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Plakatmotiv: Mein bester Freund (2006)

Die Suche nach einem echten Freund ist
Auslöser für eine wunderbare Komödie

Titel Mein bester Freund
(Mon meilleur ami)
Drehbuch Olivier Dazat & Patrice Leconte & Jérôme Tonnerre
Regie Patrice Leconte, Frankreich 2006
Darsteller

Daniel Auteuil, Dany Boon, Julie Gayet, Julie Durand, Jacques Mathou, Marie Pillet, Elizabeth Bourgine, Henri Garcin, Jacques Spiesser, Philippe du Janerand, Fabienne Chaudat, Jean-François Kopf, Alain Rimoux, Marc Faure, Éric Frey u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 94 Minuten
Deutschlandstart
6. Dezember 2007
Inhalt

Der versierte Antiquitätenhändler François lebt nur für seine Arbeit und legt mehr wert auf Prestige und äußere Werte, als auf persönliche Bindungen. Bei vielen seiner Mitmenschen gilt er als arrogant, selbstverliebt und äußerst schroff. Als ihn seine Kollegin Catherine damit konfrontiert, er habe keine Freunde, reagiert er entrüstet und nimmt ihre Wette an: innerhalb von zehn Tagen soll er Catherine seinen besten Freund vorstellen.

Er macht sich auf die Suche und muss bald feststellen, dass sich tatsächlich niemand zu ihm bekennen will. Je verzweifelter er sich zusammen mit dem Taxifahrer Bruno, der genau das Gegenteil vom selbsbezogenen François ist, auf die Jagd macht, desto unachtsamer wird er gegenüber seiner Umwelt. Er bemerkt nicht einmal, dass ihn die ganze Zeit ein wahrer Freund begleitet …

Was zu sagen wäre

Kurz vor dem emotionalen Höhepunkt läuft die Szene, in der die beiden Freunde, die sich noch nicht als Freunde erkannt haben – während alle anderen inklusive Zuschauer das längst haben – sich am Telefon aussprechen; es hat zuvor unschöne Verwicklungen gegeben, die die beiden auseinander getrieben haben. Der Umstand im Drehbuch will es, dass sie sich nun buchstäblich vor ganz Frankreich aussprechen und François anschließend seinen Fernseher ausschaltet. Dann sitzt er vor dem blinden Bildschirm, wir sehen ihn von hinten. Bis das Bild abblendet, vergeht eine gefühlte Ewigkeit, in der nichts zu hören ist, keine Musik, kein Geklimper. Nur ein wenig Wohnzimmer-Athmo. Und wir haben Zeit, nach der sehr spannenden Sequenz zuvor wieder runterzukommen, durchzuatmen und Gott-war-das-schön zu denken.

Wenn Hollywood die Geschichte neu verfilmt, was französischen Filmen ja nicht zum ersten Mal widerführe, wird diese Szene mit Hörnern und Fanfaren, Violinen und Klavier unterlegt und sie wird scheußlich banal sein. Unter Patrice Lecontes Regie ist sie nicht banal. Dramaturgisch läuft diese Geschichte zweier einsamer Männer nach Lehrbuch ab. Die Hürden, Stolpersteine, Aha-Erlebnisse unserer Protagonisten würden auch in Hollywood nicht anders gesetzt. Mit dem Unterschied, dass Hollywood nicht zuließe, als Hauptfigur einen erfolgreichen Businessmann als einsamen Gefühlskrüppel bloßzustellen; es sei den, er ist Cop – Cops sind im amerikanischen Kino standardmäßig einsame Gefühlskrüppel. Aber in einer Komödie? Da ist einer vielleicht mit 40 noch Jungfrau und hatte noch nie eine Freundin. Aber keinen Freund?

