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Plakatmotiv: Queimada - Insel des Schreckens (1959)

Eine als Abenteuerfilm verkleidete
Anklage gegen das Großkapital

Titel Queimada – Insel des Schreckens
(Queimada / Burn)
Drehbuch Franco Solinas & Giorgio Arlorio & Gillo Pontecorvo
Regie Gillo Pontecorvo, It., Fra. 1969
Darsteller

Marlon Brando, Evaristo Márquez, Renato Salvatori, Dana Ghia, Valeria Ferran Wanani, Giampiero Albertini, Carlo Palmucci, Norman Hill, Thomas Lyons, Turam Quibo, Álvaro Medrano, Alejandro Obregón, Enrico Cesaretti, Cicely Browne, Sam Gilman, Herbert Jefferson Jr., Maurice Rodriguez u.a.

Genre Action, Drama, Krieg
Filmlänge 121 Minuten
Deutschlandstart
26. März 1970
Inhalt

Mit einem geheimen Auftrag der britischen Krone kommt Sir William Walker Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Insel Queimada. Ihren Namen – zu Deutsch "die Verbrannte" – trägt die Antilleninsel seit den kriegerischen Übergriffen der Portugiesen. Diese hatten dort mit Feuer und Schwert die indianische Urbevölkerung ausgerottet und danach Schwarze als Sklaven auf die Zuckerrohrplantagen gebracht, denen die Insel ihren Reichtum verdankt. Um sich selbst am Geschäft mit dem Zucker zu bereichern, wollen nun die Engländer das Eiland unter ihren Einfluss bringen.

In dem jungen Schwarzen José Dolores findet der britische Abenteurer Walker einen Mann, der ihm für seine Pläne geeignet scheint. José wird zum Anführer eines Aufstands, ohne zu ahnen, dass er – ebenso wie der ehrgeizige Teddy Sanchez – nur ein Werkzeug des Briten und seiner Auftraggeber ist.

Als Walker sein Ziel erreicht hat und die Briten ihre Macht gefestigt haben, verlässt er die Insel. Zehn Jahre später holt man ihn zurück – diesmal als Militärberater eines erfolglosen Generals. Diesem soll Walker helfen, den um die Früchte seines Kampfes gebrachten José Dolores und seine Guerilleros zu vernichten

Was zu sagen wäre

Ein interessanter Film. Mäßig aufregend. Erkennbar aus einer Zeit, als exotische Schauplätze noch eine Hauptrolle spielten, deren Abbildung die Sehnsucht der Zuschauer nach der großen weiten Welt befriedigen sollte – was in diesem Fall sehr zynisch ist, wenn die, vornehmlich weißen, Zuschauer dann sehen, wie sie mit den Ureinwohnern umgehen. Hier ist es die fiktive Insel Queimada mit wildem Gestrüpp, Urwald und Zuckerrohr, mit blasierten Weißen und übel malträtierten schwarzen Sklaven. Das Zuckerrohr hier hat die Ureinwohner das Leben gekostet. Die portugiesischen Besatzer waren einst gekommen, setzten die ganze Insel in Brand, trieben die Ureinwohner in die Flucht und rotteten sie aus und wurden mit dem Zuckerrohrhandel sehr reich. So reich, dass eine andere Seefahrernation, die Engländer, auch was von dem süßen Kuchen ab haben wollten. Hier kommt Marlon Brando ins Spiel.

Als englischer agent provocateur treibt er die kujonierte Bevölkerung mit strategischer Hilfe und englischen Gewehren zum Aufstand gegen die portugiesischen Herren und diese – ebenfalls mit englischer Unterstützung – aus dem Land. Das alles erzählt Gillo Pontecorvo in langen Szenen und noch längeren Einstellungen – die Zuschauer sollen das wilde, exotische Land ja auch ausführlich zu Gesicht bekommen. Bei objektiver Betrachtung und ohne Fernweh bleiben zahlreiche zähe Standszenen, zwischen denen schwer zu erkennen ist, ob eine Stunde, ein Tag oder ein paar Wochen vergangen sind.

Interessant wird der Film, weil jetzt so etwas, wie ein echter Antagonismus, eine echte Motivation der Hauptfiguren deutlich wird, als die ehemaligen Sklaven die Macht auf der Insel übernehmen und die weißen Unterdrücker von der Insel jagen wollen. Da lässt der oberste Vertreter der Royal Sugar Company Revolutionsführer José Dolores kühl wissen, dass man mittlerweile Zucker in Europa aus einer Rübe gewinne, man nicht auf diese Insel angewiesen sei, aber die schwarze Bevölkerung ohne die Zivilisation der Weißen auf immer ohne Schulbildung in ihren Hütten hausen und von der Hand in den Mund leben würde. Anders gesagt: Ihr baut uns den Zucker ab, wir bauen Euch Straßen und bringen Schulbildung und Wohlstand.

