IMDB

Plakatmotiv: Halloween kills (2021)

Wutbürger jagen Michael Myers

Titel Halloween kills
(Halloween kills)
Drehbuch Scott Teems & Danny McBride & David Gordon Green
mit Charakteren, erfunden von John Carpenter und Debra Hill
Regie David Gordon Green, USA, UK 2021
Darsteller

Jamie Lee Curtis, Judy Greer, Andi Matichak, James Jude Courtney, Nick Castle, Airon Armstrong, Will Patton, Thomas Mann, Jim Cummings, Dylan Arnold, Robert Longstreet, Anthony Michael Hall, Charles Cyphers, Scott MacArthur, Michael McDonald, Ross Bacon, Kyle Richards, Nancy Stephens u.a.

Genre Horror
Filmlänge 105 Minuten
Deutschlandstart
21. Oktober 2021
Website halloweenmovies.com
Inhalt

Sie hätten es beinah geschafft, Michael Myers endgültig zu töten. Sie hatten ihn in Lauries festungsartigem Haus eingeschlossen und das dann abgefackelt. Schwer verwundet liegt Laurie nun auf der Ladefläche eines Lastwagens, der sie, ihre Tochter Karen und ihre Enkeltochter Allyson ins Krankenhaus bringt. Da kommt ihnen schon die Feuerwehr entgegen mit Blaulicht und Sirenen. Die Feuerwehrleute löschen so gut sie können und finden Michael. Niemand überlebt das anschließende Massaker.

Wieder kehrt der Mann mit der Maske nach Haddonfield zurück, um sein blutiges Handwerk zu verrichten. In der Kleinstadt gehen unterdessen die Menschen auf die Straße, weil sie empört darüber sind, dass es den Behörden nicht gelungen ist, Myers zu schnappen. Führende Stimmen der aufgebrachten Bürger werden Tommy Doyle, der Michaels Amoklauf als Kind in den 70ern miterlebte – und Allyson. Der Wunsch nach Rache treibt sie beide an …

Was zu sagen wäre

Michael Myers geht wieder um *mitdenaugenroll* Schon wieder? Er muss. Er ist der Wiedergänger ohne Gesicht. Der tötet ohne Grund. Der nicht stirbt, egal, wieviele Messer oder Kugeln ihn durchbohren. „Es gibt Spezialisten für … so etwas. Dafür ausgebildet. So funktioniert das System.“, fleht Karen ihre Mutter Laurie an, die schon wieder zur Gegenwehr greift, obwohl ihr eben erst die von Michael im Vorgängerfilm aufgeschlitzte Bauchdecke zugenäht worden ist. „Das System hat versagt!“ faucht Laurie Strode.

Willkommen zurück in Haddonfield, das immer noch so beschaulich aussieht wie vor 40 Jahren. Mit seinen hübschen, adrett bemalten Häuschen mit den Veranden davor, in denen die Menschen immer noch ohne Kontakt zu den Nachbarn ihr Leben leben und sich höchstens einmal in der Bar des Städtchens über den Weg laufen. Und doch ist etwas anders als früher. Die friedlichen Menschen von Haddonfield, die seit 40 Jahren das Trauma der Halloweennacht 1978 mit sich herumschleppen, lehnen sich auf, wollen nicht mehr wehrlos sein, sich nicht mehr auf das System verlassen und die Behörden mit ihrem hohlen Sicherheitsversprechen. Eine gesichtslose Bedrohung, die die Polizei nicht unter Kontrolle bekommt, schleicht durch die Straßen und bringt Menschen um. Das Systemversagen ist evident. Das Volk rottet sich zusammen – „Das Böse stirbt heute! Das Böse stirbt heute!“ – spuckt auf Recht und Gesetz, auf die Ordnung der Zivilisation. Und zieht in die Schlacht. Dass das dann nicht ohne Kollateralschäden abgeht, weil zwar alle wissen, dass der Irre Michael Myers heißt, aber nur die wenigsten wissen, wie der Kerl unter der Maske eigentlich aussieht und sie also prompt den Falschen in den Suizid treiben, hält sie nicht auf – „Er hat es geschafft, uns alle in Monster zu verwandeln!“, stöhnt der in Ehren grau gewordene Kleinstadtsheriff Leigh Brackett, dem noch ein Mal John Carpenters Lieblings-Nebendarsteller Charles Cyphers Statur verleiht (Die Klapperschlange – 1981; Halloween 2 – Das Grauen kehrt zurück – 1981; The Fog – Nebel des Grauens – 1980; "Elvis – The King“ – 1979; Das unsichtbare Auge – 1978). Das ist die Moral dieser Geschichte: Böses schafft Böses!