Der Charme dieses Films aus französischer Produktion liegt in dieser sehr naheliegenden Frage europäischer Großstädter, die vor lauter Arbeit, Überstunden und Geschäftsessen ihre Leute aus den Augen verloren haben und auf die Frage nach dem besten Freund in den Fotos ihrer Schulzeit kramen, weil da doch damals der Dings war, mit dem man immer gespielt hat. Was ist das eigentlich, ein Bester Freund? Amerikanische Filmemacher würden die Frage gar nicht verstehen. Da sind Best Friends eher Buddies, Kumpel, mit denen man um die Häuser zieht, bis man der Familie oder des Jobs wegen die Stadt wechselt, wo man dann neue Buddies findet. Europäer nehmen den Begriff ernster. So ernst, dass François bei einem fröhlichen Abendessen entrüstet auch nur den Anschein des Gedanken zurückweist, keine Freunde zu haben. "Kein Freund" ist gleichbedeutend mit "Mundgeruch"; anrüchig. Als er sich fragt, wer denn wohl zu seiner Beerdigung kommen würde, sagt Bruno, der immer fröhliche Taxifahrer, „wenn Sie nur Freunde für Ihre Beerdigung brauchen, was bringt Ihnen das jetzt?“ Für etwas anderes aber hat François tatsächlich nie Freunde gebraucht. Alle, die ihn kennen, schätzen ihn – wenn überhaupt – geschäftlich oder finden ihn sexuell attraktiv (was aber auch an seinem beeindruckenden Kontostand liegen kann). Sympathisch findet ihn niemand, eher arrogant und selbstsüchtig. Er ist ein erfolgreicher Geschäftsmann in einer französischen Filmkomödie, da liegt diese Charakterbeschreibung nahe. Aber so einfach ist es nicht.

Auch Bruno, der Taxifahrer, hat keine Freunde. Er ist freundlich zu jedermann. Fast jeder mag ihn, manchen geht er auf die Nerven, weil er dieses allmanachartige Fernsehquiz-Wissen hat, mit dem er jeden volltextet. Unsympathisch findet ihn niemand. Aber einen Freund hat er nicht. Er hatte, was Liebe und Freundschaft angeht, zwei Weltuntergänge in seinem Leben. Jetzt macht er lieber Überstunden in seinem Taxi. Auch François' Geschäftspartnerin Catherine wird im Film nicht über Freunde charakterisiert. Sie lebt mit ihrer Verlobten zusammen – was etwas anderes ist, als eine beste Freundin. Catherine wäre gerne François' beste Freundin, deswegen kommt sie auf diese Wette, die den Reigen auslöst. Zweifelhaft übrigens auch, ob die zahlreichen Menschen, die bei gelegentlichen, geselligen Abendessen mit am gemeinsamen Tisch sitzen, Freunde haben oder auch nur Liebhaberinnen, Liebhaber und Geschäftspartner. Dieser Gedanke ist am Rande des Films interessant, weil er den Schluss zulässt, dass womöglich die Wenigsten echte Freunde haben und einige, wie François, dieser Umstand auch gar nicht stört, weil ihr Leben ausgefüllt ist – „Ich habe die nächsten drei Wochen kein freies Mittagessen, jeden Tag 15 Termine“ – , während andere, wie der zu jedermann aufrichtig freundliche Bruno, echte Freundschaft eben doch vermisst. Das gibt dem Film seine Fallhöhe, die in dieser wunderbar stummen Szene kurz vor dem emotionalen Höhepunkt gipfelt.

Die zentrale Frage nach dem Besten Freund ist der MacGuffin für eine wunderbare Beziehungskomödie, in der zwei Männer in sich horchen und als Freunde zueinander finden sollen. Patrice Leconte findet wunderbare Bilder für die Metapher Freundschaft und hat zwei Phänotypen für François und Bruno gefunden: Daniel Auteuil (Sade – 2000) als Antiquitätenhändler François, der mit seinem scharf geschnittenen Gesicht in seinem eng geschnittenen, dunklen Mantel aussieht, wie ein gefährlich lauernder Adler, und Danny Boon als Taxifahrer Bruno, der mit freundlichen Knopfaugen zwischen Segelohren in zu großer Wolljacke das Odeur eines traurigen Teddybären verströmt. Beide gehen in ihren Rollen auf und füllen in starken Dialogen den strapazierten Begriff der wahren Freundschaft mit echtem Leben. Viel gefühlvoller als Streicher und Bläser das könnten.

Wertung: 6 von 7 €uro
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