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Plakatmotiv: Gandhi (1982)

Ein imposantes Kino-Epos und
wohl der letzte Monumentalfilm

Titel Gandhi
(Gandhi)
Drehbuch John Briley
Regie Richard Attenborough, UK, Indien 1982
Darsteller

Ben Kingsley, John Gielgud, Rohini Hattangadi, Roshan Seth, Candice Bergen, Edward Fox, Trevor Howard, John Mills, Martin Sheen, Ian Charleson, Günther Maria Halmer, Athol Fugard, Saeed Jaffrey, Geraldine James, Alyque Padamsee, Amrish Puri, Ian Bannen, Michael Bryant, John Clements, Nigel Hawthorne, Bernard Hepton, Michael Hordern, Shreeram Lagoo, Om Puri, Virendra Razdan, Richard Vernon, Supriya Pathak, Neena Gupta, Shane Rimmer, Anang Desai, Winston Ntshona, Marius Weyers, Alok Nath, Ken Hutchison, Charu Bala Chokshi, Daniel Day-Lewis, Mohan Agashe, Bernard Hill, Nana Palsikar, Geoffrey Chater, Habib Tanveer, Bernard Horsfall, Pankaj Kapoor, Tarla Mehta, Terrence Hardiman, Tom Alter, Sekhar Chatterjee, Harsh Nayyar u.a.

Genre Biografie, Historie
Filmlänge 191 Minuten
Deutschlandstart
18. Februar 1983
Inhalt

Mohandas Karamchad Gandhi, von seinem Volk liebevoll Mahatma – große Seele – genannt, geht nach seinem Studium in England 1893 mit 23 Jahren nach Südafrika. Konfrontiert mit den Apartheid-Gesetzen dort, praktiziert er erstmals gewaltlosen Widerstand.

1915 kehrt er in seine Heimat Indien zurück, wo er sein eigentliches Ziel verfolgt: Indiens Unabhängigkeit vom britischen Empire. Mehr als 40 Jahre vergehen, bis die Kolonie endlich frei wird, allerdings geteilt in einen Hindi- und einen moslemischen Staat.

1948 fällt Gandhi einem Attentat zum Opfer …

Was zu sagen wäre

Gut, dass es das Kino gibt und engagierte Filmemacher. Mein historisches Verständnis ist nicht sehr ausgeprägt, Geschichte in der Schule fand ich mit diesem Daten-auswendig-lernen langweilig, und als dann mein bilingualer Zweig am Gymnasium Geschichte auch noch auf französisch lehrte mit französischem Geschichtsbuch, war es mit dem Interesse komplett vorbei. Ich habe womöglich mehr über europäische Geschichte durch den Gallier Asterix gelernt als von meinem französisch sprechenden und lispelnden Geschichtslehrer.

Dass Geschichte auch spannend und, nun ja, lehrreich sein kann, hat sich mir erst durch den Film erschlossen. TV-Verfilmungen wie "Wallenstein", Epen wie Cleopatra (1963) oder Doktor Schiwago (1965) weckten Interesse an ehemaligen Zuständen in der Welt. Und jetzt kommt "Gandhi". Und ich sitze ich Kino und bin fassungslos, wie (weiße) Menschen mit (farbigen) Menschen umgehen – wobei die Erwähnung der Hautfarbe wohl unerheblich ist. Nicht, dass ich davon nicht schon mal gehört hätte, aber gesehen, wie in diesem Film, habe ich das kaum einmal, ähnlich in der TV-Serie "Holocaust" vor ein paar Jahren. Dort waren es die Nazis. Hier sind es die Briten erst in Südafrika, später in Indien in einer Art und Weise, die sprachlos macht: Diese arrogante Weltpolitik, diese Art Menschen zu besitzen ist noch keine hundert Jahre her!?

Richard Attenborough, der auch als Schauspieler in internationalen Produktionen auftritt (Die Brücke von Arnheim – 1977; Magic Christian – 1969; Kanonenboot am Yangtse-Kiang – 1966; Der Flug des Phoenix – 1965; Gesprengte Ketten – 1963), zieht hier als souveräner Regisseur einen großen Bilderbogen von 1893 bis zu Gandhis Ermordung 1948. Dass er ermordet wird, darf man in diesem Fall verraten, nicht nur, weil das eine historische Tatsache ist, sondern auch, weil der Film unmittelbar mit dem Attentat beginnt, das in einem gewaltigen Trauerzug mit rund 300.000 Statisten seinen Höhepunkt findet. Anschließend springt der Film ins Jahr 1893, als der junge Anwalt Mohandas Gandhi in Südafrika in einem Rechtsstreit vermitteln soll und bald die Auswirkungen der Apartheid am eigenen Leib erlebt. Mit der Bibel im Kopf entwickelt er die Idee des gewaltlosen Widerstands, zitiert die Stelle mit der anderen Wange, die man hinhalten solle, wenn man Dir auf die eine Wange schlägt: „Die Aufgabe eines Bürgerrechtlers besteht darin zu provozieren. Und wir werden so lange provozieren, bis sie irgendwann reagieren oder das Gesetz ändern. Nicht sie kontrollieren uns, sondern wir sie. Darin liegt die Stärke des unbewaffneten Widerstandes.

