In Paris stehen die Vorbereitungen zur Triathlon-Weltmeisterschaft an und die Stadt sieht dem Ereignis voller Vorfreude entgegen. Die Stimmung wird jedoch getrübt, als die junge Umweltaktivistin Mika sich bei der Wissenschaftlerin Sophia meldet und sie darüber informiert, dass es einen riesigen Hai vom Atlantik in die Seine verschlagen hat und er nun bereits in Paris sei.
Als Sophias Forschungen dies bestätigen und sie die städtischen Politiker über die Gefahr informiert, schenkt man ihr jedoch keinen Glauben. Zumindest in Adil, dem Kommandanten der Flusspolizei, findet Sophia einen Unterstützer. Gemeinsam mit ihm begibt sie sich auf die Jagd nach dem Raubfisch.
Doch als der Startschuss für die WM fällt, wird der Schwimm-Teil des Sportwettbewerbs bald zum Schlemmerbüfett für den verirrten Hai …
Badespaß war gestern. Und das schreibe ich nicht wegen der auf dem Plakat, in den Trailern und der im Kurzinhalt erwähnten Fressfische, die die Unterwasserwelt in diesem Film bevölkern. Auch ohne gefährliches Getier gibt es hier keinen Kubikmeter Wasser, der nicht zugemüllt wäre mit Plastik, E-Scootern, Gartenstühlen und anderem Rotz, den menschen irgendwann irgendwo mal ins Wasser geworfen haben. Überall hängen hier labberige, klebrige Plastikfetzen im grünlichen Wasser. Da will man nicht schwimmen gehen.
Irgendwas in diesem Müll hat möglicherweise zu der Mutation geführt, die die Meeresbiologin Sophia Assalas aufgespürt hat: Ein Hai, Kosename: Lilith, der binnen weniger Wochen um das dreifache seiner Körpergröße gewachsen ist – „Sie haben sich angepasst. Lilith ist die erste einer neuen Spezies. Wenn wir sie nicht ausrotten, vermehren sie sich weiter und bevölkern endlos alle Meere.“ Dieser Hai schwimmt nun, drei Jahre später, in der Seine. Kurz vor einem weltweit übertragenen Triathlon, der in eben dieser Seine beginnen soll. „1,7 Milliarden“, rechnet die Bürgermeisterin vor, wurden schon ausgegeben für die Vorbereitung von Triathlon und Olympischen Spielen (von denen wir wissen, das die ja tatsächlich in wenigen Wochen auf der Seine eröffnet werden sollen), weit mehr als 1000 Journalisten und Reporter aus aller Welt werden erwartet. Ein gefräßiger Fisch stört da das Gesamtbild.
Ein Hai-Film also. Zum Thema Haiangriff hat ultimativ Steven Spielberg natürlich vor 49 Jahren schon alles gezeigt, was man wissen will in einem Thriller über einen Haibesuch, angefangen beim Bürgermeister, hier der Bürgermeisterin, die einfach nicht verstehen will, wieso ein Hai, der schon ein paar Menschen aus ihrer Stadt gefressen hat, nun ein Problem für die große, weltweit beachtete und für das Stadtmarketing exorbitant wichtige Massenveranstaltung sein soll. „Monsieur Präfekt“, weist sie das unschöne Thema von sich, „ich will, dass Sie das Ganze vertuschen!“ Der Präfekt daraufhin geht zackig und wortlos ab. Der Hai indes freut sich auf eine Schlachtplatte in buntem Neopren.
Das Genre des Haifilms lebt nach mehreren zunehmend fragwürdigeren Fortsetzungen des Spielberg-Films in den 1970er Jahren ein Dasein im Bereich des spaßigen Eskapismus. Da gab es erst eine ganze Reihe von "Sharknado"-Filmen, in denen mutierte Haie durch einen Tornado an Land gefegt wurden, auf dem sie sich fröhlich durchfraßen; es gab Kreuzungen aus Hai und Oktopus – "Sharktopus" – die in etwa dasselbe taten; Jason Statham trat zweimal gegen einen Urzeithai an, gigantisch groß und eigentlich ausgestorben. Und jetzt also bietet uns Xavier Gens (Hitman – Jeder stirbt alleine – 2007) einen Hai in der verdreckten Gülle der Seine an.
