Frankreich in den 1930er-Jahre, Weltwirtschaftskrise: Henri Verdoux hat seine Anstellung in der Bank verloren. Um seinen Unterhalt zu sichern, heiratet er reiche Witwen fortgeschrittenen Alters oder liiert sich mit ihnen, um sich anschließend ihr Geld anzueignen und sie schließlich zu ermorden.
Gleich zu Beginn der Handlung fällt ihm ein Mitglied der Familie Couvais zum Opfer, später eine weitere unsympathische Witwe namens Lydia Floray. Das Geld von den Raubzügen verwendet er für seine geliebte, gehbehinderte Frau Mona und ihren gemeinsamen Sohn, damit diese auf dem Lande ein sorgenfreies und glückliches Leben führen können. Mona weiß nichts von seinen Taten, beschwert sich aber (wie auch alle falschen Frauen), dass Verdoux immer so schnell wieder fortmüsse.
Dabei erscheint Verdoux stets als gut gekleideter, zuvorkommender Gentleman; der eigentlich überzeugter Pazifist und Vegetarier ist und sogar kleine Raupen nicht übertrampeln will, während er sein jüngstes Opfer gerade im Ofen zu Asche verbrennen lässt.
Von seinem Freund, dem Wissenschaftler Maurice Bottello, erfährt Verdoux von einem neuen Gift: Dieses wirke schnell, tödlich, schmerzfrei und sei außerdem wohl nicht im Körper des Opfers nachzuweisen. Verdoux braut sich das Gift zusammen und will es an einem armen Mädchen ausprobieren, das gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde und ihm zufällig auf der Straße begegnete.
Er mischt das Gift in ein Weinglas, das er dem Mädchen gibt. Im Gespräch entwickelt Verdoux jedoch zunehmend Sympathie mit dem jungen Mädchen und entdeckt ihren Lebenswillen, weshalb er das Weinglas austauscht und ihr etwas Geld mit auf den Weg gibt. Seinen Giftwein probiert Verdoux stattdessen später am Detektiv Morrow aus, der dem Serienmörder auf seinen Streifzügen gefolgt ist und ihn nun wegen zwölffachen Mordes verhaften will …
Charlie Chaplin, weltberühmt als The Tramp, als der traurige Clown in lustigen Filmdramen, wechselt die Tonart. Gekleidet in feinen Zwirn tritt er als formvollendeter Gentleman auf. Der Frauen mordet. Er tut das kalkuliert, aber nicht aus bösem Herzen, wiewohl er seine Morde kalt durchzieht.
Für ihn ist das notwendiges Beiwerk, um seinen Job machen zu können, nämlich seine Frau im Rollstuhl und den gemeinsamen Sohn durch die Jahre der Wirtschaftskrise zu bringen. 30 Jahre war er der loyale und tüchtige Angestellte in einer Bank, die sich seiner entledigte, kaum dass es eng wurde. Niemand wollte ihn mehr, also suchte er Frauen, denen er sich als Galan andiente. Moralisch ist das für ihn gerechtfertigt.
„Ein Toter ist Mord“, sagt er auf der Anklagebank. „Millionen Tote ist Heldentum.“ Dass er auf der Anklagebank landet, darf verraten werden. Chaplin beginnt seinen Film mit dem Grabstein des Frauenmörders, der seine Geschichte als Rückblende erzählt. Gedreht hat Chaplin zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Kriegsgreuel und die deutschen Konzentrationslager noch sehr frisch im Gedächtnis liegen. Augenscheinlich will er diese These mit seinem Film durchdeklinieren.
Im letzten Viertel des Films trifft der jetzt alte Verdoux, der nach einem Börsencrash Vermögen, Frau und Kind verloren hat, jene junge Frau wieder, der er vor vielen Jahren auf der Straße half, als sie gerade aus dem Gefängnis frei kam. Sie ist inzwischen die Geliebte eines Rüstungsfabrikanten, der wegen des Zweiten Weltkrieges Unmengen an Geld verdient. Daraus schließt Verdoux, seine Taten seien auch nicht nicht schlimmer als das normale Tagwerk von Geschäftsleuten und Soldaten, die eben im Krieg oder im Kapitalismus töten. Das ist eine interessante These, die einerseits zwar die besonderen Umstände in einem Krieg ausblendet, anderseits aber einen zynischen, wahren Kern hat.