Attenborough (Die Brücke von Arnheim – 1977) beschränkt sich in seinem mehr als drei Stunden langen Epos auf die wichtigen Stationen in Gandhis Leben, springt von Südafrika nach Indien, wo Gandhi nach seiner Rückkehr im Jahr 1915 begeistert gefeiert wird. Er ruft zur „Kampagne der Nichtkooperation“ auf, die für die britische Industrie zur Folge hat, dass der riesige indische Absatzmarkt zusammenbricht. Gandhi wird mehrmals verhaftet, aber immer bald wieder freigelassen. Denn Gandhi hat die Macht der internationalen Presse erkannt und sucht die Nähe der Reporter. Der englischen Besatzungsmacht gefällt es gar nicht, wenn die Weltöffentlichkeit von Unterdrückung und Mord unter ihrer Gewaltherrschaft erfährt. Kühl erklärt er in Verhandlungen mit Lords und Abgesandten des Königshauses: „Irgendwann werden Sie bestimmt gehen. Verstehen Sie, 100.000 Engländer werden nicht die Kontrolle über 350 Millionen Inder ausüben können, wenn diese sich weigern, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.

Gandhi wird gespielt von dem Engländer Ben Kingsley, der sein Handwerk seit 1966 in Fernsehproduktionen verfeinert hat. Der 39-Jährige mit den strahlend braunen Augen ist die richtige Besetzung: Er sieht klein und wehrlos aus, strahlt aber eine Aura aus, die ihn zum Giganten macht: „Auge um Auge führt nur dazu, dass die ganze Welt erblindet.“ Richard Attenborough spart sich Szenen, in denen sein Titelheld zu langen Reden vor großem Publikum ansetzt. Plakatmotiv: Pressestimmen zu Gandhi (1982) Solche Szenen helfen, die Größe und Stärke einer Hauptfigur zu unterstreichen. Ben Kingsley hat das nicht nötig. Er ist mit seinem stechenden Blick von der ersten Szene an eine freundliche Autorität. Dass Gandhi dafür in privaten Gesprächen mal in Impulsreferate über Freiheit, Gewaltlosigkeit und Freundschaft abgleitet, fällt nicht ins Gewicht: „Ich möchte nur den Hindus hier und den Moslems dort beweisen, dass die einzigen Teufel auf der Welt die sind, die wir selbst in unseren Herzen tragen. Und eben da in unseren Herzen sollten unsere Schlachten geschlagen werden.“

Um Kingsley herum füllt der Hochadel des britischen Films auch die kleinsten Rollen mit Leben. Trevor Howard, der einst den grausamen Kapitän Bligh auf der Bounty spielte, hat einen kurzen Auftritt als zugewandter Richter. Sir John Gielgud gibt einen näselnden Lord, Edward Fox füllt die Rolle des Generals Dyer aus, der in Amritsar ein historisch verbürgtes Blutbad mit mehr als 370 Toten anrichtet. Auf diese Szene folgt in Gedenken an diese Toten im Kinosaal eine zweiminütige Pause mit schwarzem Bild zu Sitarmusik.

"Gandhi" ist vielleicht ein letzter Vertreter des großen Monumentalfilms im Geiste eines Ben Hur (1959) oder Die zehn Gebote (1956) – oder natürlich Lawrence von Arabien (1962). Attenborough inszeniert fantastische Landschaftspanoramen in prächtigen Farben, dazu beeindruckende Massenszenen mit einer ruhigen, eleganten Kameraführung. Für Szenenbild und Kamera gab es zwei von acht Oscars; insgesamt war "Gandhi" für elf Oscars nominiert. Der Film schafft es, in überwältigender Kulisse etwas von der persönlichen Ausstrahlung und den hohen menschlich-politischen Idealen Mahatma Gandhis zu vermitteln.

Wenn sich der Vorhang schließt, entlässt der Film seine Zuschauer nicht in eine heile Welt. In Indien sind die Briten abgezogen, aber kaum weht die indische Flagge über Neu Delhi, kriegen sich die unterschiedlichen Religionen in die Haare – Hindus, Moslems, Christen, Juden –, die jahrzehntelang friedlich in Dörfern miteinander gelebt hatten.

Wertung: 9 von 9 €uro
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