Dann vergehen zehn Jahre. Marlon Brando und wir verschwinden von der Insel. Wir erfahren von einer Stimme aus dem Off, dass die Zuckerproduzenten in den Jahren ordentlich Gewinne gemacht hätten und nun nicht mehr auf staatlichen Schutz ihrer Plantagen in Übersee angewiesen seien, sondern in der Lage, derlei selbst in die Hand zu nehmen. Marlon Brando wird wieder engagiert und mit ihm zusammen kommen wir zurück nach Queimada – wo sich nichts verändert hat. Ein paar Weiße logieren in Clubs und festen Häusern. Die schwarze Bevölkerung haust in unbefestigten Hütten und arbeitet für einen Hungerlohn. Straßen? Bildung? Nichts davon zu sehen.

Sir William Walker, die ununterbrochen Whisky trinkende Figur, die Marlon Brando spielt (Spiegelbild im Goldenen Auge – 1967; "Die Gräfin von Hongkong" – 1967; Ein Mann wird gejagt – 1966; Morituri – 1965; Meuterei auf der Bounty – 1962; Der Besessene – 1961; Die Faust im Nacken – 1954; Der Wilde – 1953; Julius Caesar – 1953; Viva Zapata – 1952; "Endstation Sehnsucht" – 1951) ist überhaupt nur dabei, um dieser weltpolitischen These über die weißen Ausbeuter einen dramaturgischen Unterbau auf zwischenmenschlicher Ebene zu geben, um die These dann als Spielfilm ins Kino bringen zu können. Walker ist ein undurchsichtiger Typ. Wir erfahren, dass er für die Admiralität als Agent arbeitet. Seine Moral ist die Moral seines jeweiligen Geldgebers. Plakatmotiv (US): Burn / Queimada (1959) Bei seinem ersten, von England finanzierten Besuch auf der Insel sorgt er für Unruhen und Aufstände, bei seinem zweiten, von den Zucker-Bossen finanzierten Besuch, soll er einen Aufstand niederschlagen. Aufs Menschliche runtergebrochen, das uns im Kino mehr interessiert, als eine allgemeine politische Situation, heißt das: Beim zweiten Versuch muss er den Mann eliminieren, den er beim ersten zum Revolutionsführer gemacht hat, indem er sich als sein Freund angedient hat. Mit der Freundschaft ist es indes nicht weit her. Walker verfolgt nur eigene Interessen. Freundschaft ist für ihn ein Werkzeug.

Ein irgendwie spannender Bruderkampf entsteht nicht. Eine Auseinandersetzung zwischen Walker und José Dolores über die moralischen Untiefen, die sich auf der Insel im Zwischenmenschlichen offenbaren, findet nicht statt; die beiden Charaktere spiegeln im Kleinen nur, was im Großen auf der Insel geschieht: Die Weißen machen Versprechungen, zwingen dann die Bevölkerung nieder und beuten sie dann aus. Walker lässt die Insel ein zweites mal komplett abbrennen und als er später seinen "Freund" José zum ersten Mal nach vielen Jahren wiedersieht, spricht der nicht mehr mit ihm, sondern spuckt ihn an. Ganz am Ende, schon unterm Galgen, will er von Walker mit schiefem Grinsen dann doch noch wissen, wo sie denn jetzt sei, seine weiße Zivilisation mit Schulen und Straßen. Tiefer geht die Auseinandersetzung nicht.

Gillo Pontecorvo überlässt es dem Zuschauer, Schlüsse aus dem Gesehenen zu ziehen. Pontecorvo kommt aus dem Dokumentarfilm, das konnte man schon seinem vorherigen, viel gefeierten Film "Die Schlacht um Algier" (1966) ansehen. Auch "Queimada" geht er mit eher dokumentarischer Kamera an, zeigt, wie die Zustände sind. Seine Haltung versteckt sich in der Perspektive. Zwar wird aus Sicht des Weißen William Walker erzählt, was ihn zu einer Identifikationsfigur macht. Wir sehen aber sadistische Weiße und leidende, zu Tode gefolterte Arme (was uns leicht in die Arme der Unterdrückten treibt) – und Brandos unterkühltes Spiel lässt für diesen kaum Sympathie wachsen. Die Frage mit der Entwicklung der heimischen Gesellschaft hin zu einem entwickelten Land, wenn nur die Weißen dort das Zuckerrohr ausbeuten dürfen, wird eindeutig negativ beantwortet. Aber ob die Zuschauer, „die zu Millionen nicht auf den Zucker in ihrem Tee verzichten wollen“, die Art der Zuckergewinnung nun gut oder schlecht finden sollen, müssen diese selber entscheiden.

So bleibt von "Queimada – Insel des Schreckens" der Eindruck eines engagierten Aufrufs, einen Blick auf die Auswüchse in der sogenannten Dritten Welt zu werfen – also auch auf das, was 1969 gerade in Vietnam geschieht, wo die USA angeblich versuchen, das Land vor dem Einfluss des Kommunismus zu schützen, auch indem sie mit Napalmbomben halbe Urwälder verbrennen. Ein Blick, der uns erinnert, dass die Rufe nach Freiheit für alle zu schnell von zynischem Geld erschlagen werden.

Ein interessanter Film. Aber kein spannender.

Wertung: 3 von 7 D-Mark
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