Die beiden Schwestern Blanche und Jane Hudson, beide ehemalige Schauspielerinnen, leben zusammen in einem alten Haus in Hollywood. Unter dem Künstlernamen "Baby Jane" war die Jüngere in der Zeit vor und während des Ersten Weltkriegs ein gefeierter Kinderstar.
Doch während sie älter wurde, verblasste ihre Berühmtheit mit der Zeit. Stattdessen machte ihre Schwester Blanche Karriere und erwies sich als talentierte Schauspielerin. Auf dem Höhepunkt ihres Ruhm jedoch erlitt sie einen mysteriösen Autounfall und ist seit damals an den Rollstuhl gefesselt.
Jane kümmert sich um ihre Schwester, doch dabei verliert sie zunehmend den Kontakt zur Realität. Schon vom Alkohol und der Enttäuschung über das Ende ihrer Karriere gezeichnet, erfährt Jane zufällig von den Plänen ihrer Schwester, das gemeinsame Haus zu verkaufen. Da entwirft sie einen Plan, um ihre Schwester loszuwerden und gleichzeitig ihr Comeback einzuläuten. Zunehmend übernimmt sie die Kontrolle über Blanches Alltag und schottet sie ganz von der Außenwelt ab, macht sie ganz offen für das Scheitern ihrer eigenen Karriere verantwortlich.
Aus geschwisterlicher Eifersucht wird blanker Hass …
„Baby Jane? Wer soll das sein?“, fragt der Mann in der Anzeigenannahme der örtlichen Zeitung. „Keine Ahnung“, erwidert schulterzuckend ein Kollege. Das Schaustellergewerbe ist grausam. Es setzt auf jugendliche Schönheit und siebt aus, was Falten wirft. Die Folgen hat Billy Wilder 1950 grandios und erschreckend in Boulevard der Dämmerung als als Crime-Drama verpackte Satire aufs Showgeschäft ins Kino gebracht. Robert Aldrich (El Perdido – 1961; Vera Cruz – 1954; Massai – Der große Apache – 1954) erzählt ein ähnliches Drama mit Elementen des Horrorfilms.
Im Zentrum stehen zwei Schwestern, Antipoden – die eine blond, die andere dunkelhaarig; die eine umtriebig, die andere an den Rollstuhl gefesselt; die eine ehemals ein Star, der verblasste, als der Stern ihrer Schwester aufging. Beide leben allein in einem großen Haus, nur eine Haushälterin schaut ab und an vorbei. Daraus lässt sich einiges machen. Aldrich macht daraus einen Coup, indem er Bette Davis und Joan Crawford besetzt. In gewisser Weise spielen die beiden ihr eigenes Schicksal. Denn beide waren in der 60er Jahren nicht mehr gefragt, Studiobosse schmähten sie als „zwei abgetakelte alte Schachteln“ (two old washed-up broads). Das trägt mit dazu bei, dass Aldrichs Film heute als Klassiker, als Meilenstein des Hollywoodkinos gilt. Zu seiner Zeit war seine Qualität durchaus umstritten.
Die beiden Protagonistinnen sind Abziehbilder für Schwarz und Weiß. Bette Davis gibt die psychisch kranke Furie, die über ihren Bedeutungsverlust schon in frühen Jahren dem Wahnsinn verfiel. Joan Crawford gibt das gepeinigte Opfer mit entsprechender Leichenbittermine, vielleicht auch, weil Davis sie mit ihrem exaltierten Auftritt gnadenlos an die Wand spielt (Opfer einer großen Liebe – 1939; Kid Galahad – Mit harten Fäusten – 1937; Mord im Nachtclub – 1937). Die alkoholsüchtige, wahnsinnige Baby Jane wirkt zu jeder Zeit derart realistisch und angsteinflößend, dass man die Empfindungen ihrer hilflosen Schwester Blanche teilt.
Dennoch gibt La Crawford (Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen – 1954) so leicht nicht auf und erspielt sich zwei Szenen, die nachhaltig im Kopf des Zuschauers bleiben. Einmal schaut sie sich im Fernsehen eine ihrer alten Liebesfilme an und über ihr Gesicht huschen alle Empfindungen gleichzeitig: Erinnerungen an die erfolgreiche Zeit damals, Wehmut, dass die Zeit vergangen ist, Zorn über ihr Schicksal, Agonie. Das zweite Mal ist eine Szene, in der Crawfords einzige Chance, Hilfe zu rufen, ein Telefon ist, welches sich aber am Fuß einer Treppe befindet. Blanche muss erkennen, dass sie, gelähmt, die Treppe nicht überwinden kann. Auf ihrem Gesicht zeichnet sich ab, wie jede Hoffnung in ihr stirbt.
