Zwischen Mülltonnen findet der Tramp ein schreiendes Baby. Es scheint zu niemandem zu gehören., Niemand vermisst es. Seine Versuche, es in andere Obhut zu geben – bei einer Dame mit Kinderwagen etwa – scheitern. Er findet einen Zettel bei dem Kind, den offenbar die Mutter geschrieben hat und in dem sie bittet, für „das Waisenkind“ zu sorgen. Also nimmt sich der Tramp des Kleinen an und zieht es groß.
Fünf Jahre später sind die beiden ein Herz und eine Seele. Sie leben in einer kleinen Kemenate unterm Dach von der Hand in den Mund. Ihren kargen Lebensunterhalt verdienen sie sich auf juristisch tönernen Füßen. Der Kleine wirft Fensterscheiben ein und zufällig kommt dann jedes Mal der Tramp des Wegs mit frischem Glas im Gepäck und bietet an, das Malheur gegen kleines Geld zu richten. Immer klappt das nicht. Manchmal steht ein Polizist im Weg herum und dann müssen sich der Tramp und der Junge, "John" getauft, irgendwie anders durchschlagen.
Zum Glück gibt es die herzensgute Schauspielerin, die ihren großen Erfolg an der städtischen Bühne mit den Ärmsten der Armen teilt. Regelmäßig kommt sie ins Viertel und verteilt Spielzeug, Früchte und hier und da auch mal eine Münze. Was niemand ahnt: Die erfolgreiche Schauspielerin ist dem Viertel eng verbunden. Sie lebte selbst einst hier, bis sie ein Kind gebar. Der Vater, ein brotloser Künstler, ließ sie sitzen. Sie allein aber konnte sich um das Kind nicht kümmern und so legte sie es auf den Rücksitz der Limousine in der Hoffnung, der sicher wohlhabende Besitzer werde sich seiner annehmen.
Aber das Auto wurde gestohlen von zwei Gaunern aus dem Viertel. Das schreiende Kind interessierte sie nicht. Also warfen sie es fort, zwischen die Mülltonnen, wo es wenig später der Tramp finden sollte …
Charlie Chaplin feiert das Leben und die Menschen – sofern die keine Uniform tragen. Der Staat und seine Institutionen sind in der Welt dieses Films nichts wert – autoritär, ungerecht, selbstherrlich, arrogant. Chaplins Welt ist die Welt der unteren Fünftausend. Menschen, die von der Hand in den Mund leben und von der Fürsorge füreinander.
"The Kid" ist Charles Chaplins erster Langfilm, nachdem wer sich bisher mit den für die damalige Zeit üblichen Kurzfilmen mit Slapstik und Situationskomik best heftig hatte. Dass Chaplin der Sinn nach Mehr stand, nach Tieferem, sieht man in "The Kid" zum ersten Mal. „Ein Film mit einem Lächeln, und – vielleicht – einer Träne.“ steht im Vorspann des Films, so eine Art Warnung für das Publikum der frühen 20er Jahre, die die übliche Witzelst erwarteten. Die Mischung aus Clownerei, Pathos und menschlicher Güte wird in den Filmes Chaplins, die folgen, zu seinem Markenzeichen.
Das im Vorspann gewarnte Publikum fand sich in diesem und den späteren Filmen Chaplins offenbar wieder. Das Filmbudget lag bei 250.000 US-Dollar. "The Kid" wurde zu einem Kassenschlager und machte 2,5 Millionen US-Dollar Gewinn, was damals eine außergewöhnlich hohe Summe war. Insgesamt soll der Film bis 2020 rund 60 Millionen US-Dollar eingebracht haben.
Die Szenerie in "The Kid" zeigt ärmlichste Verhältnisse, ähnlich wohl denen, in den Chaplin selbst in London an der Seite einer psychisch kranken Mutter heranwuchs. Die Menschen hier sind auf sich gestellt, aufeinander angewiesen. Der Staat traut ihnen nichts zu. Als der Amtsarzt erfährt, dass der Tramp nicht "Johns" wahrer Vater ist, lässt er sofort das Jugendamt kommen, das den Jungen abholt; diese Szene wirkt, als käme der Tierfänger, der wilde Hunde ins Tierheim schleppt. Derselbe Staat hat kein Problem damit, dasselbe Kind einer reichen Frau in die Arme zu drücken, die behauptet, die echte Mutter zusein, dies aber gar nicht beweisen kann.
