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Plakatmotiv: Die schönste Zeit unseres Lebens (2019)

Inszenierung ist alles. Ein Feelgood-
Movie der eleganten französischen Art

Titel Die schönste Zeit unseres Lebens
(La belle Époque)
Drehbuch Nicolas Bedos
Regie Nicolas Bedos, Frankreich, Belgien 2019
Darsteller

Daniel Auteuil, Guillaume Canet, Doria Tillier, Fanny Ardant, Pierre Arditi, Denis Podalydès, Michaël Cohen, Jeanne Arènes, Bertrand Poncet, Bruno Raffaelli, Lizzie Brocheré, Thomas Scimeca, Christiane Millet, Cédric Zimmerlin, François Vincentelli, Claude Aufaure, Sandrine Moaligou, Pierre Forest u.a.

Genre Komödie, Romantik, Drama
Filmlänge 115 Minuten
Deutschlandstart
28. November 2019
Inhalt

So kann es mit den Eltern einfach nicht weitergehen!“, denkt sich Maxime. Sein Vater Victor wird zunehmend zu einer Nervensäge, die mit sich, der Welt und dem Alter über Kreuz liegt. Seine Frau Marianne ist das genaue Gegenteil. Victors ewige schlechte Laune wird ihr schließlich zu viel. Sie setzt ihn kurzerhand vor die Tür.

Victor braucht definitiv Hilfe! Und Maxime hat eine Idee. Sein Freund Antoine hat eine Firma, "Time Travellers", die gut betuchten Kunden ermöglicht, in einem raffiniert eingerichteten Filmstudio in eine Zeit ihrer Wahl zu reisen. Victor willigt ein. Er entscheidet sich für das Jahr 1974, den exakten Tag, an dem er sich in seine Frau Marianne verliebt hatte.

Anfangs skeptisch, lässt er sich immer mehr in den Bann der Erinnerungen ziehen. Und die Kulisse aus Neonlichtern, Schlaghosen und Zigarettenrauch wird zu einer Reise, in der die betörende Schauspielerin Margot die Grenze zwischen damals und heute verschwimmen lässt …

Was zu sagen wäre

Wenn der Mensch alt wird, hat er nicht mehr viel mehr, als seine Erinnerungen an die Tage, als er noch wusste, wofür es sich zu leben lohnt. Wie schön, wenn man diese Tage dann noch einmal erleben könnte. Auftritt Daniel Auteuil, einer der goßen Stars des französischen Kinos (Mein bester Freund – 2006; Sade – 2000; Am achten Tag – 1996; "Die Bartholomäusnacht" – 1994; "Milch und Schokolade" – 1989; "Die Bankiersfrau" – 1980).

Er spielt Victor, einen unausstehlichen Alten, frustriert von sich, seiner eingeschlafenen Karriere als Comiczeichner, von diesem ganzen modernen Leben. Wieso gibt es Handys? Wozu das Internet? Wo doch er das alles gar nicht braucht! Sein Frust auf diese modernen Zeiten geht so weit, dass er sich mit dem Bordcomputer im Tesla prügelt, der Feueralarm auslöst, nachdem er sich wieder eine seiner filterlosen Gaulloises angezündet hat. Victor ist lieber arbeitslos, bevor er für irgendeine digitale Online-Zeitung seine heiligen Zeichnungen nicht auf Papier erstellt – und dass seine Marianne es heute ist, die das Geld für den gehobenen Pariser Lebensstandard verdient und nicht er, nagt wohl auch ein bisschen. Kein Wunder, dass die ihn eines Nachts entnervt vor die Tür setzt; und auch schon länger ein Verhältnis mit Victors, na ja, wie soll man sagen, bestem Freund unterhält, ein Zeitungsmann, der Victor eben erst entlassen hat.

Es ist nicht so, dass man nicht in jeder Filmminute die Lösung all der Liebesprobleme, zu der noch ein paar weitere kommen, riechen würde. Nicolas Bedos macht schnell deutlich, dass er uns ein Feelgoodmovie präsentieren wird, wie es so nur noch die Franzosen sich zu inszenieren trauen. Victor reist also quasi in die Vergangenheit, zu jenem Tag, an dem er seine geliebte Marianne in einem Bistro mit dem schönen Namen "La belle Epoque" kennenlernte. Er will noch einmal den Zauber Mariannes spüren, der ihm im Alltag offenbar abhanden gekommen ist. Tatsächlich aber fährt ihn ein Chauffeur nur in ein Filmstudio, wo die Kulisse dieser Vergangenheit, 1974, liebevoll nachgebaut worden sind. Es gehört zum Charme französischer Filme, dass sie es bei dem Nachbau belassen, keine pixelgewittrige Fantasy-Nummer inszenieren, wie es die wohl in Hollywood gäbe.