Damals blieb ein Film mit zwei großen Namen, einem einigermaßen überraschenden Ende und der Erkenntnis, wie gut sich Robert Aldrich darauf versteht, Horror in den Köpfen seiner Zuschauer zu erzeugen, weil er mit ihren Erwartungen zu spielen versteht. Ein mit silbernem Deckel abgedecktes, warm gehaltenes Essen erzeugt Suspense schon durch eine Kamera aus der Froschperspektive, die den Deckel des Tellers bedrohlich groß vor Joan Crawford Gesicht schiebt. Wenn Jane unmittelbar vorher ihrer Schwester Blanche erzählt hat, dass im Keller Ratten seien, steigert sich der Horror exponentiell: Was liegt wohl auf dem Teller, unter dem Deckel? Ein spannender Thriller also über das dramatische Schicksal zweier aneinander geketteter Schwestern.
Das Duell der beiden Schauspielerinnen ist in der Rückschau besonders spannend. Crawford und Davis waren in Hollywood ewige Rivalinnen im Kampf, die größere Diva, die bessere Schauspielerin zu sein. Viel wurde damals geschrieben, speziell um die Oscarverleihungen herum, wie beide sich gezofft und angezickt haben sollen; das meiste liest sich heute eher wie die Marketingtexte eines Studios, das seine Stars im Gespräch halten will. Bette Davis und Joan Crawford waren die größten weiblichen Stars im Hollywood der dreißiger und vierziger Jahre. Robert Aldrichs Dilemma war, dass Anfang der 60er kein bedeutender Produzent bereit war, Geld in eine Produktion zu stecken, deren Hauptstars zwei Frauen waren, deren Zeit – nach Maßstäben Hollywoods – längst abgelaufen war. So musste der Regisseur das Geld für diesen Film selber auftreiben.
Es sollte sich lohnen. "What Ever Happened to Baby Jane" kostete weniger als eine Million Dollar, spielte aber bis 1963 schon neun Millionen ein. Der Film wurde ein Glücksfall für alle Beteiligten. Bette Davis spielt Baby Jane Hudson, ein ehemals sehr erfolgreicher Kinderstar, der im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts viele Zuschauer glücklich machen konnte. Sie erlitt jedoch das Schicksal nahezu aller Kinderstars – je älter sie wird, desto kleiner wird ihre Popularität. Man vergisst Baby Jane. Ihre Schwester Blanche hingegen, die im Schatten ihrer berühmten Schwester stand, wird ein erfolgreicher Hollywoodstar, der als attraktive junge Lady viel Geld mit Liebesschnulzen verdient. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere werden die Beine Blanches zerschmettert. Sie ist nun unfähig zu laufen und immer auf die Hilfe ihrer Schwester angewiesen, ist ihr hilflos ausgeliefert.
Der Film hat über die Jahrzehnte – angesichts blutspritzenden Splatterhorrors seit den Nuller Jahren – einiges von seinem akuten Horror verloren, insgesamt ist er aber gut gealtert. Ein Klassiker des schwarzhumorigen Hollywoodkinos wird er immer bleiben.
Das einzige Problem des Films liegt in der Figurenkonstellation: Die beiden Figuren – Blanche und Jane – sind eindimensional und flach, da hier schlicht nach dem altbewährten Gut- und Böse-Muster gestrickt wurde. Blanche ist die hilflose Frau, die entfliehen möchte. Sie ist diejenige, mit welcher der Zuschauer Mitleid empfindet. Jane hingegen ist die Wahnsinnige, die eifersüchtig auf ihre Schwester ist und sie zerstören möchte, die innerlich sehr an ihrem verblassten Ruhm leidet. Leider entwickeln sich diese Charaktere nicht, sie bleiben eindimensional, gewinnen nicht an Tiefe. So ist das Schema recht einfach und Jane ist stets diejenige, die Böses tut. Sicher wäre es interessanter gewesen, die Abgründe beider Figuren zu durchleuchten und beide zu unerwarteten Taten zu treiben.
"What Ever Happened to Baby Jane" ist eine böse Satire, ein finsterer Psychothriller, ein unterschwellig zutiefst schockierender Horrorfilm. Es ist ein großartiger Film, der mit den Jahren seine Aktualität nicht verloren hat, wirft man nur einen Blick auf den Jugendwahn – nicht nur in den Vereinigten Staaten. Hier treten nun zwei ehemalige Topstars auf, von denen Bette Davis einen ausgesprochenen Mut zur Hässlichkeit beweist. Zwei Rivalinnen spielen Schwestern, die hilflos mitansehen müssen, wie die Welt um sie herum immer jünger wird und sich weigert, stillzustehen. Die Wut und Hilflosigkeit finden unterschiedliche Ventile. Spannend!