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Plakatmotiv: Monsieur Verdoux – Der Frauenmörder von Paris (1947)

Charles Chaplin als Frauenmörder
wider die Doppelmoral zündet nicht

Titel Monsieur Verdoux – Der Frauenmörder von Paris
(Monsieur Verdoux)
Drehbuch Charles Chaplin
nach einer Idee von Orson Welles
Regie Charles Chaplin, USA 1947
Darsteller

Charles Chaplin, Mady Correll, Allison Roddan, Robert Lewis, Audrey Betz, Martha Raye, Ada May, Isobel Elsom, Marjorie Bennett, Helene Heigh, Margaret Hoffman, Marilyn Nash, Irving Bacon, Edwin Mills, Virginia Brissac u.a.

Genre Komödie, Crime
Filmlänge 110 Minuten
Deutschlandstart
6. Juni 1952
Website charliechaplin.com
Inhalt

Frankreich in den 1930er-Jahre, Weltwirtschaftskrise: Henri Verdoux hat seine Anstellung in der Bank verloren. Um seinen Unterhalt zu sichern, heiratet er reiche Witwen fortgeschrittenen Alters oder liiert sich mit ihnen, um sich anschließend ihr Geld anzueignen und sie schließlich zu ermorden.

Gleich zu Beginn der Handlung fällt ihm ein Mitglied der Familie Couvais zum Opfer, später eine weitere unsympathische Witwe namens Lydia Floray. Das Geld von den Raubzügen verwendet er für seine geliebte, gehbehinderte Frau Mona und ihren gemeinsamen Sohn, damit diese auf dem Lande ein sorgenfreies und glückliches Leben führen können. Mona weiß nichts von seinen Taten, beschwert sich aber (wie auch alle falschen Frauen), dass Verdoux immer so schnell wieder fortmüsse.

Dabei erscheint Verdoux stets als gut gekleideter, zuvorkommender Gentleman; der eigentlich überzeugter Pazifist und Vegetarier ist und sogar kleine Raupen nicht übertrampeln will, während er sein jüngstes Opfer gerade im Ofen zu Asche verbrennen lässt.

Plakatmotiv: Monsieur Verdoux – Der Frauenmörder von Paris (1947)Von seinem Freund, dem Wissenschaftler Maurice Bottello, erfährt Verdoux von einem neuen Gift: Dieses wirke schnell, tödlich, schmerzfrei und sei außerdem wohl nicht im Körper des Opfers nachzuweisen. Verdoux braut sich das Gift zusammen und will es an einem armen Mädchen ausprobieren, das gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde und ihm zufällig auf der Straße begegnete.

Er mischt das Gift in ein Weinglas, das er dem Mädchen gibt. Im Gespräch entwickelt Verdoux jedoch zunehmend Sympathie mit dem jungen Mädchen und entdeckt ihren Lebenswillen, weshalb er das Weinglas austauscht und ihr etwas Geld mit auf den Weg gibt. Seinen Giftwein probiert Verdoux stattdessen später am Detektiv Morrow aus, der dem Serienmörder auf seinen Streifzügen gefolgt ist und ihn nun wegen zwölffachen Mordes verhaften will …

Was zu sagen wäre

Charlie Chaplin, weltberühmt als The Tramp, als der traurige Clown in lustigen Filmdramen, wechselt die Tonart. Gekleidet in feinen Zwirn tritt er als formvollendeter Gentleman auf. Der Frauen mordet. Er tut das kalkuliert, aber nicht aus bösem Herzen, wiewohl er seine Morde kalt durchzieht.

Für ihn ist das notwendiges Beiwerk, um seinen Job machen zu können, nämlich seine Frau im Rollstuhl und den gemeinsamen Sohn durch die Jahre der Wirtschaftskrise zu bringen. 30 Jahre war er der loyale und tüchtige Angestellte in einer Bank, die sich seiner entledigte, kaum dass es eng wurde. Niemand wollte ihn mehr, also suchte er Frauen, denen er sich als Galan andiente. Moralisch ist das für ihn gerechtfertigt.

Ein Toter ist Mord“, sagt er auf der Anklagebank. „Millionen Tote ist Heldentum.“ Dass er auf der Anklagebank landet, darf verraten werden. Chaplin beginnt seinen Film mit dem Grabstein des Frauenmörders, der seine Geschichte als Rückblende erzählt. Gedreht hat Chaplin zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Kriegsgreuel und die deutschen Konzentrationslager noch sehr frisch im Gedächtnis liegen. Augenscheinlich will er diese These mit seinem Film durchdeklinieren.

Im letzten Viertel des Films trifft der jetzt alte Verdoux, der nach einem Börsencrash Vermögen, Frau und Kind verloren hat, jene junge Frau wieder, der er vor vielen Jahren auf der Straße half, als sie gerade aus dem Gefängnis frei kam. Sie ist inzwischen die Geliebte eines Rüstungsfabrikanten, der wegen des Zweiten Weltkrieges Unmengen an Geld verdient. Daraus schließt Verdoux, seine Taten seien auch nicht nicht schlimmer als das normale Tagwerk von Geschäftsleuten und Soldaten, die eben im Krieg oder im Kapitalismus töten. Das ist eine interessante These, die einerseits zwar die besonderen Umstände in einem Krieg ausblendet, anderseits aber einen zynischen, wahren Kern hat.

Plakatmotiv (US): Monsieur Verdoux – Der Frauenmörder von Paris (1947)Der Film trägt diese These aber nicht mit, die erst zum Schluss formuliert wird. Vorher ist davon nie die Rede, da ist Chaplin stets der gut gekleidete Herr mit der Mimik, die sich seit seinen Stummfilmzeiten nicht verändert hat und schleimt sich an reifere Damen heran. Diesem schändlichen Treiben schaut man im Kinosessel knapp 90 Minuten zu, ohne Sympathie für ihn entwickeln zu können. Ja, er tut das, um seiner kranken Frau ein besseres Leben zu ermöglichen. Würde er dafür Banken ausrauben, wäre das in einer Gesellschaft, in der das Großkapital die Menschen in den Abgrund reißt, eher verständlich. Aber Mord ist dann doch ein anderes Kaliber – noch dazu diese besonders heimtückische Variante.

Dass Chaplin es dennoch schafft, mit ihm zu fiebern, ob seine Tricks funktionieren, ob seine Morde rechtzeitig gelingen, zeigt seine Qualität als Filmemacher, der sich auf Kamera und Bildschnitt versteht, auch darauf, seinen Score sehr punktiert einzusetzen. Handwerklich hat der Film eine hohe Qualität. Chaplin ist der falsche Hauptdarsteller und hätte das Buch vielleicht lieber Orson Welles verfilmen lassen sollen, der es ursprünglich schon geschrieben hatte und Chaplin in der Hauptrolle wollte; bis Chaplin ihm das Skript abkaufte, umschrieb und selbst inszenierte. Womöglich hätte Welles die Zwischentöne dieser Polemik gegen die gesellschaftliche Doppelmoral klarer herausstellen können.

Wertung: 3 von 6 D-Mark
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