Da diskutiert der Film eine aktuell sehr populäre Gesinnung zwischen den 24 Einzelbildern pro Filmsekunde. Eine rechtslibertäre Haltung, die sich in westlichen Demokratien breit macht, wie wir sie im Sturm auf das Capitol im Januar 2021 gesehen haben, als sich Menschen zusammenrotteten, weil sie den Institutionen nicht mehr vertrauten; ein radikalisiertes (Wut)Bürgertum, wie wir es gegen Stuttgart21 erlebt haben. Das als "Querdenker" gegen Coronamaßnahmen auf die Straße geht und sich auch von Wasserwerfern der staatlichen Ordnung nicht mehr aufhalten lässt. John Carpenter ist (hier als Produzent) mit seiner Halloween-Serie, die 1978 als Low-Budget-Kunstwerk startete, das für elegante Filmkunst stand, in der Tagespolitik gelandet. Das Volk greift zu den Waffen, um sich selbst und die Seinen zu beschützen: „Die Menschen haben Angst“, postuliert Laurie Strode in einem langen Plädoyer aus dem Off. „Das ist der wahre Fluch von Michael. Es ist die Essenz des Bösen. Es ist der Terror, der stärker wird, wenn wir uns vor ihm verstecken. Wenn sie ihn heute nacht nicht aufhalten, ist er vielleicht morgen schon wieder da. Wir können nicht die Augen verschließen und so tun, als wäre er nicht da. Denn er ist da.“ Gegen Flüchtlingswellen, Terrorismus, ungeliebte Bahnhöfe, den alltäglichen Messerstecher hilft nur die Aufrüstung des privaten Haushalts. Und weil es ein Horrorstück im Kino ist, greift das Volk natürlich auch zur Mistgabel, die seit frühen Frankensteinzeiten zur Grundausstattung des wütenden Mobs gehört.

Davor und dazwischen ist der Film nicht besonders spannend. Er lässt sich viel Zeit für eine Exposition, in der wir nochmal mit jener Nacht in Haddonfield 1978 konfrontiert werden, weil da einige Figuren sind, auf die wir im aktuellen Film wieder treffen, die im Verlauf des Films aber keine weitere Rolle als die des nächsten Opfers spielen. Weil das Drehbuch diesem Kapitel des Halloween-Franchises außer der beschriebenen Populismus-Metapher keine eigene Geschichte mit gibt, braucht es die Charaktere von einst, um im Kinosessel wenigstens ein bisschen um die Opfer bangen zu können, von denen es hier noch ein bisschen mehr gibt, als im Vorgängerfilm – "Halloween kills"? Diesmal stimmt das. Ultimativ. Auf dem Weg zur eigentlichen Handlung aber verfanst sich der Film in Nebensächlichkeiten. Trauern tun wir um die Toten prompt nicht, ekeln uns ein bisschen angewidert lustvoll an dem unterschiedlich blutigen, immer schmerzhaften Mordhandwerk, das sich seine Opfer wahllos sucht. Einerseits, heißt es irgendwann, wolle Michael zielstrebig zurück in jenes Haus, das er als kleiner Junge sein Zuhause nannte, bis er als 6-Jähriger seine Schwester ermordete. Anderseits nimmt er aber jede Menge Umwege durch andere Häuser, in denen er rasch noch ein paar Unbeteiligte umbringt.

Nur einer ist unter den Gesichtern von damals, der mehr als eine Opferrolle spielt. Es ist Tommy, vor 40 Jahren der kleine Junge, auf den Laurie als Babysitterin aufpasste und ihm dabei das Leben vor dem irrlichternden Maskenmann rettete. Anthony Michael Hall (Edward mit den Scherenhänden – 1990) spielt ihn, dessen Namen wir aus dem 80er-Jahre-Kino kennen, als er unter der Regie von John Hughes häufig den bei Mitschülern wenig beliebten Geek spielte (L.I.S.A. – Der helle Wahnsinn –1985; The Breakfast Club – 1985; Das darf man nur als Erwachsener – 1984). Sein 40 Jahre älter gewordener Tommy nun ist ein humorloser Draufgänger mit Beschützerinstinkt – „Damals hast Du mir das Leben gerettet. Jetzt rette ich Deins!“ Tommy wird zum Gesicht des populistischen Aufruhrs, mehr aber dann auch schon wieder nicht. Wem sollte er auch das Leben retten? Laurie? Der tapferen Babysitterin von einst, die sich gegen das Maskenmonster zur Wehr setzte, Tommy das Leben rettete, aber einige Freundinnen an den Killer verlor? Laurie ist längst, das ist ein Motiv ältester Heldensagen, Michaels Spiegelbild – unkaputtbar. Frisch vom OP-Tisch, wo ihr geschlitzte Organe gerettet und die Bauchdecke genäht wurde, in die Intensivstation gebracht, rammt sie sich eine schmerzhemmende Spritze in den Hintern, um weiter kämpfen zu können. Ihr graues Gesicht unter den weißen Haaren mit den vielen Kratzern wird der verranzten Maske des Killers (ursprünglich eine simple Captain-Kirk-Maske, die der Ausstatter weiß gepinselt hatte) immer ähnlicher. David Gordon Green schneidet beide Antlitze nicht zufällig direkt gegeneinander. Es braucht ein Monster, um ein Monster zu bezwingen.

Wertung: 3 von 8 €uro
IMDB