IMDB

Plakatmotiv: On the Rocks (2020)

Eine fluffige Hochglanzkomödie,
die tief in eine Generation hinein blickt

Titel On the Rocks
(On the Rocks)
Drehbuch Sofia Coppola
Regie Sofia Coppola, USA 2020
Darsteller
Bill Murray, Rashida Jones, Marlon Wayans, Jessica Henwick, Jenny Slate, Liyanna Muscat, Alexandra Mary Reimer, Anna Chanel Reimer, Barbara Bain, Juliana Canfield, Alva Chinn, Mike Keller, Musto Pelinkovicci, Zora Casebere, Melissa Errico u.a.
Genre Comedy, Drama
Filmlänge 96 Minuten
Deutschlandstart
23. Oktober 2020
Website a24films.com/on-the-rocks
Inhalt

Laura glaubt, dass sie glücklich mit ihrem Leben und ihrer Familie ist, aber als ihr Ehemann Dean mit einer neuen Kollegin bis spät im Büro arbeitet, beginnt Laura das Schlimmste zu befürchten.

Sie wendet sich an den einen Mann, von dem sie vermutet, dass er den Durchblick hat: ihren charmanten, impulsiven Vater Felix, der darauf besteht, dass sie der Situation gemeinsam auf den Grund gehen.

Als die beiden nachts durch New York streifen und sich von Uptown-Partys zu Downtown-Hotspots bewegen, entdecken sie im Laufe ihrer Reise ihre eigene Beziehung wieder …

Was zu sagen wäre

Vielleicht hat er einfach kein Interesse mehr an mir“, befürchtet Laura und ihr Vater erwidert „Unmöglich!“ Natürlich sagen Väter sowas, wenn ihre Töchter traurig sind. Aber dieser Vater wird gespielt von Bill Murray ("Zombieland 2" – 2019; Grand Budapest Hotel – 2014; Monuments Men: Ungewöhnliche Helden – 2014; Moonrise Kingdom – 2012; Zombieland – 2009; Lost in Translation – 2003; Die Royal Tenenbaums – 2001; 3 Engel für Charlie – 2000; Rushmore – 1998; ... und täglich grüßt das Murmeltier – 1993; Ghostbusters – Die Geisterjäger – 1984; Tootsie – 1982; Ich glaub' mich knutscht ein Elch! – 1981; Babyspeck und Fleischklößchen – 1979) und da kommt so eine Antwort mindestens einem Naturgesetz gleich. Dies ist die Geschichte einer Abnabelung von alten Gewissheiten und der Entdeckung neuer Abenteuer. Eine junge Frau, verheiratet, Mutter zweier Kinder, steckt in einer Lebenskrise. Und weil ihre Freundinnen, die Mütter der anderen Kinder, immer in Hektik sind – „Wir müssen uns bald mal auf einen Kaffee treffen!“ / „Ich schick Dir 'ne SMS.“ – ruft sie den Mann an, der immer für sie da war: Dad. Ein Bonvivant der ausgestorbenen Sorte. Geschieden, mit der Mitarbeiterin durchgebrannt, Affären gehabt und – wir sind in New York – mit dem Handel von Kunst zu Reichtum gekommen. Einer, der für jeden ein freundliches Wort hat, Kellnerinnen so aufmerksam behandelt wie gute Freunde. Der seiner Tochter sagt, sie müsse anfangen, „wie ein Mann zu denken“.

Als eine Reihe von Details auf eine Affäre ihres Ehemannes hinweist, überredet der Bonvivant-Papa seine Tochter zu einer durchgeplanten Observation. Zur Beschattungsaktion fährt er im kirschroten Oldtimer-Cabrio vor. So wird aus Lauras Lebenskrise ein witziges, tiefgründiges Vater-Tochter-Abenteuer, bei dem Felix seiner Tochter ein paar Wahrheiten über die unterschiedlichen Leben von Mann und Frau beibringen will. „Es gibt eine Sekte, in Kanada, bei der Frauen unschuldige Männer entführen. Und wenn die versuchen, zu fliehen, oder sich irgendwie zu wehren, beschwichtigen die Frauen sie mit Sex.“ „Klingt, wie eine Deiner Fantasievorstellungen.“ „Ist ein bisschen, wie bei den Bonobos. Und die kennst Du ja.“ „Die Affen?“ „Die einzigen Säugetiere, bei denen die Weibchen die Männchen dominieren. Warum ist das so, wenn eine Frau eine Affäre hat, ist es so wunderbar ist, dass sie jemanden gefunden hat. Aber wenn eine Mann eine Affäre hat, vögelt er seine Sekretärin?

Diese Tochter hat es gerade nicht leicht. Gefühlt eben erst gab es die wild romantische Hochzeitsnacht mit Liebesspielen im mondänen Swimmingpool, räumt die Autorin jetzt allabendlich hinter ihren beiden kleinen Töchtern her, während Ehemann Dean ein nicht näher bezeichnetes Start-Up nach oben bringt, für das er durch die Welt jettet, um neue Partner zu überzeugen und Kunden zu ködern. Sie sitzt daheim und leidet unter einer Schreibblockade.