Gens bedient sich, das lässt sich kaum vermeiden, bei den berühmteren unter den Creature Features. Damit wir die Wege des Hais auf dem Höhepunkt des Triathlons besser verfolgen können, zieht der einmal an der Oberfläche gelbe Begrenzungsbojen hinter sich her – so wie Spielbergs Hai 1975 die gelben Tonnen, die Quinn ihm mit der Harpune an den mächtigen Leib genagelt hatte. In der Abgeschiedenheit einer vergessenen Katakombe unter der Stadt hat der Hai ein ganzes Nest mit Nachwuchs voll gemacht – wie weiland Roland Emmerichs Godzilla (1998) im Madison Square Garden. Originell und überraschend wird es im Wasser der Seine kaum einmal, abgesehen von den Szenen, in denen wir uns fragen sollen, ob der Hai jetzt ins Bild springt. Oder jetzt? Oder doch erst jetzt? Und wen er dann frisst. Aber was soll's, es geht ja wie gesagt nicht um Erkenntnisgewinn, sondern ausschließlich um die Unterhaltung in diesem Film, der präzise kalkuliert wenige Wochen vor dem Start der Olympischen Spiele in Paris Premiere feiert. Bis dahin soll – tatsächlich jetzt in der realen Welt – die Seine so sauber sein, dass überhaupt ein Mensch mal wieder in sie hinein darf; es wurden gigantische Rückhaltebecken gebaut, die verhindern sollen, dass weiterhin Abwässer und die handelsübliche Kanalisation das Wasser der Seine verschmutzen, damit hier olympische Schwimmwettbewerbe stattfinden können. Allerdings wurde vor wenigen Tagen, Ende Mai, der Termin, zu dem (die reale) Bürgermeisterin Anne Hidalgo und (der reale) Präsident Emmanuel Macron in die Seine springen wollten, um zu zeigen, wie sauber deren Wasser mittlerweile ist, verschoben, weil das Wasser, nun ja, nicht nachhaltig genug von Fäkalien und anderem Schleim befreit sei.
Auch unter der Regie von Xavier Gens sieht das Wasser nicht einladend aus. Hier bewegen sich nur die aufrechten Beamten der Wasserschutzpolizei mal in Ganzkörper-Neopren, die im Alltag allerdings vor allem damit beschäftigt scheinen, freundliche Clochards mit irgendwo ausrangierten Büchern zu versorgen und sie bei der Gelegenheit zu bitten, für die Tage des von tausenden internationalen Kameras erfassten Triathlons an den unsichtbaren Stadtrand zu ziehen – was die Clochards auch bereitwillig tun. Ernst nehmen sollte man den Film also nicht. Gens sieht seinen Film als politische Satire über die Bevorzugung von finanziell lukrativen Geschäften gegenüber dem Naturschutz. Im Interview legt er gleich nach, "Im Wasser der Seine" sei eine ökologische Fabel, mit der er die Auswirkungen von Umweltverschmutzungen und des Klimawandels auf die Tierwelt aufzeigen wolle. Der Hai fungiere wie einst auch King Kong nicht als Bösewicht des Films, sondern setze sich nur gegen die menschengemachte Zerstörung des Planeten zur Wehr.
Nun ja. So ein Satz dient dem Verkauf des Films mehr, als der Umwelt, aber schön, dass wir darüber gesprochen haben. Der Film ist ein gut gemachter, großer Spaß! Bérénice Bejo (The Artist – 2011; Ritter aus Leidenschaft – 2001) als zupackende Meeresbiologin Sophia ist in ihrer kompromisslosen Überzeugung eine hinreißende Enkelin des sympathischen Haifreundes Matt Hooper, den Richard Dreyfuss 1975 spielte. An ihrer Seite spielt Nassim Lyes den coolen Wasserschutz-Cop mit tragischer Vergangenheit, der sich erfrischenderweise von dem Hai-Gerede der ihm nicht näher bekannten Sophia dennoch beeindrucken lässt und sofort umsichtig handelt; es entfallen also lähmende Filmminuten, in denen unter Aufbietung tragischer Haiopfer erst einmal der Filmpartner überzeugt werden muss, bevor die eigentliche Handlung dann beginnen kann.
Die Special Effects sind mäßig und dem Medium geschuldet. "Im Wasser der Seine", der 2019 mal fürs Kino geplant war, wurde unter die Fittiche von Netflix genommen. Gegenüber der kompromisslosen Großbildleinwand reichen daheim aber selbst für das XXL-Pantoffelkino zwei Drittel der fürs Kino üblichen SFX-Kosten. In denen sieht man dann, dass längst nicht alle Szenen mit Eiffelturm, Louvre oder Notre Dame im Hintergrund tatsächlich an der Seine gedreht wurden, sondern im Schwimmbassin vor Greenscreen, und wenn der Hai ein ums andere Mal aus dem Wasser springt, um sich seinen Imbiss an der Oberfläche zu holen, schießt einem schon die Frage durch den Kopf, ob man das am heimischen Computer mit Effektprogrammen wie "Motion" nicht auch hinbekommen würde.
Letztlich perlt diese Art der Nörgelei an dem Film ab, der nicht mehr als das Äquivalent eines Big Mac sein will: Lecker und sättigend für den Moment, aber in ein paar Monaten sprechen nur noch Haifilm-Afficionados davon.