Die Szenen, in denen Chaplin und der junge Jack Coogan ihr Familienleben zelebrieren, sind allerherzigst. Liebevoll schaut der Tramp, dass der Junge sich ordentlich die Fingernägel putzt. Beim Essen wird sehr genau geteilt, niemand soll hungrig zu Bett gehen. Flöhe, die sich ins Haar des Jungen verirren, entsorgt der Tramp sorgsam. Der Junge dankt es ihm mit Aufmerksamkeit und großer Liebe
Charlie Chaplin sah Jackie Coogan mit seinem Vater Jack Coogan Sr. (1887–1935) bei einer Vaudeville-Aufführung. Überzeugt von Coogans Talent, schrieb er die Geschichte des Kindes auf ihn zu. Chaplin und Coogan verstanden sich hervorragend und besuchten an den Sonntagen regelmäßig zusammen Vergnügungsparks und ähnliche Orte. Sie blieben bis zu Chaplins Tod im Jahre 1977 befreundet.
Coogans Vater wurde als Schauspieltrainer seines Sohnes von Chaplin verpflichtet und erhielt 125 US-Dollar in der Woche, während sein Sohn in der Hauptrolle nur 75 US-Dollar erhielt. Coogan Sr. übernahm ebenfalls mehrere kleine Nebenrollen im Film, unter anderem als der Taschendieb in der Unterkunft und als einer der Teufel in der Traumsequenz. In seiner Autobiografie erinnerte sich Chaplin daran, dass Coogan Sr. seinen Sohn beim Dreh der Szene, in der das Kind fast ins Waisenhaus gebracht wird, zum Weinen bringen sollte. Coogan Sr. erzählte daraufhin seinem Sohn, dass wenn er in der Szene nicht weinen würde, er ebenfalls ins Waisenhaus gebracht werden würde. Letztlich weinte der Junge.
Jackie Coogan wurde durch den Film zu Amerikas wohl größtem Kinderstar der 1920er Jahre, doch der Erfolg verließ ihn nach der Pubertät, und seine Mutter und sein Stiefvater hatten sein ganzes Geld ausgegeben. Später konnte er als Charakterdarsteller einige Erfolge verzeichnen, etwa als Uncle Fester in der Serie "The Addams Family".
Die minderjährige Schauspielerin Lita Grey, die den Tramp in seiner Traumsequenz zu verführen versucht, heiratete Charles Chaplin etwa drei Jahre später, weil sie als Folge einer Affäre während der Dreharbeiten zu Goldrausch im Alter von 16 Jahren ein Kind von ihm erwartete: Charles Chaplin junior. Zum Zeitpunkt des Drehs von "The Kid" war Chaplin noch in einem Scheidungskrieg mit seiner ersten Frau Mildred Harris. Mildreds Anwälte drohten damit, das Negativ des Filmes zu konfiszieren. Daraufhin floh Chaplin heimlich mit den Negativen und seinen engsten Mitarbeitern aus Kalifornien nach Salt Lake City, wo er sie in einem Hotelzimmer zusammenschnitt.
Die Kinofilme von Charles Chaplin
Sir Charles Spencer „Charlie Chaplin jr.“, KBE, (* 16. April 1889 vermutlich in London; † 25. Dezember 1977 in Corsier-sur-Vevey, Schweiz) war ein britischer Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor, Schnittmeister, Komponist, Filmproduzent und Komiker.
Chaplin gilt als erster Weltstar des Kinos und zählt zu den einflussreichsten Komikern der Filmgeschichte. Seine bekannteste Rolle ist die des "Tramps". Die von ihm erfundene Figur mit Zweifingerschnurrbart (auch Chaplinbart genannt), übergroßer Hose und Schuhen, enger Jacke, Bambusstock in der Hand und zu kleiner Melone auf dem Kopf, mit den Manieren und der Würde eines Gentleman, wurde zu einer Filmikone. Charakteristisch für seine Filme wurde die enge Verbindung zwischen Slapstick-Komödie und ernsten bis tragischen Elementen. Das American Film Institute wählte Chaplin auf Platz 10 der größten männlichen amerikanischen Filmlegenden
- The Kid – Der Vagabund und das Kind (1921)
A Woman of Paris – Die Nächte einer schönen Frau (1923) - The Gold Rush – Goldrausch (1925)
- The Circus – Der Zirkus (1928)
- City Lights – Lichter der Großstadt (1931)
- Modern Times – Moderne Zeiten (1936)
- The Great Dictator – Der Große Diktator (1940)
- Monsieur Verdoux – Der Frauenmörder von Paris (1947)
- Limelight – Rampenlicht (1952)
- A King in New York – Ein König in New York (1957)
- A Countess from Hong Kong – Die Gräfin von Hongkong (1967)