann das Ableben seines Vaters und die seiner Meinung nach viel zu übereilte Hochzeit seiner Mutter nicht fassen. Horatio, ein getreuer Studienfreund Hamlets, berichtet ihm, dass er letzte Nacht auf der Wache dem Geist des alten Königs begegnet sei. Hamlet beschließt, in der nächsten Nacht auch Wache zu halten, in der Hoffnung, dass auch ihm der Geist seines Toten Vaters erscheine.

Und so soll es auch sein. Der Geist, tatsächlich in Gestalt des verstorbenen Königs, erscheint Hamlet und berichtet von seiner Ermordung. Er fleht Hamlet an, seinen unnatürlichen Tod, herbeigeführt durch die Hand seines eigenen Bruders, zu rächen. Hamlet ist verwirrt. Ist das nun wirklich der Geist seines Vaters gewesen, oder aber war es nur der Teufel, der in der Gestalt des Königs versucht, Schaden anzurichten. Und auch noch die verschmähte Liebe zur liebreizenden Ophelia bereitet Hamlet Sorgen. Ihr Vater Polonius verbat ihr den Umgang mit Hamlet aus Sorge um ihre Keuschheit und aus Zweifel an Hamlets Aufrichtigkeit.

Hamlet versucht nun, den Mörder seines Vater, seinen Onkel Claudius, des Mordes zu überführen. Er inszeniert einen Kurzfilm mit dem Namen "The Mousetrap", in dem der von dem Geist geschilderte Tathergang des Mordes gezeigt wird. Hamlet will die Reaktion seines Onkels sehen. Bleibt er regungslos, so sprach der Geist nicht wahr, zeigt Claudius aber Reaktion, so ist er schuldig. Und wahrlich, noch während der Vorführung verlässt der König den Saal und begibt sich in sein Schlafgemach.

Damit steht für Hamlet fest: Der Geist hat die Wahrheit gesagt, und er selbst wird des Vaters Tod nun rächen müssen …

Was zu sagen wäre

Shakespeares Klassiker im New York der Gegenwart, in einer Welt der Laptops und Limousinen, in der der junge Hamlet nach dem Tod seines Vaters um die Erhaltung der Firma Denmark Corp. kämpft. Seit Baz Luhrmann 1996 Shakespeares "Romeo + Julia" in Neon-Pop inszeniert hat, scheinen Shakespeare-Dramen in modernem Kleid en vogue. Was bei Luhrmann aber neben dem Reiz des Neuen auch eine in sich stimmige Dramaturgie in Sound, Kamera und Spiel produziert hat, bleibt die Moderne in Michael Almereydas Film austauschbare Kulisse, vor der Menschen Shakespeares Verse aufsagen.

Die größte Überraschung ist Bill Murray in der Rolle des königlichen Beraters Polonius (3 Engel für Charlie – 2000; Rushmore – 1998; Wild Things – 1998; ... und täglich grüßt das Murmeltier – 1993; Ghostbusters 2 – 1989; Ghostbusters – Die Geisterjäger – 1984; Tootsie – 1982; Ich glaub' mich knutscht ein Elch! – 1981). Der einst coole Ghostbuster, der als streng moralisierender Vater Shakespeare-Verse aufsagt, ist ein Special Effect, den das Kino als solches torpediert. Auf der riesigen Leinwand diesen Mann in so einen grauen Anzug zu stecken und ihn in eine solche Glas-Stahl-Architektur zu stellen in dieser Rolle, da finden Murray und der Polonius nie zusammen. Und als er schließlich den Unfalltod durch Hamlet stirbt, als Mann, der sich im Wandschrank im Schlafzimmer Gertrudes versteckt, möchte ich Murray im Kinosessel gratulieren, dass er den Ausweg gefunden hatten. Ähnlich schwach ist Ethan Hawke (Schnee, der auf Zedern fällt – 1999; The Newton Boys – 1998; Gattaca – 1997; "Before Sunrise" – 1995; Reality bites – Voll das Leben – 1994), der den Titelpart hat. Hawke ist ohnehin mit limitiertem Talent ausgestattet; an diesem Hamlet, einem Filmstudenen mit hipper Wollmütze, scheitert er; auch er bleibt Fassade in beliebiger Kulisse mit auswendig aufgesagten Texten. Hamlet, einer der großen Zweifler der Literaturgeschichte, ist bei Ethan Wanke einer mit Dackelblick und waidwunder Seele, der nicht weiß, wohin mit sich.

Es zeigt sich auch, dass nicht jedes Theaterstück, nur weil es Shakespeare ist, sich für das Kino eignet, wenn man ausschließlich auf werktreue setzt. Die Liebesbeziehung Hamlets mit Ophelia, die vor Beginn des Dramas stattfand, wirkt auf der Leinwand lange so, als dauere sie unterschwellig noch an. Und dann reicht ein Bildschnitt, und beide sind so geschiedene Leute, dass Ophelia sich von ihrem Vater Polonius als Spionin gegen Hamlet missbrauchen  lässt. Auf der Bühne mit ihren vielen Umbaupausen und analogen Möglichkeiten, durch Lichteffekte Zeitsprünge zu markieren, kann man so einer Textdramaturgie gut folgen. Im Kino, das viel Aufwand in die Realität seiner Bilder investiert, sind solche Sprünge unbedacht und zeigen, da hat Shakespeare-Adept Michael Almereyda etwas gewollt, was Regisseur Michael Almereyda nicht umsetzen konnte. Dass aus dem „Staate Dänemark“ (es ist was faul im …) im Film ein multinationaler Großkonzern wird, ist den bunten 90ern geschuldet, in denen das Projekt ersonnen wurde. Diese Idee steht dem Film (mit den realen Ansprüchen) dann halt immer selbst im Weg, weil ein Konzernboss nun einmal nicht König genannt und die Hierarchie im Konzern auch nicht über die Erbfolge geregelt wird. Almereyda macht aus dieser Idee aber auch nichts Neues, nicht mal einen Krieg der Konzerne. Der große Gegenspieler, Fortinbras, bleibt ein „alter Norweg“ und das Drama spitzt sich nicht auf dem Börsenparkett zu sondern im fernen England, wohin die Winde gerade günstig stehen.

Ein Fehlgriff ist die Besetzung des Claudius mit Kyle MacLachlan. David Lynchs Twin-Peaks-Star ist abonniert auf kranke Typen (Showgirls – 1995; Flintstones: Die Familie Feuerstein – 1994; The Doors – 1991; "Blue Velvet: Verbotene Blicke" – 1986; "Dune – Der Wüstenplanet" – 1984). Aber im Verbund mit für den Durchschnittskinogänger ungewohnten Dialogzeilen kann er dem Claudius keinerlei Dämonie über den Inhalt seiner Textzeilen hinaus bieten.

In der deutschen Synchronisation verliert der kaum einmal spannende Film noch den Rest an Spannung, weil die Synchrondialogautoren hier nicht auf die Lippenbewegungen schreiben konnten, sondern sich an die übersetzten Shakespeare-Vorlagen halten mussten. entsprechend lieblos und wenig angeglichen ans Geschehen wirkt die deutsche Synchronisation.

Wertung: 2 von 11 D-Mark
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