Die als Profiler tätige Psychologin Helen Hudson wird nach einem Vortrag über Serienmörder in der Toilette fast erhängt. Der Täter Daryll Lee Cullum tötet dabei einen Polizisten.
13 Monate später. Helen leidet an Agoraphobie, verlässt kaum noch ihre Wohnung. Als die Inspektorin M. J. Monahan nach dem dritten Fall in einer Mordserie um Hilfe bittet, lehnt sie eine Mitarbeit zunächst ab. Sie betrachtet die Tatfotos nur widerwillig, weil sie an ihr eigenes Schicksal erinnert wird. Dann erkennt Helen bei dem mit einem Strumpf erdrosselten Opfer eine Parallele zum Boston Strangler. Per E-Mail erhält sie ein makabres Video, das auf das nächste Opfer hinweist, sich aber sofort selbst löscht.
Wenig später entdeckt die Polizei nach einem Hippie-Festival die Leiche einer jungen Frau, die nach dem Vorbild der Hillside Stranglers getötet wurde. Der Mord an einer weiteren Frau in einem Auto nahe einer Tankstelle erinnert an David Berkowitz. Am Tatort gibt es eine Nachricht für Helen, die den Text des Police-Songs "Murder by numbers" enthält. Als die Psychologin den Brief analysiert, erinnert sie sich an frühere Mörder.
In der Nacht findet sie einen abgetrennten Finger und eine persönliche Widmung …
"Copycat" schafft gerade eben noch den Ritt auf der Sympathie-Welle, die Serienkiller-Thrillern eine Zeit lang entgegengebracht wurde, bevor das Genre gerade im Dickicht aufgeblasener Fernsehserien und billiger Videothekenware verschwindet. Es ist ein prominent besetzter, professionell inszenierter Thriller, der ein en-voge-Thema variiert. Seit Hannibal Lecter 1991 ist der Serienkiller salonfähig. seither überbieten sich Autoren und Regisseure mit kruden Mordphantasien.
Im vorliegenden Fall stehen Kopien unappetitlicher Serienmorde im Mittelpunkt. Das widerspricht zwar allen, auch im Film postulierten Erkenntnissen über Serienkiller, aber Kino lebt in diesem Genre von der Überraschung und von der Übertreibung und was ist in der Phantasie eines Filmstudio-Buchhalters spannender (also: verkaufsfördernder) als ein Serienmörder? Ein Serienmörder, dessen "Serie" darin besteht, berüchtigte, grausame, blutige Serienkiller aus der Kriminalgeschichte zu kopieren. Es irritiert, dass in diesem Fall nicht die Frage, wer der Täter ist, die spannende ist – den sehen wir recht bald und ahnen ebenfalls bald, dass es da noch einen Drahtzieher im Hintergrund geben muss – sondern, was Helen Hudson trotz ihrer Agoraphobie wohl dazu bringen wird, ihren geschützten Raum zu verlassen und auf die Straße zu gehen; denn dass sie das spätestens im Finale tun wird, steht außer Frage, wozu sollte die zweite Hauptfigur neben der Ermittlerin diese komplizierte Störung sonst ins Drehbuch geschrieben bekommen?
Regisseur Jon Amiel (Sommersby – 1993; "Julia und ihre Liebhaber" – 1990) fallen ein paar schöne Spielereien mit der Angst vor großen Plätzen ein. Der Story allerdings dienen sie nicht. Sie sind Inszenierungs-Mätzchen, so wie die dauernd um die Psychologin Hudson herum schwebende Kamera ein Inszenierungs-Mätzchen ist. Da imitiert die Kamera einen subjektiven Blickwinkel und damit eine Bedrohung der Psychologin, die im seidenen Nachthemd – also wehrlos – durch ihre Wohnung flaniert, die tatsächlich gar nicht gegeben ist. Was diese Erzähltechnik angeht, war schon John Carpenter in seiner frühen TV-Inszenierung Das unsichtbare Auge (1978) versierter (und spannender). Hier retten den Film nur seine beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen, die die Löcher im Drehbuch unsichtbar machen und die als eben diese Tatsache "zwei Hauptdarstellerinnen" schon eine Schlagzeile wert sind.
"Copycat" präsentiert zwei Frauen im Zentrum eines modernen Hollywood-Thrillers: Sigourney Weaver (Der Tod und das Mädchen – 1994; Dave – 1993; 1492 – Die Eroberung des Paradieses – 1992; Alien 3 – 1992; Ghostbusters II – 1989; Die Waffen der Frauen – 1988; Gorillas im Nebel – 1988; Ghostbusters – 1984; "Ein Jahr in der Hölle" – 1982; Alien – 1979; Der Stadtneurotiker – 1977) als Psychologin Helen Hudson hat Übung darin, unsichtbaren Gefahren vor der Kamera auszuweichen, um schließlich doch zurückzuschlagen. Im Kinosessel fürchten wir gerne mit ihr, auch wenn ihre Weinerlichkeit nicht zu ihrem Auftreten passt. Das Drehbuch beschreibt sie etwas holzschnittartig: Sie lebt zusammen mit ihrem sehr freundlichen, sehr lebenslustigen, sehr schwulen Assistenten, der darin einer Modeerscheinung des 90er-Jahre-Kinos gleicht, und vermisst in ihrer Einsamkeit den Sex mit (heterosexuellen) Männern, den sie sich dann versucht, bei dem 14 Jahre jüngeren Dermot Mulroney zu besorgen. Das möchte ich Sigourney Weaver auch von Herzen gönnen. Allein, mit ihrer Drehbuchfigur hat dieses Verlangen eher nichts zu tun. Ihre Helen Hudson laviert zwischen psychisch angeknackster Cognac-Trinkerin und messerscharfer Durchdringerin von Motiven irrer Killer. Ihre Verlangen nach Sex, der eine Zeit lang Story und Film beherrscht, bleibt bloße Behauptung.
Eine super Besetzung als Cop M.J. Monahan ist Holly Hunter (Die Firma – 1993; "Das Piano" – 1993; Always – Der Feuerengel von Montana – 1989; Broadcast News – Nachrichtenfieber – 1987; "Arizona Junior" – 1987). Hunters Cop hat einen abgelegten Lover im Polizeirevier, den Will Patton spielt, den wir als durchgedrehten Streber im Verteidigungsministerium in No Way Out – Es gibt kein Zurück (1987) in Erinnerung haben. Der Film macht mit keiner Szene deutlich, was diese beiden einst verbunden haben könnte und also wirkt diese M.J. Monahan im besten Sinne geschlechtslos – eine Frau in einer Männerrolle. Aber Hunter ist mit ihren sanften Rehaugen, die ihrer autoritären Körperspannung widersprechen, perfekt für diese Figur. Das Drehbuch lässt ihre männlichen Polizeikollegen ihr ein Verhältnis mit ihrem jungen Partner andichten, was letztlich aber genauso absurd wirken würde, wie ein Verhältnis dieses Jungen mit jener von Sigourney Weaver gespielten Psychologin. Kurz: Das da oben auf der Leinwand sind Drehbuchfiguren, die Drehbuch-Dinge tun, aber keine glaubhaften Menschen. Entsprechend unterentwickelt bleibt im Kinosessel zu diesem Thriller meine Angst, die Jon Amiel dann mit dröhnendem Bass-Score zu verstärken versucht.
Das gelingt für den Moment, Kino ist halt ein großer Verführer. Ist aber nicht nachhaltig.