Der Film trägt diese These aber nicht mit, die erst zum Schluss formuliert wird. Vorher ist davon nie die Rede, da ist Chaplin stets der gut gekleidete Herr mit der Mimik, die sich seit seinen Stummfilmzeiten nicht verändert hat und schleimt sich an reifere Damen heran. Diesem schändlichen Treiben schaut man im Kinosessel knapp 90 Minuten zu, ohne Sympathie für ihn entwickeln zu können. Ja, er tut das, um seiner kranken Frau ein besseres Leben zu ermöglichen. Würde er dafür Banken ausrauben, wäre das in einer Gesellschaft, in der das Großkapital die Menschen in den Abgrund reißt, eher verständlich. Aber Mord ist dann doch ein anderes Kaliber – noch dazu diese besonders heimtückische Variante.
Dass Chaplin es dennoch schafft, mit ihm zu fiebern, ob seine Tricks funktionieren, ob seine Morde rechtzeitig gelingen, zeigt seine Qualität als Filmemacher, der sich auf Kamera und Bildschnitt versteht, auch darauf, seinen Score sehr punktiert einzusetzen. Handwerklich hat der Film eine hohe Qualität. Chaplin ist der falsche Hauptdarsteller und hätte das Buch vielleicht lieber Orson Welles verfilmen lassen sollen, der es ursprünglich schon geschrieben hatte und Chaplin in der Hauptrolle wollte; bis Chaplin ihm das Skript abkaufte, umschrieb und selbst inszenierte. Womöglich hätte Welles die Zwischentöne dieser Polemik gegen die gesellschaftliche Doppelmoral klarer herausstellen können.
Das Drehbuch nach einer Idee von Orson Welles war inspiriert vom Fall des Serienmörders Henri Désiré Landru. Die Prämisse der Handlung wurde von Kritikern als „Mord ist die logische Erweiterung des Kapitalismus“ gedeutet; die Hauptfigur tötet für Verdienst, somit ist er (von seinem Standpunkt) kein Mörder. Welles bemühte sich, den Film mit Chaplin als Star zu inszenieren, aber Chaplin stieg in letzter Minute mit der Äußerung aus, er hätte noch nie unter fremder Regie gestanden, und wolle jetzt nicht damit anfangen.
Stattdessen kaufte Chaplin das Skript von Welles und schrieb Teile neu, und erwähnte Welles nur für die Idee. Eine andere Geschichte legt nahe, dass Welles, obwohl das Skript erst noch geschrieben werden musste, Chaplin für die Hauptrolle wollte. Chaplin beschloss, er wolle kein Skript mit Welles schreiben müssen, und zog sich zurück. Überdies bestand Welles darauf, einen Film-Credit für die Handlungsidee von Verdoux zu bekommen, wenn er dies nach einer Vorführung wünsche.
Die Kinofilme von Charles Chaplin
Sir Charles Spencer „Charlie Chaplin jr.“, KBE, (* 16. April 1889 vermutlich in London; † 25. Dezember 1977 in Corsier-sur-Vevey, Schweiz) war ein britischer Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor, Schnittmeister, Komponist, Filmproduzent und Komiker.
Chaplin gilt als erster Weltstar des Kinos und zählt zu den einflussreichsten Komikern der Filmgeschichte. Seine bekannteste Rolle ist die des "Tramps". Die von ihm erfundene Figur mit Zweifingerschnurrbart (auch Chaplinbart genannt), übergroßer Hose und Schuhen, enger Jacke, Bambusstock in der Hand und zu kleiner Melone auf dem Kopf, mit den Manieren und der Würde eines Gentleman, wurde zu einer Filmikone. Charakteristisch für seine Filme wurde die enge Verbindung zwischen Slapstick-Komödie und ernsten bis tragischen Elementen. Das American Film Institute wählte Chaplin auf Platz 10 der größten männlichen amerikanischen Filmlegenden
- The Kid – Der Vagabund und das Kind (1921)
A Woman of Paris – Die Nächte einer schönen Frau (1923) - The Gold Rush – Goldrausch (1925)
- The Circus – Der Zirkus (1928)
- City Lights – Lichter der Großstadt (1931)
- Modern Times – Moderne Zeiten (1936)
- The Great Dictator – Der Große Diktator (1940)
- Monsieur Verdoux – Der Frauenmörder von Paris (1947)
- Limelight – Rampenlicht (1952)
- A King in New York – Ein König in New York (1957)
- A Countess from Hong Kong – Die Gräfin von Hongkong (1967)