Im edlen Ambiente hipper New Yorker Lofts und angesagter Bars behandelt Coppola die großen Fragen zwischen Frauen und Männern, die im 21. Jahrhundert eine Beziehung eingehen und eine Familie gründen. Die versuchen, Arbeit und Familie, das stressige Dauer-präsent sein im Job mit der Freizeit in Einklang zu bringen, oder kurz: die eine ausgewogene, in Hochglanzmagazinen gefeierte Work-Life-Balance suchen, sie im Alltag aber nicht finden. Statt dessen enden sie da, wo Familien schon in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gelandet sind: Er geht arbeiten, sie kümmert sich um die Kinder. Einzige Entwicklung heute: Jederzeit steht ein Babysitter bereit, wenn man mal auswärts dinieren möchte.

Coppola beschreibt Eheleute, deren Leben auseinander fliegt, während sie darin sitzen. In einer der ersten Szenen kommt nachts ihr Mann nach Hause, küsst seine schlafende Frau und als sie aufwacht, dreht er sich um und schläft ein. Bei einem gemeinsamen Dinner erzählt er ganz aufgeregt über neue Entwicklungen im Job und sie erzählt gequält, dass sie, die Mutter, nichts zu Papier bringe, weil „Ich bin's so gewohnt, nachts zu schreiben. Tagsüber am Schreibtisch zu sitzen, fühlt sich an, als würde alle Kreativität erstickt“ und er erwidert wie ein Motivationstrainer von der Bühne herunter „Du musst einfach! anfangen!“, was ihr nur noch ein luftleeres „Jaa …“ abringt. Es ist die Optimize-Yourselfisierung der agil berufstätigen 20er-Jahre-Mentalität, die sowas wie Kindererziehung routiniert outgesourct hat. Dieser kurze Geburtstagsdialog ist schönes, auf die Nebengeräusche hörendes auf-den-Mund-Schreiben.

Neben dieser Generation Coppola erleben wir Papa Felix, der mit allergrößter Nonchalance Werte vertritt, die in der Gemeinschaft der stets woken Diversity-Gesellschaft zu den absoluten No-Gos gehören: „Es liegt in ihrer Natur: Männer sind gezwungen zu kämpfen, sich zu behaupten und alle Frauen zu schwängern.“ Es ist dann eine Frage der Perspektive, wen man eher bemitleidet und überlegt kurz, dass es schön wäre dabei zu sein, wenn Coppola den Film mit ihrem Vater Francis guckt.

Für die Vaterrolle holt Coppola Bill Murray zurück vor die Kamera , mit dem sie Lost in Translation (2003), ihren schönsten, unkompliziertesten Film gemacht hat! Damals hängte sie ihn an die Fersen der jungen, durch Tokio flirrenden Scarlett Johansson. Heute hängt sie die bezaubernde Rashida Jones als Laura an seine Rockschöße, die lernen wird, dass Daddy, auch wenn der versprochen hat, sie bliebe immer seine Kleine, „bis zu Deiner Hochzeit. Und auch nach Deiner Hochzeit“ nicht ihr Leben leben kann, sondern sie sich auf ihr eigenes in dieser verrückt schnell gewordenen Welt einlassen muss.

Der Film erzählt die Sorgen und Freuden seiner Thirtysomethings in elegant gedimmten Hochglanzambiente, in dem immer Platz bleibt für fluffig charmante Witzchen. Ein bisschen oberflächlich. Wie die Figuren im Film. In der Schule muss sich Laura jeden Tag die Liebesprobleme einer befreundeten Mutter anhören, die ohne Unterbrechung auf sie einredet und dann halt aufhört, wenn Laura weiter muss. Die Menschen sind geschäftig, finden ihre Jobs „sehr großartig“, das Team „unglaublich“ und über Laura und Dean erfahren wir nur, dass ihre Liebe für zwei Kinder gereicht hat und ihr höchstes Streben nun noch ist, den anderen zu beeindrucken.

Sofia Coppola kennt die Welt, in der ihr Film spielt. Sie lebt als Regisseurin von Spielfilmen, Musikvideos und Werbeclips in New York zwischen Musikern, Künstlern und dem Geldadel der Upper East Side (Die Verführten – 2017; The Bling Ring – 2013; Somewhere – Verloren in Hollywood – 2010; "Marie Antoinette" – 2006; Lost in Translation – 2003; The Virgin Suicides – 1999). Ihr wiederkehrendes Thema, die Sehnsucht nach dem besseren Früher, die in ihren Hauptfiguren schlummert, führt sie diesmal weder in ein fernes Versailler Schloss, noch nach Tokio, weder ins Chateau Marmont in den Hollywood Hills noch in die Luxusvillen Kaliforniens. Ihre Sehnsucht führt Sofia Coppola diesmal vor die eigene Haustür.

Wertung: 6 von 8 €uro
IMDB