Von Anfang an geht es bei dieser Vergangenheit-Inszenierung nicht um die äußere Perfektion, sondern darum, dass die "Kunden", die ohnehin wissen, dass alles nicht echt ist, sich auf das inszenierte Spiel einlassen können. In der Kulisse erweisen sich Ziegelsteinmauern als lediglich auf Holz aufgeklebte Ziegelsteinfolie; schaut man nach oben, sieht man die an den Traversen hängenden Scheinwerfer; als Sänger eingekaufte Schauspieler können gar nicht singen und manchmal fauchen die Schauspieler ihren das Event im Verborgenen via Ohrstöpsel lenkenden Regisseur on Set an, er möge „die Schnauze halten“. Aber Victor ist trotz der Kulissenschiebereien verzaubert, blüht auf – und verliebt sich in die junge "Marianne", die eigentlich Margot heißt und außerhalb der Kulissen die OnOff-Geliebte des Regisseurs Antoine ist; die beiden leben eine leidenschaftliche Hassliebe, wie sie selten geworden ist im Kino, selbst im französischen. Und damit legen sie sich über die dysfunktionale Liebesgeschichte von Victor und Marianne. Beide werden parallel erzählt, manchmal schneidet Nicolas Bedos die Dialoge der streitenden Paare so ineinander, dass sie jeweils über Kreuz antworten – A auf C, B auf D. Dadurch entstehen herrliche Situationen, die deutlich machen, dass zwischen Frau und Mann nur ein Problem herrscht. Das Frau anders tickt als Mann und dass man das als potenzielles Paar akzeptieren kann. Oder es eben sein lässt. Die Liebe im französischen Kino ist immer einfach: Du musst Dich an den Moment erinnern, in dem Du Dich in diese Person verliebt hast. Punkt.

Während also Victor gerade nicht weiß, in welche Marianne er eigentlich verliebt ist - etwa doch in die, mit der er verheiratet ist, was ihm aber erst durch die junge Kulissen-Marianne klar geworden hat, oder doch in die junge, charmante, feurige Margot, langweilt sich die echte Marianne mit ihrem neuen Liebhaber derart, dass sie während eines Cunnilingus ihre 3D-Brille aufzieht und in fremde Welten abtaucht. La grande Fanny Ardant geht in dieser Nebenrolle ganz und gar auf (8 Frauen – 2002; Sabrina – 1995; Auf Liebe und Tod – 1983; Die Frau nebenan – 1981). Und Margot, die Schauspielerin, spielt die entflammt liebende Marianne so überzeugend, dass Antoine – und mit ihm wir (männlichen) Zuschauer – nicht wissen, was genau da gerade abgeht. Margot wird gespielt von Doria Tillier, die kleine Rollen in zwei Filmen und drei Fernsehserien in ihrer Künstlerinnenvita hat, und hier die Leinwand zum Leuchten bringt. Da liegt etwas Geheimnisvolles im französischen Kino über alle Jahrzehnte hinweg: Die Zahl der hier aufgetretenen, alle überstrahlenden Frauen ist nicht fassbar.

Es gehört dazu, dass das fröhliche Feelgoodmovie irgendwann an den Rand des Kitsches oder darüber abdriftet. Das ist der Moment, wenn die Protagonistinnen und Protagonisten ihre Erkenntnisse über das eben Erlebte nochmal in einem Dialog zusammenfassen und ihre Lehren daraus formulieren müssen – wir Zuschauer haben alles längst verstanden, aber die Helden müssen noch ihre Abbitte leisten. Da müssen wir auch in diesem schönen Film durch. Aber es ist ja Kino und gute Regisseure wissen um dieses Dilemma. Während des Abspanns also erlaubt sich Nicolas Bedos mittels einer Hochzeitsszene doch noch eine kleine, unterhaltsame Volte, die uns das unbeschwerte Lächeln zurück bringt. Das ganze Leben ist ein Spiel. Tous va bien.

Wertung: 7 von 8 €uro
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