Bär Paddington wuchs tief im peruanischen Dschungel bei Tante Lucy auf. Da diese früher einmal Gelegenheit hatte, einen englischen Abenteurer kennenzulernen, hat sie ihren Schützling auf ganz eigenwillige Weise aufgezogen: Sie lehrte ihn, Marmelade zu kochen, dem BBC World Service zu lauschen und schwärmte von einem aufregenden Leben in London.
Als ein Erdbeben ihr Zuhause zerstört, sieht Lucy den richtigen Zeitpunkt gekommen, Paddington ein besseres Leben zu ermöglichen und schmuggelt ihn auf ein Schiff Richtung London. Davon ausgehend, dass alle Unbekannten Paddington während seiner Reise mit Höflichkeit begegnen, hängt sie ihm lediglich ein Schild mit der Aufschrift „Bitte kümmere dich um diesen Bären. Danke!“ um.
In London wird Paddington zwar von einer netten Familie aufgenommen, doch der kleine Bär stellt schnell fest, dass ihn das Stadtleben womöglich überfordern wird – zumal auch noch eine bösartige Tierpräparatorin hinter ihm her ist …
„Der Mensch muss hinaus ins feindliche Leben“, heißt einer dieser Erziehungssätze, die darauf hinauslaufen, dass "man" über den Tellerrand hinausschauen soll, andere Sitten und Gebräuche kennenlernen soll, um sich zu entwickeln. Was für Menschen gilt, gilt ja sicher auch für Bären.
„Bär im Haushalt“? Das erste Schöne an diesem Film ist, dass der Bär im geschäftigen Londoner Mensch-Treiben keine Unmöglichkeit darstellt. Er ist auch keine Normalität. Aber er wird als Wesen zunächst einmal einfach akzeptiert. Der braune Bär mit blauem Dufflecoat und rotem Hut wurde 1958 ersonnen und hat explizite Anspielungen an die Züge, mit denen jüdische Kinder per Eisenbahn aus Nazi-Deutschland nach England verschickt wurden in der Hoffnung, dort Aufnahme in britischen Familien zu finden. Damals erwiesen sich die Briten als im allgemeinen großzügig. Und Familie Brown erweist sich auch als großzügig – auch wenn Papa Brown ein wenig länger braucht.
Ich kenne die Buchvorlage nicht, weiß also nicht, wieviel Eigenleistung der Film gegenüber den Texten hat. Aber das spielt schnell keine Rolle mehr. Der Film erzählt sich aus einer positiven Grundstimmung. "Paddington" ist einer dieser Filme, bei denen ich mich im Kinosessel zurücklehnen und einfach gucken kann, ohne Angst zu haben. Dabei fällt dann auf, dass die visuellen Effekte eher so 90er Jahre sind. Die visuellen Ideen sind schön, die Effekte von gestern.
Das heftigste Pfund, mit dem der Film wuchern kann, sind Hugh Bonneville (Notting Hill – 1999; 007 – Der Morgen stirbt nie – 1997) und Sally Hawkins (Godzilla – 2014; Blue Jasmine – 2013; "An Education" – 2009; Cassandras Traum – 2007), die Dad und Mom Brown spielen und denen man in jeder Szene ansieht, dass sie unbändigen Spaß daran hatten, ihre Figuren zu spielen; dasselbe gilt für Nicole Kidman ("Ich. Darf. Nicht. Schlafen." – 2014; Trespass – Auf Leben und Tod – 2011; "Australia" – 2008; Die Dolmetscherin – 2005; "Die Frauen von Stepford" – 2004; Unterwegs nach Cold Mountain – 2003; "Der menschliche Makel" – 2003; "The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit" – 2002; The Others – 2001; Moulin Rouge! – 2001; Eyes Wide Shut – 1999; Projekt: Peacemaker – 1997; Batman Forever – 1995; Malice – Eine Intrige – 1993; In einem fernen Land – 1992; "Billy Bathgate" – 1991; Tage des Donners – 1990; "Todesstille" – 1989). Es wäre interessant zu erfahren, wie Regisseur Paul King welche Stimmung am Set erzeugt hat, um seinen Protagonisten diese Spiellaune zu entlocken.
"Paddington" ist jetzt nicht unbedingt ein großes Werk der Filmgeschichte. Aber "Paddington" ist ein knuffiger Spaß.
Die Fortsetzung: Paddington 2 (Paul King, 2017)